Dr. Harald Kindermann: Deutscher Botschafter in Israel

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„In einer solchen Zeit gehen komplizierte Botschaften verloren. Die Politiker drängen auf eine schnelle Lösung“. Der Deutsche Botschafter in Israel, Dr. Harald Kindermann, ist der Meinung, dass Deutschland keine normalen Beziehungen zu Israel hat, diese sogar niemals normal sein werden, und versucht, Israelis und Saudis einander näher zu bringen…

Globes v. 21.01.2009

kindermannAn ruhigen Wochenenden kann man den Deutschen Botschafter in Israel. Dr. Harald Kindermann, in seinem Garten in Herzlia Pituach finden. Hinter der ernsten Miene des Doktors der Rechtswissenschaften, der Diplomat und Botschafter wurde, verbirgt sich ein begeisterter Hobbygärtner, der seinen für die Region typischen „mediterranen“ Garten sorgfältig pflegt. Die Bäume sind noch jung, und als er von seinem letzten Urlaub zurückkam, eilte er sofort in den Garten um zu sehen, wie es den Kleinen geht und atmete erleichtert auf, als er sah, dass sie überlebt haben.

Im Haus pflegt er eine kleine israelische Kunstsammlung. „Man kann hier wunderbare Kunst kaufen“, sagt er begeistert. Einen Tag vor unserem Treffen kaufte er bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung ein Bild aus den frühen 30-er Jahren. Normalerweise zieht er die israelische Kunst aus den 40-er Jahren und dem frühen Modernismus vor, den 50-er und 60-er Jahren.

Nach seiner Amtszeit als Botschafter in Saudi Arabien und Bulgarien bat er, nach Israel versetzt zu werden, und er ist hier, gemeinsam mit seiner Frau, seit März 2006 stationiert. Er betrachtet sich als „zweite Generation“, Sohn eines Vaters, der im 2. Weltkrieg in Polen gekämpft hat, geboren im Jahr 1949, wenige Jahre nach Kriegsende.

Der erste Satz, den er ausspricht, lautet wie folgt: „Deutschland hat keine normalen Beziehungen zu Israel, und sie werden niemals normal sein. Die Beziehungen sind herzlich und tief, freundschaftliche Beziehungen, aber sie werden von der Holocausterinnerung begleitet, die keine ’normalen‘ Beziehungen zulassen. Deshalb sind unsere Beziehungen einzigartig. Es ist nicht leicht, der Welt zu zeigen, dass wir selbst nach einem solchen Geschehen, das tragisch und unfassbar war, neu angefangen haben.“

Die vier Jahre in Saudi Arabien haben sein Interesse an der Region verstärkt, auch an den „entwickelten arabischen Staaten“, wie er es nennt. In Saudi-Arabien traf er auf moderate Araber, die er jetzt vermisst. „Ich spreche auch häufig mit Palästinensern“, sagt er, „aber die Saudis sind in ihrer Einstellung völlig anders. Jetzt versuche ich, die Saudis, die, wie ich meine, die moderaten Araber repräsentieren, den Israelis näher zu bringen. Aber das ist schwierig. Israelis können nicht nach Saudi Arabien fahren, und die Saudis kommen natürlich nicht nach Israel. Es ist schwer, Leute, die keine Gelegenheit haben, sich kennen zu lernen, einander näher zu bringen.“

Glauben Sie, es würde sich eine Änderung vollziehen, wenn die eine Seite die moderaten Aspekte der anderen kennen lernen würde?

„Das wäre mit Sicherheit hilfreich. In der modernen Welt haben die Menschen dieselben Wünsche: eine Familie zu gründen, die Wirtschaft zu stärken. Erst vor Kurzem hörte ich einen der wichtigen Rabbiner Jerusalems sagen: ‚Alle Gläubigen sprechen dieselbe Sprache, alle wollen Gott nahe sein.‘ Es ist nicht so schwierig, Gläubige einander näher zu bringen, und ich spreche nicht von den Extremisten unter ihnen. Gerade weil Israel den drei Religionen heilig ist, werte ich den religiösen Dialog als wichtigen Teil des Annäherungsprozesses.

