Vor 110 Jahren wurde die jüdische Heldin und Widerständlerin Zivia Lubetkin geboren
Von Roland Kaufhold
Zivia Lubetkin, am 9. November 1914 in Byteń in Polen – heute Weissrussland – als Tochter eines Lebensmittelhändlers geboren, kann als eine der bedeutendsten Heldinnen des jüdischen Widerstandes gegen die Deutschen gelten. Ihre Eltern stammten aus einen wohlhabenden, traditionellen jüdischen Familie. In Warschau arbeitete sie als Funktionärin für die jüdischen Jugendorganisationen Hechaluz und Habonim Dror (vgl. Laudowicz (2019). 1939 war sie Delegierte beim 21. Zionistenkongress in Genf.
Nach der Besetzung Polens half die 25-Jährige polnischen Juden bei der Emigration nach Wilna, 1940 ging sie im Auftrag ihres Verbandes als Untergrundaktivistin nach Warschau. Als sie das Ausmaß der deutschen Vernichtungen erkannte beendete sie ihre jüdische Kulturarbeit und wurde 1942 Mitbegründerin der Widerstandsgruppe Jüdische Kampforganisation (ZOB).
Für diesen organisierte sie den bewaffneten Widerstand gegen die Deutschen und schmuggelte Waffen in das Ghetto. Unter Anleitung von Mordechaj Anielewicz führte ZOB ab Anfang 1943 bewaffnete Widerstandsaktionen gegen die Deportationen durch. Auch Lubetkins späterer Ehemann Jitzhak Zuckerman (1915 – 1981) kämpfte bei der ZOB.
Im April 1943 war Zivia Lubetkin eine der wichtigsten Organisatorinnen des Aufstandes im Warschauer Ghetto. Nach der Niederschlagung des Warschauer Aufstandes gelang Zivia am 12.5.1943 mit einer Gruppe Widerstandskämpfern die Flucht durch die Kanalisation in den arischen Stadtteil Warschaus. Sie war eine der wenigen Überlebenden des Aufstandes. 15 Monate später beteiligte sie sich am Warschauer Aufstand der Polen gegen die deutsche Besatzung.
Lubetkins Augenzeugenbericht, den sie 1945 kurz nach ihrer Ankunft in Palästina verfasst hatte, erschien 1947 auf Hebräisch und 1948 auch auf Deutsch. 2019 wurde er kostenlos im Netz veröffentlicht (Lubetkin 2019). Aus ihm werde ich am Ende dieser Studie zitieren.
Leiterin der jüdischen Kampforganisation ZOB
Als Leiterin von ZOB organisierte Zivia Lubetkin anfangs von Warschau aus den antifaschistischen Widerstand gegen die deutschen Besatzer und Mörder. Frauen, die kein offenkundig jüdisches Aussehen hatten sollten versuchen, in Polen unterzuschlüpfen, um Kontakte zur nicht-jüdischen Widerstandsbewegung zu halten. Die Verbrechen der Deutschen sollten dokumentiert und der Weltöffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Zivia hatte immer noch die Hoffnung, dass sich die Alliierten entschlossen gegen die Deutschen wehren würden.
So gab sie wohl im Februar 1943 die Anweisung dass Frumka Plotnika – auch deren Schwester Hantze war intensiv im antifaschistischen jüdischen Widerstand involviert; beide gehören zu den 18 Protagonistinnen in Batalions eindrücklichem Werk (Batalion 2021, Kaufhold 2021, Kaufhold & Hristeva 2022) – mit Hilfe ihres polnischen Passes nach Den Haag, Sitz des Internationalen Gerichtshofes der Vereinten Nationen, fahren sollte, um dort das jüdische Volk zu vertreten. Dort sollte sie der Welt „mitteilen, was vor sich ging. Anschließend würde sie nach Palästina reisen und als offizielle Zeugin für die Gräueltaten der Nazis dienen.“ (Batalion 2021, S. 29)[i]
Frumka Plotnika (1914 – 3.8.1943), so sei ergänzt, wollte wie ihr Bruder Ekliyahu nach Palästina auswandern und hatte 1935 an Kibbuz-Trainings teilgenommen. Sie schloss sich danach der ZOB wie auch der zionistisch-sozialistischen Dror an. Sie nahm an den Vorbereitungen zum Aufstand im Warschauer Ghetto teil und engagierte sich als Verbindungsfrau (Kashariyot). Sie zog, als Nicht-Jüdin verkleidet, von Ghetto zu Ghetto und hielt dort Seminare und Ansprachen, um den jüdischen Widerstand zu stärken. Nach der Niederschlagung des Warschauer Aufstandes im Mai 1943 gründete sie in Bedzin eine lokale ZOB-Gruppe, wurde Zeugin mörderischer Liquidationen und organisierte im Ghetto Bedzin mit der Jüdischen Kampforganisation einen Aufstand gegen die Deutschen, der mehrere Tage andauerte. Am 3.8.1943 fiel Frumka Plotnika 28-jährig im Kampf im Bunker von Bedzin (vgl. Kaufhold 2023a).
Zurück zu Zivia Lubetkin: Zivia hatte sich früh der jüdisch-sozialistischen Widerstandsgruppe „Freiheit“ angeschlossen. Nach der Besetzung Polens half die 25-Jährige polnischen Juden bei der Emigration nach Wilna. Im August 1939 war sie Delegierte beim 21. Zionistenkongress in Genf. Vielen jüdischen Delegierten gelang es in Genf, von der „sicheren“ Schweiz aus Europa zu verlassen. Auch Zivia erhielt eine Sonderbescheinigung, mit der sie nach Palästina hätte gehen können. Sie nutzte diese Chance, ihr eigenes Leben zu retten, nicht. Sie wollte weiterhin für die Freiheit und deren zionistisch-sozialistischen Werte kämpfen. Im November 1939 waren auch in der Sowjetunion zahlreiche Ortsgruppen der Freiheit aktiv. Zivia wird von Batalion als eine der vier führenden Funktionärinnen beschrieben. Ein weiterer jüdischer Funktionär war Yitzhak Zuckerman (1915-1981), der später unter seinem Kampfnamen Antek berühmt werden und 1946 ihr Ehemann werden sollte.
Yitzhak Zuckerman hatte am 28. Juli 1942 mit Vertretern der drei zionistischen Jugendorganisationen Haschomer Hazair, Dror und Akiwa die Żydowska Organizacja Bojowa (ŻOB) gegründet und stand zusammen mit Anielewicz und Edelman an der Spitze der Organisation. In seinen Erinnerungen schrieb er: „Und es hat keine Bedeutung, ob ich am 13. April [1943] auf die arische Seite geschickt wurde oder nicht. Das war ein Element des Aufstandsplans. […]. Wir wussten, dass unser Leben endet. Es blieb nur die Frage: wann es endet und wie es endet.“ Als Verbindungsoffizier der ŻOB sollte Cukierman Kontakt mit dem polnischen Untergrund aufnehmen. (vgl. im Detail Stoll 2023)
Zivia Lubetkin organisierte, unter permanenter eigener Todesgefahr, Pläne, um ihre KampfgefährtInnen mit Lebensmitteln zu versorgen und Fluchtrouten über Rumänien nach Palästina zu finden. „Es war uns unmöglich, nicht den Pionierjugend-Untergrund ins Leben zu rufen“, formulierte sie im Rückblick. (S. 57)
Judy Batalion (2021) beschreibt in ausführlicher Weise Zivias Lebenssituation zu Silvester 1939 (S. 53-70). Sie befand sich im Nordosten Polens unweit der bereits von den Deutschen zerstörten Stadt Czyzew mit einer Gruppe polnischer Studenten, die sich, bei kältesten Temperaturen, auf Angriffe gegen Deutsche vorbereiteten. Zivia war die einzige Frau und die einzige Jüdin dieser Gruppe. Auf der Silvesterfeier beschworen sie ihre Entschlossenheit, die zionistische Flamme nicht erlöschen zu lassen. Idealismus und antifaschistische Entschlossenheit waren bei ihr miteinander verbunden.
Anfang 1940 ging Zivia im Auftrag ihres Verbandes in das besetzte Warschau zurück. Sie war entsetzt von den von ihr wahrgenommenen Veränderungen in Warschau, dem Verfolgungsdruck gegen Juden. Nur noch wenige Juden, die eine weiße Armbinde tragen mussten, waren auf den Straßen zu sehen. Über die Zentrale der Freiheit in Warschau suchte sie weitere Kampfgefährtinnen. Und sie förderte weiterhin den Geist der Freiheit, wie ihn der große Dichter Yitzak Katznelson nannte. „Zivia wurde zum heimlichen Codewort für die gesamte Bewegung in Polen“, hebt Batalion ihre Bedeutung und ihren Vorbildcharakter für die jüdische Widerstandsbewegung hervor (S. 70).
