„Soweit er Jude war…“

Am Edelweißpiraten-Denkmal Köln: Die zerstörte Synagoge Körnerstraße 93, Köln-Ehrenfeld; Wandbilder von Bartholomäus Schink und Jean Jülich, © R. Kaufhold

Moritat von der Bewältigung des Widerstandes. Die Edelweißpiraten als Vierte Front in Köln 1944

Von Peter Finkelgruen (1981)

Herausgegeben von Roland Kaufhold und Andrea Livnat

Peter Finkelgruen, 1942 in Shanghai als jüdisches Flüchtlingskind geboren, in Prag und Israel aufgewachsen, siedelte 1959 nach Deutschland über. Als Journalist und Schriftsteller, wie auch als langjähriges Mitglied des P.E.N.-Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland hat er mehrere Bücher über seine Familiengeschichte verfasst. Seit über 40 Jahren lebt er in Köln, verfolgte als Journalist u.a. auch die Jahrzehnte langen, beschämenden Auseinandersetzungen, bis die Edelweißpiraten endlich vor wenigen Jahren auch von den Offiziellen der Stadt Köln als widerständische Jugendbewegung gegen die Nationalsozialisten anerkannt wurden.

Vor 40 Jahren verfasste Peter Finkelgruen ein Buch über die Edelweißpiraten. Nun wird es erstmals auf haGalil veröffentlicht. In den kommenden Wochen werden die einzelnen Kapitel hier nacheinander erscheinen.

Einführung von Roland Kaufhold: Die „Kölner Kontroverse“?
Peter Finkelgruens Buch „Soweit er Jude war…“. Moritat von der Bewältigung des Widerstandes. Die Edelweißpiraten als Vierte Front in Köln 1944 ist 1981 abgeschlossen worden. In den Jahren zuvor hatte Finkelgruen bereits mehrere Zeitungs- und Buchbeiträge über einzelne, in Vergessenheit geratene – bzw. noch nie erinnerte – Edelweißpiraten und über deren anhaltende Kriminalisierung publiziert. Hiermit war Peter Finkelgruen ein Pionier zur Forschung über und zur Rehabilitation der Edelweißpiraten. Seine journalistischen und biografischen Beiträge blieben jedoch weitestgehend vergessen – bis heute…

„Sie wurden ohne Gegenleistung vor ihren Mördern geschützt…“ – Matthias von Hellfeld
Ich erinnere mich sehr gut. Es waren viele Abende, an denen wir uns in der Bürgerinitiative „Edelweißpiraten als Antifaschisten“ trafen, und es war ein bunter Haufen: dogmatische Kommunisten, überzeugte Liberale – unter ihnen ein Justizsenator aus Hamburg – Gewerkschafter, Sozialdemokraten und Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Köln. Uns einte das Unverständnis über die starre Haltung des damaligen Regierungspräsidenten Franz-Josef Antwerpes, der jedwede Anerkennung der Edelweißpiraten als Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime mit dem Hinweis abtat, dass ihr Handeln eher krimineller als politischer Natur gewesen sei…

Die Erinnerung an die Edelweißpiraten lebt! – Gerhart Baum
Die Herausforderung durch Rechtsextremisten war in der Demokratie des Grundgesetzes noch nie so stark wie heute. Wir wissen Bescheid: Alle Fakten, die wir kennen, sagen uns, dass der Rechtsextremismus zu einer wirklichen Gefahr geworden ist. Auch wenn die Mehrheit der Deutschen ihm nicht folgt, reicht der Widerstand nicht aus, weil viele die Entwicklung nicht ernst nehmen. Der Rechtsextremismus verankert sich in den Parlamenten, er wuchert in Gruppen und Subkulturen der Gesellschaft hinein…

„Genug Widerstand“ – Neues Vorwort von Peter Finkelgruen
40 Jahre nach dem Pamphlet des Dr. Dette ist die Erkenntnis, dass die Edelweißpiraten genug Widerstand waren, um in dieser Stadt eine ganz selbstverständliche Ehrung ihres Andenkens zu erhalten, auch in der Bevölkerung und bei den meisten politischen Akteuren Kölns allgemeiner Konsens. Ich bin froh, dazu ein wenig beigetragen zu haben…

