Beth Shalom: Erinnerung an die Reichspogromnacht

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Gedichte von Selma Meerbaum-Eisinger, vorgetragen von Professor C. Bernd Sucher, sowie Melodien von Emanuel Kirschner, gesungen von Kantor Nikola David aus Augsburg, begleiteten den von Rabbiner Tom Kucera gestalteten G’ttesdienst der Liberalen Jüdischen Gemeinde München Beth Shalom zum Gedenken an den 75. Jahrestag der „Reichspogromnacht“ am 8. November 2013…

Selma Meerbaum-Eisinger aus Czernowitz, die ihre Gedichte auf Deutsch schrieb, starb 1942, als 18-Jährige im Arbeitslager. Emanuel Kirschner war langjähriger Kantor der Münchner Gemeinde; er starb 81-jährig kurz vor der „Reichspogromnacht“, nachdem er noch im Juni 1938 den vom „Führer“ befohlenen Abriss der Münchner Hauptsynagoge erleben musste.

An den Schrecken des Pogroms und die Folgen erinnerte auch der Deutsch-Französische Chor München unter Leitung von Heinrich Bentemann und unter Mitwirkung des Chausson Streichquartetts mit einem Konzert mit Werken jüdischer Komponisten, das unter Schirmherrschaft von Beth Shalom am 10. November im Jüdischen Museum München stattgefunden hat. Die Einnahmen aus der Veranstaltung, die mit Unterstützung des Jüdischen Museums und des Kulturreferats der Stadt München durchgeführt werden konnte, spendete der Chor Beth Shalom für den geplanten Bau einer vom Stararchitekten Daniel Libeskind entworfenen Synagoge.

Bei dem Gottesdienst und beim Konzert erinnerte Jan Mühlstein, 1. Vorsitzender von Beth Shalom, auch unter Hinweis auf das Schicksal der Familien seiner Eltern daran, dass auch nach der Reichspogromnacht die Türen fast aller Staaten jüdischen Flüchtlingen verschlossen blieben. „Jetzt ist es Europa, das seine Grenzen für Flüchtlinge sperrt. Das Erschütternde an der ‚Reichspogromnacht‘ ist nicht nur die Brutalität der Mordgesellen, sondern auch die Gleichgültigkeit der Zuschauer und die Passivität selbst derer, die ob der Gewalt ehrlich entsetzt waren. Auch wir sollten es angesichts des Sterbens vor Lampedusa nicht beim passiven Entsetzen belassen, sondern gemeinsam überlegen, was wir als Einzelne und als Gemeinschaft für eine verstärkte Aufnahme von Flüchtlingen tun können“, führte er aus.

Union progressiver Juden in Deutschland / November 2013 | Kislev 5774

Stadtplan München

2 Kommentare

  1. Das ist offensichtlich gut gelaufen. Vielen Dank für die Mitteilung, und auch für die überraschende, aber eigentlich schon irgendwie logische Verbindung mit Lampedusa. Obwohl dabei zu beachten ist, dass die in den Fluten des Mittelmeers Umgekommenen nicht die Opfer einer Mord- und Zerstörungskampagne noch einer unnachgiebigen Landungsverweigerung wurden wie damals gewisse Staaten es praktizierten, sondern die Schuld liegt bei den sog. „Schleusern“, die die Flüchtlingsboote völlig überladen gen Europa schick(t)en. Denn natürlich werden die Flüchtling, so sie Europa erreichen, aufgenommen – wenn auch nicht begeistert.

    Was mich etwas stört, ist das letzte Wort der Überschrift. Im Text selbst ist verlinkt ein Aufsatz http://www.schoah.org/pogrom/muenchen/1938.htm , in dem zu lesen steht:

    Die Fachpublizistik hat in jüngster Zeit versucht, mit synthetischen Wortschöpfungen, wie „Reichspogromnacht“, einen neuen Terminus einzuführen, der die zynisch-euphemistischen Untertöne des zeitgenössischen Begriffs „Reichskristallnacht“ vermeidet. Bei solch bemühten Sprachregelungen wird freilich meist nur Unwort durch Unwort ersetzt.

