Ein Projekt von Ruth Zeifert und Andrea Livnat, haGalil
„Antisemitismus ist keine Meinung“ zitiert die Jüdische Allgemeine im Dezember 2019 Bundesjustizministerin Christine Lamprecht. Gleichzeitig drucken renommierte Zeitungen immer wieder auch Leserbriefe ab, die klassisch antisemitische Ressentiment beinhalten.
In Politik, Medien und Bevölkerung wird Antisemitismus gemeinhin offen verurteilt. Dennoch hat nach der letzten Umfrage des Jüdischen Weltkongresses gut ein Viertel der deutschen Bevölkerung antisemitisch Einstellungen. Abgedruckte Leserbriefe zeigen, wie diese konkret aussehen können. Von antisemitischer Israelkritik über die Schuldfrage bis hin zur klassischen Schlussstrichforderung wird zugunsten einer vermeintlich gerechtfertigten Kritik gegenüber ‚den Juden‘ oder dem jüdischen Staat Israel argumentiert.
Die Redaktionen weisen in der Regel darauf hin, dass es sich explizit um Meinungen der Leserschaft und nicht die der Zeitungen handele. Werden solch antisemitische Leserbriefe abgedruckt, gibt die Zeitungsredaktion aber Meinungen mit antisemitischem Gehalt einen Raum und reproduziert sie. Auf Nachfrage antwortete etwa die Süddeutsche Zeitung, sie würden offen extremistische oder rassistische Leserbriefe nicht veröffentlicht. Die entsprechenden Leserbriefe werden demnach von den Redaktionen entweder nicht als antisemitisch erkannt oder aber trotz ihrer antisemitischen Konnotation als vertretbare Meinung bewertet. Auch die Autoren der Leserbriefe verstehen sich, folgt man ihren Argumentationen, eher nicht als antisemitisch, sondern vielmehr als moralisch und kritisch. Niemand bezeichnet sich heute freiwillig als Antisemit. Antisemitisch waren die Nationalsozialisten unter Hitler. Antisemiten sind jene, die eine judenfeindliche Straftat begehen. In jedem Fall ist der Antisemit immer der andere, nicht aber man selbst. Es besteht also eine deutliche Diskrepanz zwischen der wissenschaftlichen Beschreibung dessen, was Antisemitismus umfasst und dem, was Redaktion und Leserschaft als solchen verstehen.
Die haGalil-Serie – ‚Antisemitismus ist (k)eine Meinung‘ – bittet wissenschaftliche und kulturelle Akteure und Experten anhand konkreter Leserbriefe zu kommentieren: Wo sehen Sie in konkreten Beispielen den Unterschied zwischen legitimer Kritik/Anmerkung und antisemitischer Aussage/Meinung? Was bedeutet es, wenn Zeitungen antisemitischen Meinungen einen Raum geben – in einer Gesellschaft, in der jeder vierte antisemitische Einstellungen hat? Wie können wir dazu beitragen, das jeweilige Vorurteil zu klären? Oder ist Antisemitismus doch -entgegen der Beteuerung von Politik, Medien und Individuen- schlicht als eine legitime Meinung unter vielen hinzunehmen?
Dr. Ruth Zeifert, 1972 in Frankfurt am Main geboren. Soziologin und Autorin. Lebt und arbeitet in München. Publizierte zu Themen rund um das Judentum. Zuletzt erschienen: ‚Nicht ganz Koscher – Vaterjuden in Deutschland‘ (Hentrich & Hentrich).
Dr. Andrea Livnat, 1974 in München geboren. Historikerin und Herausgeberin von haGalil. Lebt und arbeitet in Tel Aviv und München. Publiziert zu Themen der jüdischen und israelischen Geschichte und Gegenwart. Zuletzt erschienen: ‚111 Orte in Tel Aviv, die man gesehen haben muss‘ (Emons).
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1. Ist jetzt alles wieder gut? Die Schlussstrichforderung
„Ein nach 1945 geborener Deutscher ist aber […] weder schuldig an diesen Verbrechen noch dafür verantwortlich, denn Verantwortung übernimmt nur, wer sich freiwillig in eine Position begibt. (Süddeutsche Zeitung 14.10.2019)
Kommentar von Esther Schapira und Georg M. Hafner
Seit Kriegsende gibt es den Wunsch der nichtjüdischen, deutschen Bevölkerung, einen Schlussstrich unter die Schuld des Nationalsozialismus zu ziehen. Ist es auch heute, da die Shoah viele Jahrzehnte zurück liegt, noch ein antisemitisches Ressentiment, zu fordern, dass Schluss ist oder hat der Leserbriefschreiber Recht: kein nach 1945 geborener Deutscher ist schuldig oder verantwortlich?
