Juden in Franken

In unserer neuen Artikelreihe stellen wir Relikte des fränkischen Landjudentums vor. Jahrhundertealte aufgelassene Friedhöfe, Gebäude, die einst als Synagogen dienten, aber auch andere steinerne Zeugnisse, wie etwa Inschriften oder Symbole. Das Landjudentum ist schon lange nicht mehr existent. Bereits im 19. Jahrhundert lösten sich zahlreiche der kleinen Gemeinden auf. Die restlichen wurden während des Nationalsozialismus liquidiert. Doch vereinzelt gab es nach 1945 erneut jüdisches Leben auf dem Land – davon zeugen die Hachscharot-Kibbuzim, Bauernschulen, in denen Überlebende der Shoa für ihre Zukunft in Erez Israel ausgebildet wurden.

Buttenheim
Schnaittach
Giebelstadt und Allersheim
Zeckendorf
Pretzfeld und Hagenbach
Aschbach: Orthodoxe Landgemeinde und Misrachi-Kibbuz
Georgensgmünd – Friedhof, Synagoge und Tahara-Haus
Bechhofen – Scheunensynagoge und Jahrhunderte alte steinerne Zeugnisse
Synagoge, Friedhof und jüdisches Museum in Ermreuth
Rödelsee – ein jüdischer Friedhof in Weinfranken
Schwabach – Synagoge, Laubhütte und der Fußballverein „Kadima Schwabach“
Gunzenhausen: Eine Hochburg des Nationalsozialismus
Ansbach: Barocksynagoge und Wartesaal für Shoa-Überlebende

Juden in Franken – ein historischer Überblick

Im ersten Jahrtausend unserer Geschichtsschreibung gestaltete sich das Zusammenleben von Christen und Juden weitgehend ohne Probleme. Die Historiker gehen von einem friedlichen Miteinander der beiden Konfessionen aus. Erst zum Ende des 11. Jahrhunderts trat mit dem Beginn der Kreuzzüge die erste große Verfolgung der jüdischen Minderheit in Europa ein. Auf dem Weg nach Jerusalem, um die Stadt von den „ungläubigen Muselmanen“ zu befreien, wurden auch gleich die vermeintlichen „Gottesmörder“ zu Tausenden erschlagen.

Vor den Pogromen flüchteten die Juden aus den Städten am Rhein in Richtung Osten. Aus jener Zeit – der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts – liegen gesicherte Erkenntnisse vor, dass in Nürnberg und Würzburg erste jüdische Gemeinden existierten. Diese im Fränkischen siedelnden Juden waren Überlebende der von den Kreuzfahrern angezettelten Massaker.

Bis zum Jahre 1298 lebten die Juden friedlich mit den christlichen Nachbarn. In manchen Städten konnten sie sogar einen gewissen Wohlstand erreichen.

Das nach einem verarmten Adeligen benannte „Rintfleischpogrom“ zerstörte jedoch die blühenden jüdischen Gemeinden und brachte tausendfachen Tod über die fränkischen Juden. Anlass dieser Mordwelle, die in ganz Süddeutschland wütete, war der aus religiösem Wahn entstandene Vorwurf der „Hostienschändung“. Dieser christliche Antisemitismus diente den Mördern auch als einfache Möglichkeit, ihre wirtschaftlichen Verhältnisse zu ordnen. Anstatt die Schulden zu begleichen, brachte man die Gläubiger um.

Die schrecklichste Verfolgung fand in den Jahren 1348-50 statt. Anlass dieser im gesamten Abendland begangenen Massenmorde war die große Pestepidemie. Ähnlich den Kreuzzügen formierten sich irrational-religiöse Bewegungen, die zum Judenmord aufriefen. Der jüdischen Minderheit wurde der Vorwurf gemacht, die Brunnen vergiftet und damit die Seuche ausgelöst zu haben. Doch nicht nur blinder Hass auf die Minorität war Grund für das in ganz Europa angerichtete Blutbad. Wirtschaftliche Überlegungen waren erneut Auslöser für das von der Obrigkeit legitimierte Morden. Erinnert sei an die Urkunde Karls IV., der in dieser Verfügung – schon ein halbes Jahr vor dem Pogrom – das Eigentum der Nürnberger Juden verteilte. Zwar entstand nach dem verheerenden Massaker in Nürnberg bald darauf erneut ein jüdisches Ghetto, doch die Zahl der Nürnberger Juden war auf rund ein Zehntel gesunken.