2.10.1940: Das Warschauer Ghetto: Kulturelle Bildung
Als am 2. Oktober 1940 auf Befehl der Deutschen das Warschauer Ghetto für 400.000 Juden eröffnet wurde ließ die Entschlossenheit der Freiheitszentrale zur Gegenwehr nicht nach, im Gegenteil. Fürsorge, Bildung und kulturelle Aktivitäten standen nun im Mittelpunkt von Zivias Engagement für die Bewohner des Ghettos. Es entstanden im Ghetto sieben Suppenküchen, zwei Teestuben, ein umfangreiches Schulsystem, Sportvereine und eine Krankenpflegeschule. Und es fanden dort zahlreiche Kulturveranstaltungen sowie Lesungen statt. Gegen den Widerstand des Judenrates fanden 1940/41 in der Dzielna-Straße, wo sich die Zentrale der Freiheit befand, sogar drei umfangreiche Seminare mit mehreren Dutzend Teilnehmern statt. Die kulturelle Bildung stand für Zivia weiterhin im Mittelpunkt ihres Engagements. Gemeinsam mit Antek rief sie nun eine „Kinderküche“ ins Leben, wo auch Lesen und Schreiben sowohl auf Hebräisch wie auch auf Jüdisch unterrichtet wurde. Die weitgehend von Frauen geleitete Freiheits-Gemeinde im Ghetto hatte weiterhin über 1000 Mitglieder, ihre Adresse war intern bekannt (vgl. Laudowicz 2019).
Obwohl von den deutschen Besatzern jiddische und hebräische Bücher verbrannt und diese verboten wurden, organisierten Zivia und ihre Freundinnen weiterhin neue Bücher und druckte sogar eigene. Sie schmuggelten zahlreiche Bücher über ihre Zweigstellen durch Polen: „Pädagogische Handbücher erschienen dort ebenso wie Yitzak Katzenelsons Bibeldrama Hiob, das die Theatertruppe der Freiheit auch aufführte. Während Antek die Vervielfältigungen der Bücher vornahm sangen die Kinder aus Leibeskräften, um den Lärm des Gerätes zu übertönen.“ (S. 91)
Weiterhin erschienen Untergrundpublikationen, um die jüdische und polnische Bevölkerung über Neuigkeiten aus den Ghettos zu informieren. Als der Hunger zunahm organisierten Zivia und Frumka Suppenküchen. Rachel Auerbach, Mitglied des Oneg-Schabbat Archivs, betrieb eine solche Suppenküche (Kaufhold 2023c).
Zusätzlich baute Zivia das Agenten- und Kuriersystem aus: Zahlreiche nicht-jüdisch aussehende Frauen, vor allem Frumka Plotnika, übernahmen diese tollkühne Aufgabe. Zivia stattete diese Frauen mit gefälschten polnischen Papieren aus. „Diese jungen Frauen, die bekannt wurden als „Zivias Mädchen““ – hebt Batalion (S. 97) hervor – „schufen eine Rolle, die schon bald eine der wichtigsten, wenn nicht sogar die wichtigste in der Widerstandsbewegung wurde.“
Juli 1942: Militärischer Kampf: Gründung von ZOB
Im Dezember 1941 drangen die Nachrichten vom organisierten Massenmord der Deutschen in den Konzentrationslagern zu den mutigen Frauen um Zivia, Tosia Altman und Vladka Meed durch. Kurierinnen – darunter Frumka Plotnicka – brachten ihnen Beschreibungen des deutschen Mordprogrammes gegen Juden zu Zivia und ihren Freundinnen; dieses gesicherte Wissen konnte nun nicht mehr innerlich und kollektiv verleugnet werden. Zivia und ihre Freundinnen wurde nun bewusst, dass Kultur- und Sozialarbeit alleine als antifaschistische jüdische Tätigkeit nicht mehr ausreichten.
Sie wollten und mussten nun eine Jüdische Kampforganisation gründet, um konkret mit Waffen gegen die Deportationen in den deutschen Vernichtungslager zu kämpfen. Ihre jüdische Kampforganisation nannten sie ZOB Żydowska Organizacja Bojowa, kurz ŻOB, Jidische Kamf Organisatie – ייִדישע קאַמף אָרגאַניזאַציע)
Ein weiterer Auslöser der Gründung von ZOB war die Anordnung der Deutschen vom 22.7.1942 zur Errichtung des Warschauer Ghettos. Jüdische Selbstverteidigung und bewaffneter Kampf traten von Zivia nun an die Stelle der Kulturarbeit. Während sich die ältere Generation der Juden eher noch zögerlich verhielt war für die jungen jüdischen Frauen die Notwendigkeit des Kampfes offenkundig. Und sie schritten zur Tat. Hitlers wahnhaft anmutenden Drohungen wurden von ihnen nun als glaubhafter, konkreter Vernichtungsplan gegen ihr gesamtes Volk verstanden.
Im Juli 1942 gehörte Zivia zu den Mitbegründerinnen von ZOB. Batalion beschreibt Zivias damalige Situation in empathischer Weise: „Zivia wurde von schlimmen Schuldgefühlen heimgesucht. Natürlich gingen diese Dinge vor sich. Warum hatte sie es nicht deutlicher erkannt? Warum hatte sie nicht begriffen, dass die Nazis einen widerwärtigen systematischen Plan zur Auslöschung des jüdischen Volkes vorbereiteten? Warum war sie vor einer Führungsrolle in der Gemeinschaft zurückgescheut und hatte sich auf die Jugendarbeit konzentriert?“ (S. 103f.)
Seelisch war der Wunsch, die furchtbare Realität zu verleugnen, naheliegend. Niemand stellt sich gerne einer furchtbaren, einer unentrinnbaren Realität. Die jüdischen Psychoanalytiker Bruno Bettelheim und Ernst Federn haben dies in ihren Studien zur Psychologie des Terrors schon kurz nach ihrer Befreiung beschrieben (Kaufhold 1993, 1994, 2001, 2010, 2014, Federn 2014). Batalion erwähnt zur Veranschaulichung einen Bericht: Eine junge Jüdin sollte in einen Zug nach Auschwitz einsteigen. Sie sah eine Karte in einer Ritze im Waggon, auf der stand: „Dieser Zug bringt dich in die schlimmsten Todeslager … Steige nicht in diesen Zug.“ (S. 105) Die Frau ignorierte, verleugnete die furchtbare Warnung.
Zivia kämpfte nun bei internen Treffen verschiedener jüdischer Gruppierungen für den Aufbau einer Kampforganisation. Ihre jahrelangen organisatorischen Erfahrungen halfen ihr bei ihrer schwierigen Überzeugungsarbeit, gegen den Wunsch der Verleugnung.
Am 28.7.1942 gründete sich die ZOB-Kampftruppe offiziell, ohne Unterstützung der älteren Generation oder des polnischen Widerstandes. Anfangs hatten sie nur zwei Waffen (S. 112), und es brachen, wie es in solchen Gruppen angesichts der nahezu ausweglosen Gesamtsituation häufig beobachtet werden kann, rasch interne Streitigkeiten aus. Zivia war anfangs die einzige Frau in der Führungsriege: „Sie gehörte einer Kampftruppe an, lernte mit Schusswaffen umzugehen. Sie ließ sich für den Wachedienst ausbilden.“ (S. 113) Wegen ihres eher jüdischen Aussehens durfte Zivia keine Botengänge mehr machen.
Kleine Gruppen von ZOB informierten nachts mit Plakaten und in Gesprächen in den Ghettos über ihre neue Kampftruppe. „Es ist besser, im Ghetto erschossen zu werden, als in Treblinka zu sterben“ lautete ihre Parole (S. 113). Das Verleugnen bzw. innere Verdrängen der mörderischen Realität war nun keine politische Option mehr. Weitere Gruppen von ZOB – auch Zivia gehörte dieser an – sollten unter Druck verlassene ehemalige jüdische Wohnhäuser anzünden, damit die Besitztümer der deportierten Juden nicht mehr von den Deutschen verkauft werden konnten. Eine dritte Gruppe, darunter der Doppelagent Israel Kanal, sollte Morde an den Deutschen und an ihren Wachposten begehen. Rache an den Mördern war nun ein legitimes politisches Ziel.
Der Gruppe gelang es in den folgenden Monaten, weitere Waffen, darunter auch Handgranaten, zu erbeuten bzw. zu kaufen und diese von der arischen Seite aus in das Ghetto zu schmuggeln. Entsprechend der Psychologie des Terrors der deutschen Besatzer löste dieser Widerstand unter vielen Juden im Ghetto jedoch auch Ängste aus: Sie glaubten, sich durch Anpassung vielleicht doch „retten“ zu können und rissen deshalb die ZOB-Wandplakate wieder ab und verprügelte die Kameraden, die diese aufhängten. Zivia nahm die Veränderungen innerhalb der verbliebenen ca. 70.000 jüdischen Ghettobewohner wahr und schrieb später auch hierüber: Die noch lebenden Ghettobewohner seien oft „nicht mehr fähig“ gewesen, „einander in die Augen zu sehen, weil sie am Leben geblieben waren.“ (S. 115) Das Phänomen der Überlebensschuld, das bei zahllosen Shoahüberlebenden über Jahrzehnte auftrat, war bereits seinerzeit beobachtbar.