Wenn 80% der Bundesbürger genau wie ich einen Schlussstrich wünschen, dann hat das seine Berechtigung. Aber so lange unsere Politiker wie Gauck keinen Schlussstrich ziehen, wird es ihn nicht geben. Ich trenne scharf zwischen den Tätern des 3. Reiches und der Nachkriegsgeneration. Ich habe damit nichts zu tun und habe demzufolge keinerlei Verantwortung für die Taten und akzeptiere keinen Kotau in meinem Namen. „Keine deutsche Identität ohne Auschwitz“ – diese Aussage mag Herr Gauck für sich in Anspruch nehmen. Ich distanziere mich davon, denn ich habe als Deutscher meine eigene deutsche Nachkriegsidentität und zwar ohne Auschwitz. Schuld ist individuell und nicht kollektiv und ich lasse mir eine Verantwortung für die Taten nicht auferlegen – weder rechtlich noch moralisch, weil ich mich davon distanziere und die Täter verachte. Die Taten von Auschwitz haben allein die Täter und diejenigen, die es ihnen ermöglichten zu verantworten. Das Deutschland von heute mit den überwiegenden Nachkriegsgenerationen hat es nicht mehr nötig, sich selbst zu beschmutzen. Das hat die Tätergeneration zur Genüge getan und nur diese hat Reue zu zeigen.
(Münchner Merkur, 29.01.2015)
Bei Kriegsende war ich acht Jahre alt und habe in meinem ganzen Leben weder einem Juden noch sonst jemandem ein Leid zugefügt. Ich verwahre mich daher entschieden, in eine Allgemeinschuld für die Gräueltaten während des NS-Regimes einbezogen zu werden. Ebenso sollte den Menschen der Nachkriegsgenerationen nicht für alle Zeiten eine Erbsünde auferlegt werden, sie haben es nicht verdient, und es ist auch ein Nährboden für den Antisemitismus. Nachdem wir 70 Jahre lang mit dieser schrecklichen Vergangenheit in Filmen und Dokumentationen konfrontiert worden sind, und die letzten Angehörigen der damaligen Generation in wenigen Jahren nicht mehr leben werden, ist es an der Zeit, nunmehr – und wie es nach einer Umfrage auch eine große Mehrheit unserer Bevölkerung will – einen Schlussstrich unter diese Vergangenheit zu ziehen.
(Münchner Merkur, 02.02.2015)
„Ein nach 1945 geborener Deutscher ist aber entgegen Stephan weder schuldig an diesen Verbrechen noch dafür verantwortlich, denn Verantwortung übernimmt nur, wer sich freiwillig in eine Position begibt, die zur Übernahme von Verantwortung zwingt. Was könnte dann also der Grund sein? Vielleicht eine Art Kollektivscham – auch sie kann der Staat nicht vorschreiben; das muss jeder selbst entscheiden. Ich frage mich, ob die Beurteilung einer Handlung als rechtswidrig von der Person abhängen kann, die sie äußert. Die Farbe „Rot“ ist rot, egal, ob ein AfDler oder eine Linker sie als rot bezeichnet. Oder ist es nicht vielleicht doch mutiger, Unrecht als Unrecht zu bezeichnen – egal, von wem es begangen wird?
(Süddeutsche Zeitung, 14.10.2019)
In den Artikeln um die Einführung des Feiertags am 8. Mai fehlt mir der Aspekt, was der von Gauland beklagte Verlust der Gestaltungsmöglichkeit in der damaligen Zeit eigentlich hieß: Er bedeutete das Ende des „Nero-Befehls“, der in den letzten beiden Kriegsmonaten galt und die Zerstörung der Lebensgrundlage der Bevölkerung anordnete. Ich als damals Elfjähriger erinnere mich daran, dass das auch für funktionsfähige Traktoren der Bauern galt. Jeder, der sich diesem Befehl widersetzte, konnte ermordet werden und fühlte sich am 8. Mai befreit, nicht nur die Überlebenden in den Konzentrationslagern.