TEIL 1: „Wie wird heute mit jenen umgegangen , die ihren Widerstand gegen die Nazis konsequent zu Ende brachten“
Die ursprünglichen Vorworte zum Buch von Gerhart Baum (FDP), Bundesinnenminister (1981) und Peter Finkelgruen…

TEIL 2: Der Vermerk von Dr. Dette
„Entschädigungsfall Bartholomäus Schink“…

TEIL 3: Der Fall und die Fragen
„Weiter kann ich mich erinnern, dass dieser Moll einer Ehrenfelder Bande angehörte, die verschiedene Straftaten auf dem Gewissen hatte und die Köln in der damaligen Zeit Tag und Nacht un­sicher machte.“ Die Gestapo-Zeugen im Wiedergutmachungsfall…

TEIL 4: Zeitzeugen melden sich
Auf Jean Jülich bin ich im August 1978 bei meinen ersten Recherchen gestoßen. Er hatte der Redaktion der Sen­dung Monitor einen Brief geschrieben, der mich stark beeindruckte…

TEIL 5: Das Gespräch mit Dr. Dette und die Dokumente der Gestapo
Nach meinem ersten in der Frankfurter Rundschau ver­öffentlichten Artikel wurde ich zu dem bereits erwähnten Gespräch mit dem Dezernenten Dr. Richard Dette ins Kölner Regierungspräsidium eingeladen. Dieser versuchte mich zuerst durch den Hinweis einzuschüch­tern, dass man überlege, Strafantrag zu stellen wegen Verleumdung durch den Artikel…

TEIL 6: „Seiner Würde auch posthum noch einmal beraubt“
Ich fragte Dr. Richard Dette, wie sein Amt es mit dem Gleichheitsgrundsatz hielte, da einer der 13, denen er die Eigenschaft von Verfolgten des Nazireregimes absprach, von seinem Haus doch anerkannt worden sei. Und hier lächelte der Wiedergutmachungsdezernent und sagte: „Ja, aber nur soweit er Jude war!“ Er gestand dem Juden Günther Schwarz nicht zu, dass dieser nicht zuletzt als Jude allen Anlass hatte, Widerstand zu leisten, und demzufolge vom Kommando Kütter als Angehöriger der Ehrenfelder Widerstands­gruppe verhaftet und schließlich hingerichtet wurde… 

TEIL 7: Zu jung für bewussten politischen Widerstand
Eine der Entgegnungen des Regierungsprä­sidenten lautete schlicht, dass Jugendliche in diesem Alter, 16, 17 oder 18 Jahre, nicht über genügend politisches Bewusstsein verfügten, um tatsächlich bewussten politischen Widerstand zu leisten. Dieses sagte der ehemalige Vorsitzende der Jungsozialisten in Nordrhein- Westfalen, der politische Beamte einer Behörde, die über Schulen Aufsicht führt, der Leiter eines Hauses, in dem angehende Beamte darüber befragt wurden, warum sie als Gymnasiasten an irgendwelchen als radikal em­pfundenen politischen Versammlungen teilgenommen hatten…

TEIL 8: Solidarität aus der gemeinsamen Erfahrung des Widerstands
Erst nach mehre­ren Gesprächen mit Betroffenen wurde mir klar, dass die überlebenden Opfer und Widerständler die Erfahrung gemacht hatten, dass die Demonstration des Bekennens zum gemeinsamen Widerstand im Nachkriegsdeutschland eher etwas nicht Opportunes geworden war. Entweder war man Kommunist – und für Kommunisten galt im Nachkriegsdeutschland, dass sie das Feindbild ersetzten, das dem deutschen Volk im Dritten Reich serviert wurde. Oder sie waren Kriminelle – wie die Edelweißpiraten, die sich schon in den fünfziger Jahren gefallen lassen mussten, in diese Kategorie eingeordnet zu werden…