In der Situation der objektiven Ausweglosigkeit trat die Idee eines kollektiven Selbstmordes auf. Antek Zuckerman plädierte dagegen. Der Tod im Kampf gegen die deutschen Mörder bleibe eine Perspektive. In „herzzerreißenden Briefen“ (S. 156) bat Zivia amerikanische Juden um Unterstützungsgelder.
Januar 1943: Juden wehren sich und vermochten Deutsche zu töten
Im Januar 1943, in Krakau hatte es wenige Wochen zuvor bereits einen ermutigenden jüdischen Aufstand gegeben, verschärfte sich die Lage für die Juden weiter. Himmler setzte neue Quoten fest, um in noch rasenderer Geschwindigkeit alle Juden in Polen und Osteuropa zu ermorden. Auf der arischen Seite wurden in diesen Wochen Tausende von Polen verhaftet. ZOB rief nun all seine Kuriere in die Ghettos zurück. Verhandlungen mit der – besser bewaffneten – revisionistischen jüdischen Gruppierung Betar – Betar war 1923 in Riga von Zeev Jabotinsky gegründet worden; auch Menachem Begin gehörte Betar an – scheiterten. Selbst in der Phase absoluter Todesgefahr waren die weltanschaulichen Differenzen zwischen einigen jüdischen Gruppierungen zu groß. Aber es gelang ZOB, mit Teilen der polnischen Heimatarmee zusammen zu arbeiten. Von dieser erhielt sie nun immerhin zehn Gewehre (S. 182). Die Möglichkeiten eines organisierten Aufstandes erhöhten sich.
Am 18.1.1943, als die Deutschen mit weiteren Aktionen gegen die Juden begannen, kam es unter Führung des 23-jährigen ZOB-Kommandanten Mordechai Anielewicz zu einem Aufstand im Warschauer Ghetto, die von Yad Vashem in dieser Weise beschrieben worden ist.
Auch Judith Batalion beschreibt diesen vier Tage andauernden Aufstand (Batalion S. 180-189), an dem auch Zivia maßgeblich beteiligt war. Für Zivia und viele ihrer Mitstreiterinnen war dieser frühe Aufstand eine außerordentliche Ermutigungstand: Juden wehrten sich und vermochten Deutsche zu töten. Diese zogen sich scheinbar zurück. In ihrer posthum – drei Jahre nach ihrem Tode – erschienenen Erinnerungen In the Days of Destruction and Revolt (Tel Aviv 1981, übersetzt ins Englische von Ishai Tubbin) erinnert sich Lubetkin an diesen kurzzeitigen militärischen Erfolg:
„Die noch lebenden Deutschen machten, dass sie wegkamen. Armselig ausgerüstete Jüdinnen hatten Nazis umgebracht! Und jetzt hatten sie sich auch noch mit Waffen eingedeckt. Nach ein paar Augenblicken der Hochstimmung setzte jedoch der Schock ein. Sie waren verwirrt, wahrhaft bestürzt. Zivia konnte nicht glauben, dass sie Deutsche niedergestreckt und es überlebt hatten. Die von ihren Gefühlen überwältigten jüdischen Kämpfer wussten indes, dass sie sich zusammenreißen mussten. Die Nazis würden zurückkommen. Was jetzt? „Wir waren vollkommen unvorbereitet, schrieb Zivia später. „Wir hatten gar nicht damit gerechnet, am Leben zu bleiben.““ (S. 186)
In the Days of Destruction and Revolt
In In the Days of Destruction and Revolt hat sie ihre Erinnerungen an die Atmosphäre an die letzten Stunden während ihres jüdischen Aufstandes in dieser Weise widergegeben:
„Das Ghetto stand in Flammen. Tage- und nächtelang brannte es, und das Feuer fraß Haus für Haus ganze Straßen auf. Dicht daneben, auf der anderen Seite der Mauer, spazierten und unterhielten sich die Bewohner der Hauptstadt. Sie wussten davon, dass „die Juden verbrannten…..In der Nacht, in der das große Feuer ausbrach, rannte ich aus meinem Versteck weg. Der grelle Feuerschein machte mich ganz benommen.“ (in Laudowicz 2019, S. 18)
Zivias Truppe floh, begab sich zum Freiheits-Posten in der Warschauer Mila-Strasse 34, um dort Kampfkameraden zu treffen. Der Treffpunkt war jedoch menschenleer: „Die Stille lag in der Luft“, erinnert sich Zivia in ihren posthumen Erinnerungen (Batalion, S. 187). Der größte Teil ihrer Freunde war nach Treblinka abtransportiert worden. Einigen von ihnen gelang noch die Flucht aus dem fahrenden Zug.
Für Zivia jedoch überwog das Gefühl der Triumpfes, des Stolzes über ihren heldenhaften jüdischen Widerstand: „Zur gleichen Zeit, als Tausende Juden in ihren Verstecken kauerten und schon beim Geräusch eines fallenden Blattes zusammenzuckten (…) lehnten wir, die wir mit Feuer und Blut getauft waren, uns zuversichtlich zurück, und es war fast keine Spur mehr von unserer frühen Angst verblieben.“
Die Kämpferinnen sammelten die Waffen der toten deutschen Soldaten ein, verließen den Ort des Kampfes. Als die Deutschen zurückkehrten waren keine Juden mehr da, die sie töten konnten.
Zivia bereitete sich auf den nächsten Kampf, den nächsten Aufstand im Warschauer Ghetto vor.
Einen Monat später, im Februar 1943, insistierte Zivia in Briefen an die Untergrundbewegung in Bedzin darauf, dass sich einige ihrer Freundinnen, darunter Frumka und Hantze Plotnicka, und insbesondere diejenigen, die nicht jüdisch aussahen, retten müssten. Ihr Tod in einem Kampf ergebe keinen wirklichen Sinn, appellierte sie. Ihre Bedeutung als Zeugen der deutschen Verbrechen sei unverzichtbar. Sie müssten am Leben bleiben „und der Welt von der barbarischen Abschlachtung der Juden“ berichten“, schrieb sie. (S. 202) Es gäbe „keine Ausreden, keine Einwände“ gegen ihre Anordnung. Zivias briefliche Analyse war faktisch ein Befehl.
Die Schwestern Frumka und Hantze Plotnicka jedoch weigerten sich weiterhin, ihre Freundinnen zu verlassen. Sie wollten kämpfen und akzeptierten, im Kampf gegen die deutschen Mörder zu sterben. Schließlich beugten sich Frumka und Hantze dem Druck. Sogar befreundete polnische Katholikinnen schlossen sich ZOB, der Freiheit oder den Jungen Wächtern an, lernten sogar Jiddisch. Es gab Solidarität gegen die Deutschen!
Unter höchster Selbstgefährdung wanderte Frumka, als Nicht-Jüdin verkleidet, als Untergrundkämpferin und Verbindungsfrau der jüdischen Untergrundbewegung von Ghetto zu Ghetto. Sie organisierte dort Suppenküchen für teils 600 Menschen und hielt Seminare – so im Frühjahr 1942 in Bialystok – über das jüdische Selbstbewusstsein, um die Widerstandsbewegung zu stärken. Am 28. Juli 1942 wechselte sie aus konspirativen Gründen auf den arischen Teil des Ghettos.
Frumka war Teil der Selbstverteidigung des Warschauer Ghettos sowie der militärischen Vorbereitung des Ghettoaufstandes im April/Mai 1943.
Wenig später beteiligte sich die 28-jährige Frumka Plotnicka nach ihrer mehrjährigen heldenhaften Untergrundtätigkeit am Aufstand in Bedzin und starb am 3.8.1943 mit der Waffe in der Hand im Kampf (Kaufhold 2023a).
Unter der Leitung von Mordechaj Anielewicz und unter Beteiligung von Jitzhak Zuckerman kam es zu bewaffneten Widerstandsaktionen gegen die sich verschärfenden Deportationen.
Im April 1943 wurde die Situation im Warschauer Ghetto ausweglos. Am 18.4.1943, dem Vorabend des Pessachfestes, teilte ein Kamerad bei einem nächtlichen internen Treffen, bei dem Zivia dabei war, mit, dass er durch einen Anruf aus der arischen Seite des Ghettos erfahren habe, das das Ghetto umzingelt sei und dass die Deutschen um 6 Uhr morgens angreifen würden.