(Süddeutsche Zeitung, 13.05.2020)
2. Gibt es für nichtjüdische Deutsche eine besondere moralische Verantwortung, Israel zu kritisieren?
„[Ich] komme zu dem Schluss, dass wir in Deutschland gerade als Konsequenz aus dem Holocaust bei den Menschenrechtsverletzungen an den Palästinensern nicht wegschauen und schweigen dürfen.“ (Süddeutsche Zeitung 14.10.2019)
Entsteht der deutschen Bevölkerung aus dem Nationalsozialismus die Pflicht, sich in Kritik gegen Israel zurückzuhalten? Oder ist es genau andersherum, sollten sich Deutsche besonders gegen israelische Menschenrechtsverletzungen einsetzen? Wo verläuft die Grenze zwischen legitimer Kritik und antisemitischer Ausrichtung?
Aus dem Holocaust kann man im Land der Täter zwei verschiedene Lehren ziehen: unbedingter Einsatz für die universellen Menschenrechte oder unbedingter Einsatz für jüdische Menschen. Idealerweise fiele beides zusammen, wäre da nicht das Agieren des Staates Israel. Anders als der Autor komme ich zu dem Schluss, dass wir in Deutschland gerade als Konsequenz aus dem Holocaust bei den Menschenrechtsverletzungen an den Palästinensern nicht wegschauen und schweigen dürfen. Wo die Menschenwürde auf dem Spiel steht, ist damals wie heute Schweigen nie Gold, sondern Schuld.
(Süddeutsche Zeitung, 14.10.2019)
„Nicht die BDS-Bewegung ist in meinen Augen aggressiv, sondern die israelische Besatzungs- und Annexionspolitik. BDS ist für mich praktisch das Gleiche wie die Sanktionspolitik der USA und Europas gegen Russland, Syrien usw. (über deren Sinn und Nutzen man allerdings diskutieren sollte). Die BDS-Bewegung dagegen initiiert Künstler und Initiativen, keine Politiker, und obendrein gänzlich ohne militaristische Aufrüstung und Drohungen. Im Übrigen ist sie auch nicht antiisraelisch, sondern gezielt gegen die menschenrechtsverachtende Besatzungs- und Enteignungspolitik Israels gewendet.“
(Süddeutsche Zeitung, 14.10.2019)
Was veranlasst Felix Klein dazu, den Unterschied zwischen Juden und jüdischem Staat zu ignorieren? Wenn bei Protesten ein israelisches Hoheitssymbol verbrannt wird, wird damit nicht gegen Juden protestiert. Der Protest richtet sich gegen einen Staat. Wenn Herr Klein erklärt, dass derartige Proteste antisemitisch seien, impliziert das, dass Israels Verletzungen der Rechte der Palästinenser „jüdisch“ seien. Damit nimmt er alle Juden für Israels Politik in Haftung. Genau das bezeichnet er als antisemitisch. Das ist ein Widerspruch. ?
(Bonner General-Anzeiger, 04.04.2020)
Wer die israelische Politik der fortgesetzten Besatzung kritisiert, hätte sich im Vorfeld besser informieren müssen. Die Freiheit der Kunst ist schnell zu Ende, sobald eine Gruppe mit BDS in Verbindung gebracht werden kann. Wenn jemand in NRW ein Ende der israelischen Besatzung Palästinas fordert, boykottiert Ministerpräsident Armin Laschet die ganze Kulturveranstaltung. Ist das jetzt Orwell oder Kulturfeindlichkeit? Wahrscheinlich darf man nicht darüber berichten, das das israelische Militär immer wieder palästinensische Schulen zerstört. Ist es Antisemitismus, wenn man darüber berichtet, dass Israel die Unesco boykottiert?
(Süddeutsche Zeitung, 5.9.2019)
Kritik am israelischen Besatzungsregime in Palästina richtet sich nicht gegen Juden als Juden, sondern gegen konkretes staatliches Unrecht, das mehrfach in UN-Resolutionen verurteilt wurde. Viele Juden in Israel und in der Diaspora leiden an diesem Unrecht des Staates Israel und hoffen auf unsere Solidarität. Der israelische orthodoxe Jude Gershom Gorenberg hat die israelische Politik als selbstzerstörerisch analysiert; sein Buch trägt den Titel „Israel schafft sich ab“. Kritik am Besatzungsregime will dazu beitragen, dass Israel sich nicht selbst abschafft.