TEIL 9: Eine Bürgerinitiative zur Rehabilitierung der Ehrenfelder Widerständler
Das Bürgerforum, die Demonstration am 10.11.1978, die Mahnwache am Bunker in der Körnerstraße – das alles empfand ich als eine viel glaubwürdigere Darstellung eines alternativen, republikanischen Deutsch­lands als alle Reden des Bundespräsidenten und anderer Würdenträger. Hinter diesen professionellen Gedenkrednern lauert die Unglaubwürdigkeit, wenn sie gleich­zeitig wissend zulassen, dass ermordete Widerständler weiter kriminalisiert werden…

TEIL 10: „So entsteht eine neue Dolchstoßlegende“
Natürlich waren diese jungen Menschen, die ihr Hauptquartier in der Schönsteinstraße hatten, für den Geschmack von in der Illegalität geübten Kommunisten zumindest etwas leichtsinnig. Dass in be­stimmten Situationen die Aktivitäten der Ehrenfelder Gruppe den kommunistischen Widerständlern sogar als schädlich und gefährlich erscheinen mussten, konnte ich mir vorstellen. Das hat aber nichts daran geän­dert, dass sie sie als Gegner der Nazis erkannt hatten, ihre Aktivitäten als ein Stück Widerstand begriffen und sich eben bemühten, auf sie im Rahmen des ihnen Möglichen Einfluss zu nehmen…

TEIL 11: „Ich wor doch och ene Kraat!“
Gespräche mit weiteren Zeitzeugen und Überlebende aus der Ehrenfelder Gruppe…

TEIL 12: „Widerstand der kleinen Leute“
Michael „Mike“ Jovy über die Edelweißpiraten und ein Gedicht von Erich Fried…

TEIL 13: Der Edelweißpirat Wolfgang Schwarz als Nebenkläger im Lischka-Prozess
Einer der zugelassenen Nebenkläger in dem Prozess gegen Lischka, Hagen und Heinrichsohn war Wolfgang Schwarz, selbst einer der überlebenden Edelweißpiraten und Bruder des ermordeten Günther Schwarz…

TEIL 14: „Und er hat dafür mit dem Leben bezahlt“
Bei dem Gespräch, mit Toni Fleischhauer erfuhr ich, daß es eine frühere Angehörige der Kriminalpolizei gegeben hatte, die ihm und auch anderen Illegalen damals geholfen hat. Mit ihr, einer mittlerweile ja auch schon recht alten Dame, sei es allerdings äußerst schwer, Kontakt aufzunehmen. Schließlich aber gelang es mir doch, Verbindung zu dieser ehemaligen Beamtin der Kölner Kriminalpolizei aufzunehmen…


Die Buches liegt auch in Druckversion vor:

Peter Finkelgruen, „Soweit er Jude war…“ Moritat von der Bewältigung des Widerstandes. Die Edelweißpiraten als Vierte Front in Köln 1944, Hrsg. v. Roland Kaufhold, Andrea Livnat und Nadine Englhart, Hardcover, 352 S., ISBN-13: 9783752812367, Euro 39,90, Bestellen?

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Das Manuskript von Peter Finkelgruen (1981): „„Soweit er Jude war…“. Moritat von der Bewältigung des Widerstandes. Die Edelweißpiraten als Vierte Front in Köln 1944“ ist archiviert bei der Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln (RWWA), Vorlass Peter Finkelgruen, Köln, RWWA 570-16-1. Bei der Texterstellung haben wir wenige Zusätze angefügt, so einige neue Kapitelüberschriften. Weiterhin haben wir die Rechtschreibung weitgehend der neuen Rechtschreibweise angepasst. Einige der am Ende des Buchmanuskriptes hinzugefügten Dokumente waren in einem so schlechten Zustand, dass sie nicht zur Veröffentlichung geeignet sind. 

Menschenwürde erstreiten – Rezension zum Buch

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