Judenverbrennung. Zeitgenössische Darstellung von Michael Wohlgemuth aus der „Schedelschen Weltchronik“ von 1493. Repro: Public Domain (Wikimedia)

Der hohe Blutzoll und das in den darauffolgenden Jahrzehnten immer stärker aufgeweichte Zinsverbot trugen dazu bei, dass die jüdische Minderheit zunehmend an Bedeutung verlor. Die endgültige Vertreibung aus den Städten zum Ende des Mittelalters war daher beinahe eine logische Konsequenz. Zuflucht fanden die wenigen Überlebenden meist in den ländlichen Regionen. Denn kleine Reichsgrafen oder Ritter, die in Opposition zu den Reichsstädten und Bistümern standen, boten den Juden die Möglichkeit zur Ansiedlung. In der Gemeinde Ermreuth (LK Forchheim) registrierte man im Jahr 1554 die ersten Juden. Auch für Bechhofen (LK Ansbach) sind jüdische Bewohner ab 1564 nachweisbar.

Während des 30-jährigen Krieges (1618-48) waren viele der kleinen jüdischen Landgemeinden der marodierenden Soldateska schutzlos ausgeliefert. Diese Zeit war geprägt von Flucht und Wiederansiedlung. Erst mit dem Friedensschluss konnten sich die Gemeinden in den fränkischen Dörfern und Märkten wieder stabilisieren. Nicht zuletzt der Geist der aufkommenden Aufklärung trug dazu bei, dass die Vorurteile gegenüber den Juden nicht in offene Pogrome umschlugen.

Bedingt durch die historisch unterschiedlichen Herrschaftsverhältnisse in den letzten Jahrhunderten, gab es eine regional ungleiche Verteilung der jüdischen Minderheit in Bayern. Die spärlich vorhandene Ansiedlung jüdischer Menschen in Ober- und Niederbayern erklärt sich mit der rigoros gehandhabten Ausweisungspolitik im Wittelsbacher Stammland.

Erst durch das sogenannte Judenedikt von 1813 wurden die jüdischen Religionsgemeinschaften in Bayern anerkannt. Nun gab es eine landesweit einheitliche Regelung. Dies bedeutete jedoch nicht die rechtliche Gleichstellung mit den christlichen Konfessionen. Aber zum ersten Mal kann von „Jüdischen Kultusgemeinden“ in Bayern gesprochen werden.

Die Anerkennung als „Privatkirche“ schränkte jedoch die Menschen in ihrer Freizügigkeit massiv ein. Der Matrikelparagraf legte genau fest, wie viele jüdische Familien in den einzelnen Gemeinden leben durften. Es galt die Personenzahl der zum Zeitpunkt des Erlasses in der Kommune lebenden Juden. Das hatte unter anderem zur Folge, dass bedingt durch diese Immobilität noch 1840 fast 90 Prozent der bayerischen Juden auf dem Land wohnten. Erst nachdem die Wohnortbestimmung aufgehoben worden war, kam es auch bei diesem Teil der Bevölkerung zur allgemeinen Flucht in die Städte. Dadurch konnten auch die Juden an der rasch fortschreitenden Industrialisierung teilhaben.

Die zivilrechtliche Gleichstellung erfolgte 1862. Aber erst mit Gründung des Deutschen Reiches (1871) wurden auch die Juden – zumindest formal – gleichwertige Bürger. Im Jahr 1910 lebten ca. 80 Prozent der Juden in den großen Städten.

Die Organisation der jüdischen Gemeinden blieb jedoch bis zur Weimarer Verfassung im Wesentlichen unverändert. Es wurde pro Kommune lediglich eine Gemeinde anerkannt. Nach diesem Prinzip der Einheitsgemeinde galt der Rabbiner bzw. der Gemeindevorsteher als Repräsentant der Juden gegenüber der staatlichen Macht. Die Gemeindeverwaltungen besaßen jedoch Vollmachten, die weit über die religiösen Belange hinausreichten. Die Kompetenz der Bezirksrabbinate erstreckte sich von der Regelung der Gemeindefinanzen bis hin zur Verwaltung der jüdischen Volksschulen.