(Landshuter Zeitung, 19.11.2016)
Wir als Menschen, die seit Jahrzehnten gegen jede Form des Antisemitismus und Neonazismus kämpfen, haben gerade auch deshalb die ethische Pflicht, die Freiheit des Denkens und der trotz aller Widersprüche und Komplexität erkennbaren Wahrheit das Wort zu reden. Die Antisemitismuskeule darf die Kritik am aggressiven und imperialen Zionismus und Rechtsradikalismus in Israel nicht zum Schweigen bringen, denn die UNO-Charta und die Menschenrechte auch für Palästinenser sind universell. Das Studium von Büchern des renommierten israelischen Historikers Ilan Pappe („Die ethnische Säuberung Palästinas“) oder der amerikanischen Professorin jüdischer Abstammung Judith Butler („Am Scheideweg – Judentum und die Kritik am Zionismus“) ist unverzichtbar.
(Haller Tagblatt, 13.09.2014)
3. Sind antisemitische Äußerungen eine Rechtfertigung, einen Preis nicht zu verleihen?
[Soll] in Zukunft für die Verleihung von Kunstpreisen eine Gesinnungsprüfung Voraussetzung sein […]? (Süddeutsche Zeitung 14.10.2019)
Sollte ein Preis für eine künstlerische/kulturelle Leistung nicht vergeben werden, wenn der Anwärter in der Vergangenheit antisemitische Aussagen getätigt hat? Wo liegt die Grenze? Kommt dies einer „Gesinnungsprüfung“ gleich? Sollte diese „Gesinnungsprüfung“ nur in Bezug auf Antisemitismus angewendet werden? Oder ist sie auch in Bezug auf Rassismus etc. sinnvoll?
„Ich kenne weder Kamila Shamsie noch Walid Raad, gehe aber doch davon aus, dass ihnen die Preise in Dortmund beziehungsweise Aachen als Anerkennung für ihre künstlerischen Leistungen verliehen worden sind. Wenn nun diese Urteile der einschlägigen Kommissionen mit Hinweis auf die Gesinnung der Künstler liquidiert werden, ist das ein Skandal, zu dem ich klare Worte erwartet hätte. Stephans Urteil, die preisverleihenden Städte hätten „in dieser Sache zwangsläufig Stellung“ beziehen müssen, ist zumindest gedankenlos. Will er denn damit sagen, dass in Zukunft für die Verleihung von Kunstpreisen eine Gesinnungsprüfung Voraussetzung sein kann? Dann ginge es nicht mehr um den künstlerischen Rang – einen Preis erhält nur, wer die „richtige“ Gesinnung hat. Sollte das zur Haltung der Kunstkritik in der SZ werden?
(Süddeutsche Zeitung, 14.10.2019)
Sie schreiben groß, „Die Debatte um Achille Mbembe schadet Deutschland, denn die Erinnerungskultur braucht andere Perspektiven.“ Na, welche denn? Ich vermisse die Ansätze dazu. Es ist eine kleine, verdrehte Welt, wenn ein afrikanischer Historiker und Politikwissenschaftler sich zu einem freien Wort entscheidet und feststellt: „Ich respektiere die deutschen Tabus, aber es sind nicht die Tabus aller Menschen auf der Welt.“ Was sollte daran falsch sein und immerzu den Schlenker zum Antisemitismus rechtfertigen? Warum kann in Deutschland nicht, nach diesen unsäglichen Geschehnissen, offen auch die „Besatzungsmacht Israel“ mit allen logischen Denkansätzen kritisiert werden, ohne dass der Hammer „Antisemitismus“ hervorgeholt wird!?
(Süddeutsche Zeitung, 27.05.2020)
4. War die ehemalige DDR aufgeklärt und frei von Antisemitismus?
„Staatsdoktrin hin oder her, hat man sich zu DDR-Zeiten sehr bemüht, Kinder im antifaschistischen Sinne zu leiten […] Und das war gut so! Ähnlich verhält es sich mit Antisemitismus. Auch das wurde in der DDR nicht geduldet.“ (Sächsische Zeitung 28.03.2020)
Gab es in der DDR weniger Antisemitismus als in der Bundesrepublik? Welche Folgen der Aufarbeitung des Nationalsozialismus sind bis heute zu sehen? Kann das Verhalten der Linken in Bezug auf die AfD nach den jüngsten Wahlen mit fehlendem Demokratieverständnis bewertet werden? Sind Vergleiche zwischen Politikern der heutigen Zeit und der ehemaligen DDR legitim?