April 1943: Aufstand im Warschauer Ghetto: „Der berauschende Triumpf der Vergeltung“
In dem Kapitel „Der Aufstand im Warschauer Ghetto“ erzählt Batalion die dramatischen Tage des Aufstandes nach, vor allem auf der Grundlage von Zivias posthum erschienenen Erinnerungen (vgl. ergänzend Stoll 2023). In einem abschließenden Kapitel werde ich Zivias eigenen Erinnerungen wiedergeben, wie sie sie in ihren 1947 auf hebräisch und 1949 auf deutsch erschienenen Bericht „Die letzten Tage des Warschauer Gettos“ niedergelegt hat (Lubetkin 1949).
Gemäß Batalions Darstellungen (Kap. 15, S. 232 – 245) hatte Zivia Lubetkin die zentralste Rolle innerhalb des Warschauer Aufstandes inne, vor allem auch, weil sie zu den wenigen jüdischen Überlebenden und damit zu dessen Zeitzeugen gehörte. Nach der grausamen Mitteilung über den unmittelbar bevorstehenden Angriff der Deutschen auf das Ghetto Warschau machte sich niemand im Lager mehr Illusionen über ihre unmittelbar bevorstehende Ermordung. Wer Geld besaß hatte zuvor versucht, sich arische Papiere zu kaufen und so zu überleben.
Juden kauften sich inzwischen selbst Waffen. Bei der polnischen Heimatarmee hatte der Januar-Aufstand von Bedzin so viel Eindruck gemacht, dass sie ihre Unterstützungstätigkeit für den jüdischen militärischen Widerstand nun intensivierte: „Sie schickten 50 Pistolen, 50 Handgranaten sowie mehrere Kilogramm Sprengstoff ins Ghetto. (…) Die ZOB kaufte Waffen von Polen, Ghettojuden und deutschen Soldaten und stahl sie der polnischen sowie der deutschen Polizei.“ (S. 233) Dennoch glichen die diversen, untereinander teils nicht kompatiblen Waffen und Munition weiterhin eher einem Sammelsurium. Im Lager wurde eine eigene „Munitionsfabrik“ errichtet, wo größere Wasserrohre zu primitiven Bomben zusammengebaut wurden. Diese stand jedoch immer in der Gefahr, durch Fehlkalkulationen zu explodieren. Der militärische Widerstand im Ghetto lernte nun Molotowcocktails und elektrokatalysierte Mienen herzustellen. ZOB übernahm nun faktisch an Stelle des Judenrates die interne „Herrschaft“. Sogar das American Joint Distribution Committee stellte beträchtliche Summen für den Widerstand zur Verfügung. ZOB erhob, da das Ende ihrer Existenz absehbar war, nun Steuern vom Judenrat sowie von der – von der polnischen Polizei überwachten – Ghettobank: „Eines schönen Tages“, schrieb Zivia, „gingen wir mit Pistolen hinein und holten alles Geld aus der Bank.“ (S. 234) Die ZOB erhob von reichen Juden Steuern, sofern diese Beziehungen zu den Deutschen unterhielten, und errichteten ein eigenes Gefängnis. Zivia als zentraler Funktionärin sei es wichtig gewesen, so Batalion, „ein hohes moralisches Bewusstsein aufrechtzuerhalten inmitten all der „grassierenden Demoralisierung“ und Maßlosigkeit um sie herum.“ (S. 235) Zivia beschrieb in ihrem frühen Erinnerungsbericht (1947) auch, dass Pädagogen ohne unmittelbare Militärerfahrungen nun Militärstrategien und Kampfmethoden für direkte Kriegsführung und nächtliche Guerilla-Angriffe entwickelten.
Weiterhin versuchte Zivia, die von ihrem Tod im Kampf ausging, im Lager erfahrene Zeitzeugen zu finden, die der Nachwelt schriftlich vom heldenhaften Kampf der Juden berichten könnten (vgl. Kaufhold 2020, 2023s, 2023c, 2024a). Niemand im Lager machte Rettungspläne, niemand bereitete Fluchtrouten vor. Der heldenhafte jüdische Aufstand gegen die Deutschen, der mit ihrem eigenen Tod enden würde, war ihre einzige Orientierung.
Unmittelbar vor dem Warschauer Aufstand gehörte Zivia zu den 30 Kämpfern, die im obersten Stockwerk eines zentral gelegenen Gebäudes Position bezogen.
Zu Hunderten hatten sie sich im Ghetto an strategischen Punkten verteilt, mit schlechten Waffen; viele jüdische Frauen hatten Brandsätze gebaut und Bomben. Die Deutschen, laut Batalion 2000 zum vollständigen Morden entschlossene Soldaten mit Panzern und Maschinengewehren, marschierten am 18.4.1943 in das Warschauer Ghetto ein – und wurden von der jüdischen Gegenwehr überrascht. Der erste Kampf dauerte mehrere Stunden. Batalion formt diese erste Kampfphase der jüdischen Gegenwehr, in objektiv auswegloser Lage, in die Worte: „Der berauschende Triumpf der Vergeltung. Die Juden waren fassungslos, außer Atem, erschrocken, noch am Leben zu sein. Die Kämpferinnen umarmten und küssten sich.“ (S. 238)
Am Abend, als der erste Angriff der Deutschen abgewehrt worden war, fanden im Ghetto von Auschwitz provisorische Sederabende statt. Die Tausenden von Juden von Auschwitz wussten wohl alle, dass sie von den Deutschen dennoch ermordet würden.
Die folgenden Kampftage waren furchtbar. Die jüdischen Ghettobewohner wurden vom Gas und Wasser abgetrennt, die deutsche Artillerie bombardierte das Ghetto ohne Unterlass. Bei einem Erkundungsgang durch das Ghetto traf Zivia auf noch lebende Kämpfer in einem Bunker. Aus einem Radio hörte sie die Meldung eines geheimen polnischen Senders: „Die Juden des Ghettos kämpfen mit beispiellosem Mut.“ (S. 239, Hervorheb. D. Verf.)
In den Tagen des Ghettoaufstandes gab es Gerüchte, dass Zivia und Tosia „in Verteidigung der Würde des jüdischen Volkes in Warschau gefallen“ seien, wie die jüdische Zeitung Davar vermeldete (S. 252).
Der verzweifelte Überlebenskampf der in vier Kampfzonen eingeteilten „wilden Gruppen“ zog sich über mehrere Wochen hin. Die Namen der Kampftruppenführer – darunter Marek Edelmann, Mira Fuhrer, Mordechai Anielewicz, Michał Rozenfeld, Jochanan Morgenstern, Isaac Blaustein, Hersz Kawe, Abraham Rodła, Arie Rodal, Dawid Apfelbaum und Paweł Frenkiel – dauerte bis zum 16. Mai 1943. Einige Juden überlebten in den Trümmern von Auschwitz, gingen teils in die Wälder und töteten auch danach noch Deutsche. Insgesamt 750 schlecht ausgerüstete Juden kämpften gegen 2000 hochausgerüstete Deutsche. Bis heute sind die Getöteten nur schwer zu erfassen, vermutlich wurden 75 Prozent der Ghettobewohner ermordet; es wurden wohl 300 – 400 Deutsche getötet.
Mordechai Anielevicz schrieb in seinem letzten Brief vom 23. April 1943 an Yitzhak Zuckerman: „Was wir durchgemacht haben, lässt sich unmöglich mit Worten ausdrücken. Wir sind uns darüber klar, dass das Geschehene unsere kühnsten Träume übertrifft. Die Deutschen waren zweimal genötigt, aus dem Ghetto zu flüchten.“ Dann aber begannen die Deutschen das Ghetto abzubrennen (Vrankovic 2018).
Jitzhak Zuckerman – Zivias späterer Ehemann – unterstützte den Aufstand von außen. Er war maßgeblich daran beteiligt, dass eine kleine Gruppe von Widerstandskämpfern nach der Niederschlagung des Aufstandes durch die Kanalisation aus dem Ghetto entkam.
Darunter waren Zivia Lubetkin (9.11.1914 – 11.7.1978), Marek Edelman (1919-2009) Shimon Nissenbaum (1926-2001) und Hava Broder (1928-2022).
In den Filmen „Korczak“ (1990), „Uprising – Der Aufstand“ (2001) (in dem Zivia durch die Schauspielerin Sadie Frost dargestellt wurde) sowie „Der Pianist“ von Polanski (2002) wurde diese heldenhafte Aktion filmisch aufgearbeitet.
Zivia hat die 48-stündige Flucht durch die Kanalisation aus dem Ghetto in ihren beiden Texten beschrieben. In dem von Lubetkin und Jitzak Zuckerman in Israel aufgebauten Kibbuz Lochamej haGeta´ot – Kibbuz der Ghettokämpfer wurde dieser heldenhafte Widerstand im jungen Staat Israeldokumentiert und kollektiv erinnert.