Natürlich kann die Religion in ihrer radikalen Form genau das Gegenteil sein: eine Ursache für Konflikte. Der Extremismus stützt sich nicht selten auf Religion. Aber trotzdem, und obwohl ich selbst nicht religiös bin, glaube ich, dass die Religion zugunsten des Dialogs eingesetzt werden sollte.“

Kindermann ist der Meinung, Israel habe die Spielregeln „der Welt der Kriege in Live-Übertragung“ nicht ausreichend verinnerlicht. „Es gibt keine Zeit für lange Erklärungen oder für Versuche, den Dingen auf den Grund zu kommen. Die Welt verändert sich. Es wurde immer gefragt, wer den Konflikt begonnen hat, wer an dem Konflikt schuld ist. Damit befassen Sie sich seit Jahren. Diese Frage wurde heute unwichtig. Heute betrachtet man sich die harten Bilder in den Medien und erinnert sich nicht daran, dass die Angriffe nicht unbedingt von der Seite erfolgen, die den Konflikt begonnnen hat. Komplizierte Botschaften gehen in einer solchen Zeit verloren. Die Welt ist nicht mehr bereit, solche Bilder zu sehen. Sie werden von den Frühstückssendungen bis in die Abendmagazine gezeigt, 24 Stunden lang. Dies veränderte den gedanklichen Rahmen der Politiker, und sie drängen auf ein schnelles Ende, wie es auch bei den Kämpfen zwischen Russland und Georgien der Fall war. Die Zeitspanne für traditionelle Diplomatie, für Erklärungsversuche, wird immer kürzer. Dies wird den gesamten diplomatischen Prozess verändern.“

Und was wird nach der Feuerpause passieren?

„Die Feuerpause ist Teil der Lösung. Sie wird von meinem Land unterstützt. Im Moment kann keine dauerhafte Lösung erzielt werden, und Israel muss sich in einer Situation befinden, in der es nicht allzu viele Verzichte eingehen muss. Aber Diplomatie kann nur während einer Feuerpause von Erfolg sein. Die Feuerpause muss mit dem Suchprozess nach einer Lösung verbunden werden. Wir wollen Israel nicht in die Lage bringen, dass erst nach einer Feuerpause überprüft wird, wie man sich mit der Situation auseinandersetzt. Ich gebe jedoch durchaus zu, dass das genau so schwer ist, wie einen Ball auf einer Nadel zu balancieren.“

Was sollten die prinzipiellen Linien der Feuerpause sein?

„Israel muss sicher sein, dass am Ende des Prozesses auch ein Ende der Raketen eintreten wird. Ägypten ist ein wichtiger Teil der Lösung, dies wegen der Nähe zu den Tunnels. Das soll nicht heißen, dass Ägypten am Schmuggel beteiligt ist. Ägypten hasst die Hamas. Aber Kairo ist ein wichtiger Partner bei der Lösung, auch als einer der Vermittler mit der Hamas.“

Eine etwas persönliche Frage: Sie beschrieben die Beziehungen zwischen Israel und Deutschland als ständige Schuld. Ist es nicht eine schwere Belastung, der Repräsentant dieser Beziehungen zu sein?

„Das ist keine Belastung. Hier kann man lernen, was es wirklich heißt, Deutscher zu sein. Es gibt eine Tragödie, die in der Vergangenheit liegt. Ich genieße mein Leben, meinen Garten, meine Kunst, ich gehe zum Strand. Aber meistens- nicht immer- kann man es nicht vergessen, und man sollte auch nicht versuchen, es zu vergessen.“

Medienspiegel der Deutschen Botschaft Tel Aviv