Mit der Gründung der Weimarer Republik wurde der Status der deutschen Juden erstmals reichseinheitlich geregelt. Alle jüdischen Gemeinden im Deutschen Reich wurden als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt. 1920 kam es in Bayern zu einem landesweiten Zusammenschluss der israelitischen Gemeinden. Der „Verband Bayerischer Israelitischer Gemeinden“ (VBIG) war nun der alleinige Ansprechpartner gegenüber den Behörden in Bayern.

Im Zuge der wirtschaftlichen Entwicklung konnte ein Teil der städtischen Juden gute Positionen im Handel und Bankgewerbe erlangen. Die ländliche Bevölkerung blieb aufgrund der Jahrhunderte währenden Widerstände in ihren traditionellen Berufen tätig.

Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein war der Viehhandel in Franken der klassische Erwerbszweig der Landjuden. Andere fanden Arbeit und Brot als Hausierer, Weinhändler und dergleichen. Zwar gab es hier und da Juden, die es zu Wohlstand brachten, aber die tendenzielle Armut war nicht zu übersehen.

Viehmarkt am Marktplatz der mittelfränkischen Kleinstadt Lauf a. d. Pegnitz (ca. 1925), Foto: Stadtarchiv Lauf

Die Wirtschaftskrise und der durch den verlorenen Krieg wieder aufflammende Antisemitismus in der Weimarer Republik trugen dazu bei, dass die jüdische Landbevölkerung stark rückläufig war. Je mehr der völkische Nationalismus zunahm, desto stärker waren die Bürger jüdischen Glaubens Angriffen ausgesetzt. Bayern spielte hierbei eine Sonderrolle. Dass einige Führer der Münchner Räterepublik jüdischer Abstammung waren, diente dem regierungsamtlichen Antisemitismus als Alibi. In den Jahren 1920 und 1923 ergingen Ausweisungsbefehle gegen mehrere hundert ostjüdische Familien in Nürnberg und München. Dies begründete man damit, dass diese Menschen die Räterepublik unterstützt hätten.

In Bayern kam es häufiger als im restlichen Reichsgebiet zu Anschlägen auf jüdische Einrichtungen. Von sämtlichen 1930 in Deutschland registrierten Schändungen jüdischer Friedhöfe entfielen allein 40 Prozent auf Bayern. Die fränkischen Bezirke galten als eine Hochburg des Antisemitismus. Forciert hatte das – schon vor der sogenannten Machtübernahme – Julius Streicher, der Gauleiter der NSDAP.

Nach der Wahl Hitlers zum Reichskanzler und der damit verbundenen Ausgrenzung der jüdischen Bürger wanderte ein Teil der fränkischen Juden in die Vereinigten Staaten oder nach Palästina aus.

Die in Deutschland verbliebenen Juden wurden verschleppt und ermordet.

Der überwiegende Teil der bayerischen Juden lebte vor der Shoa in den fränkischen Regionen zwischen den Städten Würzburg, Nürnberg, Bayreuth und Ansbach. In wenigen anderen Teilen Deutschlands hat es eine solche Dichte von jüdischen Ansiedlungen gegeben – in mancher Landgemeinde standen in der Dorfmitte eine Synagoge und eine Kirche, teilsweise war die die halbe Bevölkerung jüdischen Glaubens. An die vielen Landgemeinden erinnern heute nur noch steinerne Zeugnisse: jahrhunderte alte Friedhöfe, ehemalige Synagogen und einige Mikwaot – das jüdische Leben wurde vernichtet. Nur in den Städten Nürnberg, Würzburg, Bayreuth, Fürth und Erlangen kam es nach der Shoa zu Neugründungen von jüdischen Gemeinden. (jgt)

Ein Projekt von haGalil e.V. in Kooperation mit dem Nürnberger Institut für NS-Forschung und jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts e.V.