12.5.1943: Flucht durch die Kanalisation des Ghettos
Am 12.5.1943 um Mitternacht brach die Kleingruppe aus 40 Juden um Zivia und Marek auf, um durch die fäkaliendurchseuchte Kanalisation in den arischen Teil Warschaus zu gelangen. Nach 48 Stunden gelang die lebensgefährliche Flucht. Sie betraten Warschauer Boden außerhalb des Ghettos, allein der Ausstieg aus der Kanalrohren dauerte Ewigkeiten. Einige Polen waren Zeugen ihres Ausstiegs. In ihrer posthum erschienen Erinnerungen Days of Destruction beschreibt Zivia diese Szene nach ihrer Flucht durch die Kanalisation (s. u):
„Wir waren schmutzig, mit lumpigen, blutbefleckten Kleidern bedeckt, unsere Gesichter ausgemergelt und verzweifelt, und unsere Knie waren vor lauter Kraftlosigkeit eingeknickt. … Wir hatten kaum noch Ähnlichkeit mit menschlichen Wesen. Unsere glühenden Augen waren das einzige Anzeichen dafür, dass wir noch lebten. (…) Und dann tauchten sie ein in den morgendlichen Verkehr – oder, wie Zivia es formulierte: „Der Lastwagen, beladen mit 40 bewaffneten jüdischen Kämpfern, machte sich im Herzen des nazibesetzten Warschau auf den Weg.“ (S. 258f)
Ein zweiter Rettungsversuch hingegen scheiterte. 20 Kämpfer kamen durch die Kanalisation, gerieten dann in einen Hinterhalt. Sie kämpften, starben jedoch gegen die Übermacht der Deutschen. Zivia quälten bis zu ihrem Tode ihre Schuldgefühle, dass sie überlebt hatte, andere jedoch nicht.
Das Leben und der Kampf im neuen Warschauer Versteck
Zivias Gruppe aus 40 Kämpfern schlug sich in die Wälder durch. Sie mussten erkennen, dass keine weiteren Kämpfer aus dem Ghetto entkommen waren. Sie gehörten zu den wenigen Überlebenden. Sie hatten den Deutschen schwere Verluste erteilt. Sie hatten gekämpft. Aber sie standen nun weitgehend alleingestellt auf sich. Die polnische Volksarmee nahm einen Teil von ihnen, sofern sie nicht zu verletzt waren, auf. Antek stieß zu ihnen, nahm deren Führungskreise, darunter auch Zivia, mit in ein Versteck in seine Wohnung.
Von diesem Versteck aus gelang es ihr, brieflich Kontakt mit der Bedziner Gruppe aufzunehmen. Sie bat diese, ihre „Träume von Rebellion“ aufzugeben, weil die Verluste zu hoch waren: „Wenn sie am Leben bleiben wollten, so empfahl sie ihnen, sollten, sie nach Warschau kommen“, kommentiert Batalion diese Lebensphase.
Ihre Freundin Chajka Grossman, die gleichfalls überleben sollte und in Israel eine berühmte liberale Politikerin und Knessetabgeordnete wurde (vgl. Grossman 1993, Kaufhold 2023a, 2024b, Strobl 1989), hingegen war empört und fassungslos über diesen Vorschlag. Mitkämpfer, die nicht jüdisch aussahen, konnten nach Zivias Einschätzung in Polen leben und weiter als Kurierinnen des Untergrundes arbeiten. Wer jedoch zu jüdisch aussah, sollte in einem Bunker versteckt wohnen. Die Polen ließen sie dort leben, aber meist nur wenn die Juden ausreichend Bestechungsgelder zu zahlen in der Lage waren.
Zivia sah zu jüdisch aus. Sie durfte es nicht wagen, in den Straßen Warschaus herum zu laufen. Das Leben in Verstecken bot keine Chance einer seelischen Erholung. Jedes Klopfen von jüdischen Gefährten ließ in ihr Panik vor dem Entdecktwerden durch die Deutschen oder Verrat durch Polen in ihr wachwerden.
Nun, im Versteck, hatte sie Zeit. Antek, ihr späterer Mann, brachte ihr Detektivromane mit. Sie schickte Briefe, bat die Bedziner Gruppe und insbesondere ihre Freundin Rivka Glanz (1917-1943) inständig zu fliehen, um zu überleben. Die Rettung von Rivka gelang nicht mehr: Rivka war 1941 24-jährig nach Czestocjhowa gegangen, wo sie bald zur Leitung des Widerstandes gehörte. Sie fuhr als jüdische Kurierin mehrfach nach Warschau, um Waffen zu besorgen und Informationen weiter zu leiten. Auch im Juni 1943 war sie nach Warschau gefahren und war dort mit wenigen Überlebenden des Ghettoaufstands zusammen gekommen. Zivia hatte ihr geraten, zu den Partisanen zu gehen, „weil man so mehr Deutsche töten und Juden retten könnte.“ Am 25.6.1943 wurde das kleine Ghetto in Czestocjhowa überraschend von der SS und der Polizei abgeriegelt. Nur 20 Kämpfern von Rivkas Gruppe gelang es in ihren Bunker zu eilen und ihre Waffen zu holen.
Rivkas Antwort überlieferte Zivia L. in jiddisch: „Ojch mir wiln bleiben bis der letzten minut mit unsere brider“ – und Zivia L. fügte hinzu: Und tatsächlich, sie blieben, sie blieben und fielen.“ (Lustiger S. 162). Batalion schreibt über die „temperamentvolle, einfühlsame und lebensfrohe Rivka“ (2021, S. 327), Zivia habe nur in Erfahrung bringen können, dass diese als „Kommandantin einer Einheit mit der Waffe in der Hand im Kampf gefallen war. „Ach, wie trauerte ich in meinem Herzen um sie“, schrieb Renia später. „Sie war wie eine Mutter für alle Juden in Tschenstochau.““ (ebd., S. 328)[ii]
Nebenbei arbeitete Zivia in ihrem Versteck nun für Zegota, dem Rat für die Unterstützung der Juden, und war bei diesem für die Verteilung von Geld und gefälschten Papieren zuständig. Und sie unterstützte die jüdischen Kurierinnen – intern bezeichnete man diese teils als „Zivias Mädchen“ – soweit ihr das möglich war.
Einige der von Batalion portraitierten heldenhaften jüdischen Kurierinnen – sie vermochten als Kurierinnen des jüdischen Widerstandes zu arbeiten, weil sie nicht jüdisch aussahen – wurden irgendwann doch enttarnt und verhaftet. Dazu gehörten Renia Kukielka, die als „christliche Polin“ verhaftet und gefoltert wurde. Bela Hazan vermochte ihre Tarnung sehr viel länger aufrecht zu erhalten, als sie für möglich gehalten hatte. Im Frühsommer 1942 wurde sie doch festgenommen und fürchterlich gefoltert (S. 378-394) Direkt gegenüber von ihrer Zelle lag das – klandestine – Quartier der Freiheit. Sie lebte mit der Phantasie, dass Zivia und Antek sie in ihrer Zelle sehen könnten, was ihr Widerstandskraft und den Mut zum Durchhalten verlieh – wer würde sich da nicht an die jüdische Psychoanalytikerin und Widerstandskämpferin Edith Jacobson erinnert fühlen (Kessler & Kaufhold 2015, Kessler 2015).
Zivia Lubetkin setzte, von ihrem Unterschlupf aus, brieflich ihre Befreiungsversuche für ihre Freundinnen fort. Zivia und Antek versuchten von ihrem Versteck aus mit Nachdruck, Fluchtlinien für Renia Kukielka und weitere bedrohte jüdische Kämpferinnen zu finden. Im Bedziner Liquidierungslager und den örtlichen Ghettos lebten Ende 1943 nur noch wenige 100 Juden. Jüdische Kurierinnen – „Sarah, Chawka, Kasia Dorka – alle jungen Frauen mit „nichtjüdischem Aussehen“ (S. 436) – schlichen sich weiterhin heimlich in das Liquidierungslager, um noch einige Jüdinnen zu retten. Die Aussichten wurden immer geringer, es gab so gut wie keine Verstecke mehr. Und für einen Großteil der Verstecke bei Polen mussten Bestechungsgelder bezahlt werden. Der einzige noch mögliche Fluchtweg führte über die Slowakei, dort genossen Juden immer noch geringe Freiräume.
Zivia und Antek beschworen Renia, die literarische Protagonistin von Batalions Werk „Sag nie, es gäbe nur den Tod für uns“ (Kaufhold 2021, Kaufhold & Hristeva 2022), ebenfalls über die Route Slowakei zu fliehen. Renia, körperlich sehr geschwächt und kaum noch lebensfähig, und deren Gruppe hatten weiterhin regelmäßigen Kontakt mit Warschau.