Der Autor hat, nach seinen Ausführungen zu urteilen, gut recherchiert. Dennoch kommt es auf die Bewertung des in der DDR üblichen Antifaschismus an. Staatsdoktrin hin oder her, hat man sich zu DDR-Zeiten sehr bemüht, Kinder im antifaschistischen Sinne zu leiten. Selber kann ich das nur bezeugen. Und das war gut so! Ähnlich verhält es sich mit Antisemitismus. Auch das wurde in der DDR nicht geduldet. Böse Zungen sagen, weil man so etwas unterdrückt hätte, würde es umso mehr zum Ausbruch kommen. Das finde ich aber besser, als die Dinge ihrem Lauf zu überlassen und dann zu beklagen, warum es zu solchen Tendenzen kommt. Bedauerlich, dass da vielfach mit dem Finger auf den Osten gezeigt wird.
(Sächsische Zeitung, 28.03.2020)
In dem Artikel wird hauptsächlich auf den Umgang „Westdeutschlands“ mit Auschwitz und dem Holocaust eingegangen. In einem kleinen Absatz wird dann aber doch auf die DDR Bezug genommen: „In der DDR blieb der Holocaust weitgehend ein Tabu.“ „So viel Desinformation macht sprachlos“, sagte schon Daniela Dahn. Und auch ich empfinde diese Aussage als persönliche Kränkung, da ich in diesem Fall in einem Land gelebt hätte, in dem über dieses Thema nicht gesprochen werden sollte.
Dazu einige Informationen: In über 1000 Filmen (Spielfilme, Dokumentarfilme usw.) wurde in der DDR auf Antisemitismus, Judenverfolgung und jüdisches Leben eingegangen. Dazu kamen dann noch circa 1000 Buchtitel, die jüdisches Leben zum Inhalt hatten. Etwa die Hälfte dieser Bücher befasste sich mit Nationalsozialismus und Judenverfolgung.
Und nicht zuletzt: Die Judenverfolgung war in der DDR Schulstoff. Von einem Verschweigen oder gar Tabu kann dann wohl keine Rede sein.
(Oschatzer Allgemeine, 28.01.2020)
Leider muss ich der Linken das Demokratieverständnis absprechen, wenn erst einem gewählten Vertreter der Blumenstrauß vor die Füße geworfen und dann einem Abgeordneten einer anderen Partei der Handschlag verweigert wird. In einem Parlament sind alle Vertreter vom gleichen Volk gewählt! Das Ausgrenzen von gewählten Vertretern, egal welcher Partei, kann man nicht hinnehmen! Hier beginnen bereits die Spaltung und die Hetze! Die Linke hat das Ausgrenzen von Personen, die politisch nicht in ihr Konzept passen, aus der DDR fortgesetzt. Ich denke da an meine Bewerbung zu einem Ingenieur-Studium 1951, als ich eine Postkarte mit der Absage zur Zulassung mit folgenden Worten erhielt: „… wurde wegen Ihrer unzureichenden politischen Qualifizierung abgelehnt …“.
In Deutschland ist leider auch nie die Stalinzeit mit deren Diktatur und den Grausamkeiten aufgearbeitet worden, welche die Linken auf dem Weg zum Kommunismus hinterlassen hatten!
(Osterländer Volkszeitung, 10.03.2020)
5. Ist Antisemitismus eine Meinung?
„Jedem, der es wagt, Kritik zu äußern, wird ein Maulkorb verpasst.“ (Nordwest-Zeitung – Oldenburger Nachrichten 19.11.2016)
Abschließender Kommentar von Lars Rensmann
Warum ist eine antisemitische Aussage nicht einfach eine Meinung?
Wie kommt es zu der Differenz zwischen nicht-antisemitischer Selbstwahrnehmung und der Begriffsdefinitionen?
Wie steht es, um die Forderung, dass die Deutschen den Mund halten sollen – ist das so? Wer verbietet uns, den Mund zu halten? Kann man den Mund vielleicht auch öffnen, ohne antisemitische Argumentation? Bzw.:
Wie soll mit solchen Leserbriefen umgegangen werden? Ist es sinnvoll, antisemitische Meinungen abzudrucken oder sollten diese einer Zäsur unterliegen?