    Es erschien uns deshalb ehrlicher, an der unangemessenen zeitgenössischen Begrifflichkeit „Kristallnacht“ festzuhalten, um auf diese Weise die Widersprüche zwischen der vordergründigen offiziösen Sprachregelung und der eigentlichen Zielvorgabe deutlicher hervortreten zu lassen. Zu berücksichtigen war auch der Umstand, daß vor allem im englischsprachigen Ausland – wo viele jüdische Emigranten und ihre Familien heute leben — mit dem verunglückten semantischen Kunstprodukt einer „Reichspogromnacht“ keine konkreten Vorstellungen verbunden werden.

    Dem schließe ich mich voll an. Man frage mal in anderen Ländern von ungefähr, was man sich unter „Reichspogromnacht“ vorstelle: damit kann kaum jemand was anfangen. Nicht so mit „Kristallnacht“. Die Leute wissen Bescheid, wenigstens die meisten.

    Man kann auch mal die Probe per Suchmaschinen machen: 1.200.000 Nennungen bringt „bing“, während auf „Reichspogromnacht“ gerade mal 81.100 kommen.

    Vor 38 Jahren, am 10.11.1975, hielt Israels UN-Botschafter Chaim Herzog vor der UNO eine bemerkenswerte Rede, bei der er unter anderem ausführte: „Tonight, thirty-seven years ago, has gone down in history as Kristallnacht, the Night of the Crystals.“ (s. in http://www.jewishvirtuallibrary.org/jsource/UN/herzogsp.html ).

    Womit spätestens da den Nationen der Erde dieser deutsche Begriff bekannt gemacht war.

    Bei dem Kabarettisten Werner Finck ist nachzulesen, dass er, kaum war das Wort „Kristallnacht“ vom Berliner „Volksmund“ – und nicht von den Nazis, die nannten das „Aktion“ und verboten später die Benennung als „Kristallnacht“ – geprägt, er das „Reichs“ davor setzte…

    Daraus bastelten später dann irgendwelche Leute das Wort „Reichspogromnacht“ und ähnliches.

    Es scheint eine deutsche Leidenschaft zu sein, Wissen um das Grauen zu kaschieren, analog zur Manie der Nazis, die von „Sonderbehandlung“ usw. sprachen. Vermutlich deshalb nehmen manche Leute an, „Kristallnacht“ sei ein solches Nazi-Synonym. Ist es nicht. Warum es also ersetzen? Weil es so nett klingt? Aber jede/r weiß, was es bedeutet.

    Deshalb zeigt meine VVN-BdA hier vor der Synagoge ganz bewusst am 09.11. seit fast 40 Jahren ein Transparent mit der Aussage: Nie wieder „Kristallnacht“.

    Erstens: nie wieder solch ein mörderischer, zerstörerischer Überfall auf eine sowieso schon sehr bedrängte Minderheit, überhaupt niemals wieder staatlich geförderter Terror.

    Zweitens; nie wieder beschönigende Wortwahl für Ungeheuerliches.

    • Die deutsche Schnauze .. vielleicht auch nur die berüchtigte Schnauze der Berliner? – ich weis es nicht .. jedenfalls brauchte es keine Nazis, um den begriff „Reichskristallnacht“ zu prägen. (Mensch denke nur an den unsäglichen ‚Rechsschamhaarmaler‘)

      Darf ich es mal pisamathematisch ausdrücken? :

      Lehrling : Azubi = Reichskristallnacht : Reichsprogromnacht

      Jede(r), der/die seine(n) Geschichtsunterichtsstunden nicht vorzeitig durch Komasaufen beendet hat, versteht den Begriff „Reichskristallnacht“ (oki – ab einem IQ von 61) – und gerade WEIL dieser Begriff so ‚harmlos‘ klingt, demonstriert er die abgrundtiefe Boshaftigkeit der „Aktion“.

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