Selbst im Dezember 1943 fanden sich doch noch seriöse Fluchthelfer für bedrohte jüdische Widerstandskämpfer. Eine Gruppe Juden machte sich, mit gefälschten Reisedokumenten und Arbeitspapieren, als Polen getarnt, auf den Weg und erreichten tatsächlich die Grenzstadt Jelesnia. Von dort aus erreichten sie die Slowakei.
Renia Kukielka, so sei nachgetragen, 1924 in Polen geboren und ein zentrales Mitglied der jüdischen Widerstandsbewegung, hatte, als polnische Katholikin verkleidet, Lebensmittel, Medikamente und Waffen in die Ghettos gebracht. 1943 wurde sie von der Gestapo verhaftet und schwerst gefoltert. Ihr gelang die Flucht und sie floh nach Palästina.
1944, 19-jährig, veröffentlichte sie ihre Memoiren auf Hebräisch mit dem Titel Bindudim Uvamachteret: 1939–1943 B’Polin (dt.: Während ihrer Wanderung und im Untergrund: 1939–1943 in Polen.) 1947 erschien eine englische Version ihrer frühen Erinnerungen. Die Inhaltsangaben spiegeln ihre Themen wieder: „The First Years, Homeless, The Bendzin Kibbuz, In the Toils of the Gestapo sowie Rescue“. Kukielkas Werk blieb ansonsten unbeachtet, 2023 erschien eine englische Version ihrer Erinnerungen (Kukielka 2023).
Renia Kukielka schrieb in ihren Erinnerungen (1944) über den grenzenlosen Sadismus der Deutschen, ihrer Lust am Töten von Juden, ihren Vernichtungseifer. Die „jungen, gesunden Deutsche, denen ein Menschenleben nichts bedeutete“: „Sie waren immer blutrünstig“, für sie „war es leichter, einen Menschen zu töten als eine Zigarette zu rauchen.“ (S. 85)
Auslöser für Judith Batalions Forschungen und Buch bildete die Lektüre der bereits 1946 in New York erschienenen Anthologie Freuen in di Ghettos (Spizman 1946), in der Dutzende junger Frauen ihre Widerstandsaktionen beschrieben. Auch Ausschnitte aus Kukielkas frühen Erinnerungen waren in diesem Sammelband – unter dem Namen Renia K. – enthalten.
In dem Kapitel „Die Flucht“ rekonstruiert Batalion in dichter Weise die Rettungsaktion, die Renia von Polen nach Slowenien (S. 422-442) und von dort aus über Istanbul nach Palästina brachte (S. 443-458). Sie habe „noch so viel zu tun, stand in ihren Briefen zu lesen. Sie musste an Ort und Stelle bleiben.“ (S. 457)
Renia kam, mit gefälschten Papieren, am 6. oder 7. März 1944 in Palästina an. Zivia, die sich weiterhin weigerte, trotz ihrer nahezu täglichen Todesgefahr, ihre Existenz als antifaschistische jüdische Kämpferin aufzugeben und Polen zu verlassen, war auch an der Rettung ihrer Freundin Renia maßgeblich beteiligt. Renia Kukielka starb am 2014 in ihrem 90.ten Lebensjahr in Haifa.
Sommer 1944: „Alle Juden sollen nun für ein freies, unabhängiges, starkes und gerechtes Polen kämpfen“
Im Sommer 1944 zeichnete sich endlich die Niederlage der Deutschen ab. Von dem Fenster ihres Warschauer Versteckes aus sah Zivia Pferdefuhrwerke mit fliehenden Deutschen. Der polnische Untergrund, der überwiegend unter der Kontrolle der Heimatarmee stand, forderte nun die Vertreibung der deutschen Besatzer und Mörder. Auch Zivia und der ZOB schlossen sich dem an, trotz aller inhaltlichen Differenzen. Am 1. August 1944 ließ Zivia über die polnische Untergrundpresse verlauten, dass nun „alle Juden, ungeachtet ihrer jeweiligen Zugehörigkeit, für ein „freies, unabhängiges, starkes und gerechtes Polen“ kämpfen sollten.“ (S. 471) Zivias kleine jüdische Kampftruppen aus 22 Juden bestand darauf, sich aktiv am Kampf gegen die Deutschen zu beteiligen. Der furchtbare, grausame Kampf, bei dem 40.000 Kämpfer vor allem der Polnischen Heimatarmee die deutschen Besatzer Warschaus angriffen, zog sich über zwei Monate, bis zum 2.10.1944, hin (BPB 2019) hin, Warschau zu 90 Prozent, also nahezu vollständig zerstört.
Da Stalins Armee aus „taktisch-ideologischen“ Motiven den Aufstand nicht unterstützte brach dieser nach zwei Monaten zusammen. Kein Mitglied der Anti-Hitler-Koalition unterstützte die Aufständischen – ein furchtbarer Verrat. Die Racheaktionen der deutschen SS kostete weiteren zehntausenden Menschen das Leben. Am 2.10.1944 kapitulierte die Polnische Heimatarmee (BpB 2019).
Zivias verbliebene Kämpferinnen entkamen erneut durch die Kanalisation. Die Todesgefahr blieb alltäglich: „Die Nazis rissen ganz in der Nähe von Zivias Unterschlupf die Mauern ein. Die Juden konnten jeden Spatenstich hören.“ (S. 473) Erst am 17.1.1945 marschierte die Rote Armee in die Geisterstadt Warschau ein.
Als die russischen Panzer Warschau im Januar 1945 endlich befreiten verspürte die inzwischen 30-jährige Zivia Lubetkin – diese Erfahrung teilte sie mit vielen jüdischen Widerstandskämpferinnen – keine euphorischen Gefühle. Im Gegenteil: Sie verspürte eine große innere Leere. Sie war innerlich eine Jüdin, keine Polin. Letztere empfingen die russischen Panzer mit großem Jubel als Befreier. Sie schreibt, in Batalions Worten:
„“Die Menschen jubelten und umarmten ihre Befreier. Wir standen betroffen und niedergeschlagen abseits, die einsamen Überreste unseres Volkes.“ Es war der traurigste Tag in Zivias Leben. Ihre alte Welt hatte offiziell aufgehört zu existieren.“ (S. 473)
Und Batalion fügt hinzu: „Wie viele Überlebende, deren Bewältigungsstrategie die Hyperaktivität war, machte sich Zivia unverzüglich daran, anderen zu helfen.“ (ebd.)
1945: In Palästina / Israel
Nach Kriegsende arbeitete Zivia bei der jüdischen Organisation Bricha (vgl. Ben-Natan & Urban 2005): Diese organisierte direkt nach Kriegsende die Auswanderung der Überlebenden der Shoah und des Krieges nach Palästina.
Kurzzeitig kam es zu einer Zusammenarbeit Zivias mit dem litauisch-israelischen Schriftsteller und Partisanenführer Abba Kovner, Begründer der Organisation Nakam, zu dem Zivia Kontakt aufgenommen hatte.
Die Zusammenarbeit funktionierte jedoch nicht: Ihr Schwerpunkt lag bei der Gemeinschaftsbildung. Abba Kovner hingegen strebte einen möglichst raschen Weggang aller Juden aus Polen an. Sein weiterer Schwerpunkt war sein Wunsch nach Vergeltung, was er mit der Tötung von deutschen Tätern in Deutschland zu verbinden versuchte (vgl. Marsen & Tobias 2022).
Nahezu die gesamte Familie von Zivia Lubetkin wurde Opfer der Shoah: Ihre Eltern, die im Untergrund gelebt hatten, wurden 1942 entdeckt und sogleich erschossen. Zwei ihrer Schwestern – sie hatte sechs Geschwister – überlebten den Krieg nicht. Ihr einziger Bruder und eine ihrer Schwestern übersiedelten gleichfalls nach Palästina:
„Shelomo erreichte Palästina mit einem polnischen Armeekontingent; Szifra (1903–1942) lebte vor dem Krieg in Baranowice und war mit Leibl Epstein verheiratet; Meita (1906–1942) heiratete Simha Mirsky; Golda (1909–1942), die Shelomo Klibanski heiratete, teilte das Schicksal ihrer Eltern, ebenso wie Bunie (1919–1942); Ahuvah (Luba, geb. 1923) emigrierte 1938 nach Palästina.“ (Fatal-Kna´ani 2021)
In Palästina/Israel, wohin sie, „die sozialistische Zionistin aus Beuthen“ (andere Schreibweisen: Bytom, Byteń)[iii] (S. 474) 1945 endlich Alija machte – zu diesem Zeitpunkt kursierten in Palästina bereits mehrere Nachrufe auf sie – , war Zivia gemeinsam mit ihrem Mann maßgeblich am Aufbau des Kibbuz Lochamej haGetaó – des Kibbuz der Ghettokämpfer – beteiligt. Die Mitglieder des Kibbuz wohnten bei dessen Gründung noch in Zelten oder Hütten.