„Ich kann mich dem überhaupt nicht anschließen, dass „ausgerechnet wir“ schön den Mund halten sollten! Ganz im Gegenteil sollten wir uns insbesondere den Menschenrechten und den sonst so gepriesenen Werten Europas verpflichtet fühlen – ohne Ansehen der Person!“
(Süddeutsche Zeitung 14.10.2019)
Wieso braucht die Ausstellung eine „neutrale wissenschaftliche Expertise“? – Das mehrfache Verschieben und diese fadenscheinige Begründung sind ein weiterer Affront gegen die Palästinenser, inszeniert wie immer. Absage des Palästina-Seminars an der Hochschule Hildesheim, Absage einer Vortragsreihe zum Thema „Naher Osten – ferner Frieden“ an der Uni Göttingen – von einer sich mächtig fühlenden Israel-Lobby. Es sind immer wieder die gleichen Argumente, die sich wie eine abgenutzte Schallplatte mit Riss in den Deutsch-Israelischen Gesellschaften festgesetzt zu haben scheinen. Jedem, der es wagt, Kritik zu äußern, wird ein Maulkorb verpasst. Das war schon zu Anfang des letzten Jahres so! (…)
(Nordwest-Zeitung – Oldenburger Nachrichten, 19.11.2016)
Da wird ein Seminar abgesetzt, die Dozentin entbunden, die Dekanin abgelöst, die Präsidentin geschasst, womöglich noch die Ministerin. Und ein Gutachten beauftragt, mit dessen Kosten hätte man anderes machen können. Da gefällt jemandem ein Seminar einer deutschen Hochschule nicht. So what? Wegen einer Befindlichkeitsstörung muss das ganze Seminar weg? Unsere Altlasten aus dem Dritten Reich holen uns wieder mal ein. Was da passiert ist, darf nie wieder vorkommen, aber ist deshalb jede kritische Auseinandersetzung mit Israel antisemitisch? Wir sollten uns diesen Rucksack unserer Geschichte nicht von jedem Hansel wieder aufsetzen lassen, dem gerade langweilig ist. Das Deutschland von heute ist liberal und freiheitlich-demokratisch – ein Land, in dem Pressefreiheit herrscht und freie Lehre. Hier kann jeder seine Meinung sagen. Möge das noch lange so bleiben. Das umfasst auch die Auseinandersetzung mit den Positionen Andersdenkender, die nicht jedem in Israel gefallen dürften. (…) Ich entschuldige mich für diese Schmierenaffäre und das allzeit devote Einknicken unfähiger Politiker, das im Ergebnis ordentliche Wissenschaftler diffamiert und jede weitere Diskussion im Keim erstickt. Schämt Euch, Ihr elenden Duckmäuser!
(Hildesheimer Allgemeine Zeitung, 12.11.2016)
Sie schreiben groß, „Die Debatte um Achille Mbembe schadet Deutschland, denn die Erinnerungskultur braucht andere Perspektiven.“ Na, welche denn? Ich vermisse die Ansätze dazu. Es ist eine kleine, verdrehte Welt, wenn ein afrikanischer Historiker und Politikwissenschaftler sich zu einem freien Wort entscheidet und feststellt: „Ich respektiere die deutschen Tabus, aber es sind nicht die Tabus aller Menschen auf der Welt.“ Was sollte daran falsch sein und immerzu den Schlenker zum Antisemitismus rechtfertigen? Warum kann in Deutschland nicht, nach diesen unsäglichen Geschehnissen, offen auch die „Besatzungsmacht Israel“ mit allen logischen Denkansätzen kritisiert werden, ohne dass der Hammer „Antisemitismus“ hervorgeholt wird!?
(Süddeutsche Zeitung, 27.05.2020)
Der Antisemitismus war niemals weg, nur war er leiser, und er ist kein deutsches Phänomen, sondern auch in der restlichen Welt weit verbreitet. Schlimm ist, dass er nicht nur unter Dumpfbacken, Neonazis und Ewiggestrigen grassiert, sondern in der Mitte unserer Gesellschaft. Es reicht nicht, sich darüber zu empören und noch ein paar Gedenktage für die Opfer der Schoah einzurichten. Ursachenforschung ist angesagt! Für viele junge Leute ist „Jude“ gleichbedeutend mit „Israeli“ und dem Unrecht, das dort an den Palästinensern begangen wurde und noch begangen wird. Niemand wagt es, das deutlich auszusprechen, weil man fürchtet, damit in die Schublade „Antisemit“ gepackt zu werden. Das muss thematisiert und diskutiert werden. Nur mit dem Finger auf Antisemiten zu zeigen, hilft nicht, es ist eher kontraproduktiv.
(Süddeutsche Zeitung, 27.05.2020)