Die politischen Widersprüche, die Last der traumatischen Vergangenheit, ereilten sie jedoch auch in ihrem Kibbuz in Palästina: Sie wohnte in einer Hütte ihres Kibbuz, von dem aus die Briten „Angriffe auf Jischuv-Obere durchführte, Maßnahmen, die sie an die „Aktionen“ im Ghetto erinnerten.“ (S. 474)
Zivia, deren Ruf als Heldin des jüdischen Widerstandes ihr in Palästina vorausgeeilt war, wurde bereits kurz nach Ihrer Ankunft auf Vortragsreisen durch Palästina geschickt – Aufträge, die sie glaubte nicht ablehnen zu können.
Im Juni 1946 hielt die inzwischen 35-Jährige Zivia vor 6000 Menschen im Kibbuz Jagur einen vielstündigen Augenzeugenbericht über die Shoah und den jüdischen Widerstand in Auschwitz: „Sie sprach frei, ohne Manuskript, die klar verständlichen Gedanken strömten ihr aus Kopf und Herz. Alle waren gefesselt, überwältigt“ beschreibt Batalion die damalige Stimmung (S. 475). Dem Vortrag wohnten der renommierte israelische Palmach-General Yitzak Sadeh und zahlreiche weitere ehemalige Palmach-Kämpfer bei.
1946 beteiligte sie sich am 1. Nachkriegs-Zionistenkongress in Basel; man hatte ihr dabei eine führende Rolle zugeteilt. In Basel heiratete sie Antek – Yitzhak Zuckerman – im Beisein eines Rabbis – und kehrte schwanger nach Israel zurück. Antek, der 1915 in Wilna geborene frühere stellvertretende Kommandeur von ZOB, Verbindungsmann zum polnischen Widerstand und Bricha-Mitarbeiter, folgte ihr Anfang 1947 nach Palästina.
„Ihr müsst für sie Vater, Mutter und Zuhause sein“: Natan Sznaider über Lubetkin
Der israelische, teilweise in Deutschland aufgewachsene Soziologe Natan Sznaider (vgl. Feddersen 2020) gehört hierzulande zu den wichtigsten israelischen Stimmen, so meine Wertung.
2021 legte er auf Deutsch die Studie „Zivia Lubetkin und Hannah Arendt: Die Beschreibungen des Holocaust in Israel“ vor. Es lohnt sich, diesen außergewöhnlichen Beitrag in einem eigenständigen Unterkapitel zu vorzustellen.
Lubetkin hielt ihre Rede – „Die Letzten mit dem Rücken zur Wand“ – am 8.6.1946 vor der Versammlung des Kibbuz Ha‘ Meuchad in Yagur. 6000 Menschen wohnten diesem Vortrag in Palästina, zwei Jahre vor der Staatsgründung Israels, bei. 1947 wurde ihre Rede in En Harod veröffentlicht. Sznaider hat größere Passagen hieraus für seine neue Studie übersetzt.
Zivia Lubetkins Rede erregte großes Aufsehen, vor allem auch, weil viele Juden in Palästina dachten, dass Zivia nicht mehr lebe. Davon hatten israelische Medien bereits 1943 berichtet: Man glaubte, dass sie zu den Opfern des heldenhaften Widerstandes von Auschwitz gehöre:
„Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer, nicht nur unter den Kibbuz-Mitgliedern und ihren Freunden aus der sozialistischen und zionistischen Bewegung. Man wollte Zivia Lubetkin hören“, hebt Sznaider (2021, S. 157) hervor.
Ihre Rede war eine der ersten öffentlichen Zeugnisse zur Shoah und zum heldenhaften jüdischen Kampf aus dieser Zeit: „Die Sprache, mit der man in Israel über den Holocaust spricht, wurde geboren. Es war die Sprache des Widerstandes des „Nie wieder wir“, der Kampfbereitschaft und des würdevollen Todes“, bemerkt Sznaider. (ebd.)
Ihre Rede vor 6000 Juden in einem Kibbuz im Jahres 1946 war ein „ritueller Moment“ (Sznaider ebd., S. 157). Zivia betonte dass ihr die Worte fehlten, und dass Worte überhaupt fehlen, um die Geschehnisse in Warschau und Auschwitz einzufangen. Sie, die widerständige Heldin, die wie durch ein Wunder überlebt und zwei Jahre später nach Palästina Alija gemacht hatte, sprach ja über Millionen von Toten:
„Sie sprach in der Ichform, aber ihr Ich war ein kollektives.“ (S. 157)
Zivia sprach, wie wenige Jahre später Bruno Bettelheim (Bettelheim 1990, Kaufhold 1994, 2001, Ignatieff 1994), über ihre Schuldgefühle und über „ihre Unfähigkeit den Überlebenden in die Augen zu schauen.“ (ebd.) „Ich konnte mir nicht vorstellen“, so betonte sie gegenüber den 6000 palästinensischen Juden, den Überlebenden und Widerständlern, „euch als Einzige von Millionen zu treffen.“ (ebd.)
Sie habe nun zwei Möglichkeiten: Sie könne weinen – oder aber sie könne berichten. Also bleibe ihr nur die Möglichkeit zu erzählen.
Zivia sprach über die widerständige jüdische Jugend, die gegen die deutschen Mörder gekämpft und der sie angehört hatte – und welcher Batalion (2021) ein Denkmal gesetzt hat (Kaufhold 2021). Sie erzählte von der zionistischen und sozialistischen Jugendbewegung, die den Aufstand führte. Und sie hob hervor, dass sie und ihre Freunde „selbst nicht wussten, was einige Kilometer weiter sich abspielte. „Wir waren kleine Gruppen, voneinander isoliert.““ (S. 158).
Niemand von ihnen konnte wissen, wie sich der Krieg entwickeln würde und wieviel Widerstand es gegen die Deutschen gab, Anfang der 1940er Jahre. Was nur zählte war ihre äußerste, jüdische Entschlossenheit zum Kampf – der mit ihrem Tod enden würde.
Wogegen sich Zivia Lubetkin entscheiden aussprach und auch schon 1943 ausgesprochen hatte unterlag jedoch keinem Zweifel: Sie sprach in unmissverständlicher Weise gegen die Judenräte. Zugleich sprach sie hiermit gegen Teile der älteren Generation. Diese hatte, unter dem brutalen Terror, dem Irrtum unterlegen, dass durch Anpassung, durch Kooperation mit den Nazis irgend etwas hätte gerettet werdender können; dass Kooperation der beste Weg war, Juden zu retten (vgl. Kaufhold & Hristeva 2021, bezogen auf die Psychoanalyse).
Der Judenrat verkörperte für Zivia Lubetkin in den 1940er Jahren das „hilflose Diasporajudentum“. Mit ihrer Rede, hebt Sznaider hervor, wurde der Widerstand an sich gefeiert, auch wenn dieser militärisch keinen Sinn ergab. Darum ging es in ihrer absolut ausweglosen Situation, in der sie kaum wussten, was sich 20 Kilometer weiter mörderisches ereignete, nicht vorrangig.
Vor allem forderte Zivia Lubetkin, die vom Sterben gekennzeichnet war und doch entschieden mutiger als die meisten Juden gehandelt, gekämpft hatte, einen menschlichen Umgang mit den Überlebenden, die nach der Shoah zu Zehntausenden nach Israel kamen: „Ihr müsst für sie Vater, Mutter und Zuhause sein“, forderte sie (S. 159).
Zivias Aussage im großen Zelt im Kibbuz Yagur wurde zu einem Medienereignis: „Man schrieb darüber in den Zeitungen“ (S. 159).
Ein Jahr später, 1947, wurde ihre Rede als Buch gedruckt, 54 Seiten. Zugleich wurde damit, so Sznaider, die „hebräische Sprache der Judenvernichtung in Israel geschaffen“ (S. 160).
Israels Umgang mit dem Holocaust, der Shoah, war immer ambivalent, schwankte zwischen Heldentum, Kampf um das eigene Überleben mit und seit der Staatsgründung gegen seine – nun – arabischen Feinde. Eines unterliegt jedoch keinem Zweifel: Der demokratische Staat Israel, 1948 gegründet, war „der Bruch mit der machtlosen jüdischen Vergangenheit“ (S. 160f). Daran ließ Zivia Lubetkin keinerlei Zweifel aufkommen. Dies war ihre Botschaft als heldenhafte Überlebende und Zeitzeugin.
Zivia Lubetkin symbolisiere eine Geschichtsschreibung gemäß der Israels Unabhängigkeitskrieg nicht 1948 sondern 1943 in Warschau stattfand, so Sznaider.
Zivias heldenhaftes Handeln war eine Form der Sinnstiftung des Sinnlosen (Bettelheim 1990), oder, in Sznaiders Worten: Ein Versuch, „dem sinnlosen Tod einen Sinn zu geben“ (S. 161).
Sznaider erinnert in diesem Kontext auch an den großen israelischen Lyriker Chaim Nachman Bialik. Dieser hatte schon über 40 Jahre zuvor, 1903, als Reaktion auf das antisemitische Pogrome von Kishinev (6.4. – 21.4.1903) (Zipperstein 2018) nach einem Besuch und Interviews mit Zeitzeugen dort eines der eindrücklichsten Gedichte – In der Stadt des Gemetzels – über den jüdischen Tod und über die vermeintliche Passivität der Juden gegenüber dem Mob verfasst. „Wenn es eine Gerechtigkeit gibt, dann laßt sie jetzt leuchten!“ mahnte Bialik die jungen Juden in seinem berühmten Gedicht. (vgl. Bialik 1919). Zwischen dem Pogrom und dem 1. Weltkrieg wanderten 40.000 russische Juden nach Palästina ein und gründeten paramilitärische Verteidigungsorganisationen, auch als Reaktion des antisemitischen Pogroms von Kishinev. Diese bildeten, so Sznaider, die Grundlagen für die israelische Armee.
Sznaider nimmt auch einen Vergleich zwischen Lubetkin und Anne Frank vor: Anne Frank sei „zu privat in ihrem Leiden“ gewesen. „Und sie glaubte an das Gute im Menschen.“ (S. 162) Ein solches „moralisches“ Urteil ist gut für die Majorität der Deutschen für die Leugnung der mörderischen deutschen Geschichte und Realität. Für Israelis verkörpert eine Anne Frank, die arme Anne Frank (vgl. Bettelheim 1990a, Kaufhold), ihr Glaube an das „Gute“ im Menschen vor allem eine Selbsttäuschung und eine Selbstentlastung der Deutschen.
Über Lubetkins Erinnerungen sei das Warschauer Ghetto auch ein wenig „ zum israelischen Territorium“ geworden (S. 162). Daher seien die zahlreichen Reisen und Erinnerungsmärsche Zehntausender israelischer Jugendlicher nach Auschwitz erwachsen. Das Warschauer Ghetto und der jüdische Widerstand wurden für diese israelischen Jugendlichen zum Teil ihrer Identität, auch ihrer familiären Identität. Die wenigen Überlebenden und die Millionen Ermordeten waren doch nicht ganz „sinnlos“ gestorben. Das Warschauer Ghetto gehörte in der kollektiven Erinnerung doch auch ein wenig zum israelischen Territorium, zum jungen, wehrhaften Staat Israel. Auch im Ghetto hatten die Juden, die objektiv keine militärische Chance hatten, gekämpft – und hatten sich nicht wehrlos wie die Lämmer abschlachten lassen. Zivia Lubetkin, die wie durch ein Wunder von Warschau 1943 nach Jagur 1946 gelangt war, verkörperte die wehrhafte, kämpferische jüdische Tradition und Identität. Selbst der Tod im Warschauer Aufstand gewann noch doch ein wenig einen Sinn.
Deshalb schreibt Natan Sznaider: „Die Nazis raubten den Juden im Vernichtungslager die Möglichkeit eines sinnhaften Todes, den die Ghettokämpfer und der Staat Israel den Juden wieder zugestehen sollten.“ (S. 162)
Die „Wiedergutmachung“ hingegen, die die Deutschen den Juden in Israel in Gesprächen in den 1950er Jahren anboten, um dadurch selbst innerlich und international zu gewinnen, die lehnten Lubetkin, viele Widerstandskämpfer und die israelische Rechte entschieden ab: Die sei eine „Blasphemie, eine Verunglimpfung der Opfer, eine Schande, der Ausverkauf der nationalen Ehre.“ (S. 165)
Das Monopol der sozialistischen Kämpfer, und hiermit endet Sznaider, welches Lubetkin 1946 und auch noch 1961 als sitzende Zeitzeugin vor Gericht beim Eichmann-Prozess verkörperte, sei inzwischen gebrochen.
Mit der „Entfernung vom Geschehen und mit dem Tod der letzten Überlebenden“ (S. 174) habe sich auch die Erinnerung an die Shoah und an die heldenhaften Kämpfe und Aufstände in Auschwitz und zahlreichen weiteren Lagern verändert.
Das neue Leben: Die Familie im Kibbuz
1947, Zivia war da schon 33, wurde ihr Sohn Simon, zwei Jahre später ihre Tochter Yael geboren. Zivia und Antek, die Helden des jüdischen Widerstandes, gingen in ihrer Elternrolle auf, verwalteten die Kibbuzfinanzen, erzogen ihre beiden Kinder in einer bescheidenen Grundhaltung entsprechend den pädagogisch-sozialistischen Kibbuz-Prinzipien. Zivia war gegen eine Aussöhnung mit Deutschland und gegen Reparationszahlungen, verschloss sich jedoch pragmatischen finanziellen Lösungen nicht.
Im Kibbuz wollten die beiden keine herausgehobene Rolle und keine Privilegien haben: Antek arbeitete auf dem Feld, Zivia im Hühnerstall. Auch der Wunsch nach einer politischen Karriere – wie sie etwa die legendäre, fünf Jahre jüngere Widerstandskämpferin Chaika Grossman als langjähriges Knessetmitglied einschlug (vgl. Kaufhold 2024a) – , war ihr und ihrem Ehemann fremd. Sie ließ sich widerstrebend vereinzelt auf die Kandidatenliste der Arbeiterpartei setzen, jedoch nur auf einen aussichtslosen Listenplatz. Wie die meisten Überlebenden der Shoah blieb in ihrer Familie, da sie zwei kleine Kinder hatte, die Shoah und das erlittene Leid ein Tabuthema. Ihre Tochter Yael wurde später eine Psychologin und wunderte sich dann selbst, wie wenig Fragen sie ihren Eltern über die Shoah gestellt hatte.
Zivia arbeitete bei der angesehenen israelischen Jewish Agency und leitete deren Abteilung für Integration. Weiterhin war sie Mitbegründerin des Itzhak Katzenelson House of Testimony and Rebellion and war am Aufbau des kibbuzeigenen, 1949 gegründetem Ghetto Fighter Museums beteiligt.
Ein besonderer Schwerpunkt des Ghetto Fighter Museums liegt auf dem House auf Yad Leyled, dem Kindermuseum. In Erinnerung an die 1,5 Millionen in der Shoah ermordeten Kinder wird dort jungen Menschen, nach Altersstufen unterteilt, das Thema der Shoa vermittelt. Die Möglichkeit, dort mit Zeitzeugen zu sprechen, die den Holocaust selbst als Kinder erlebten, gehört zu seinen besonderen Möglichkeiten. In wenigen Jahren wird es diese Möglichkeit nicht mehr geben. Bis heute ist das Ghetto Fighters’ House zur Hälfte Eigentum des Kibbuz.
1954 begann Zivia ein Studium am ersten Seminar des Studienzentrums der Vereinigten Kibbuzbewegung in Ramat Efal.
1961: Lubetkins Augenzeugebericht: „Warum habe ich es geschafft?“
International wahrgenommen wurde 1961 Zivias Lubetkins Zeugenaussage im Eichmann-Prozess. Sie war die einzige Zeugin, die bei ihrer Zeugenrede am 3.5.1961 nicht aufstehen musste. Das Video ihrer umfangreichen Zeugenaussage ist bei heute im Netz abrufbar.
In ihrer Zeugenaussage beschrieb sie die furchtbaren Szenen, als 18 Jahre zuvor, am 19. April 1943, deutsche SS- und Polizeieinheiten in das Ghetto einfielen, um die verbliebene jüdische Bevölkerung zu deportieren (s.o.). Überall im Ghetto warteten versteckte Einheiten der ŻOB – insgesamt 800 ZOB-KämpferInnen – auf die mit Panzern vordringenden, militärisch haushoch überlegenen 2000 Deutschen. Ihren sicheren Tod vor Augen hätten sie und ihre jüdischen jugendlichen Kampfgefährten bei dieser heldenhaften jüdischen Widerstandsaktion nur Jubel in sich empfunden, sagte sie vor Gericht als Zeitzeugin aus.
Budde (2023) gibt Zivias Zeugenaussage in dieser Weise wieder:
„Unter den Kämpfenden war auch Zivia Lubetkin. Fast 20 Jahre später berichtete sie im Eichmann-Prozess von der Bedeutung des Aufstands für den Stolz der jüdischen Jugendlichen:
„Wir wussten, dass unser Ende gekommen war. Wir wussten im Voraus, dass sie uns besiegen würden, aber wir wussten auch, dass sie einen hohen Preis für unser Leben zahlen würden. Und das taten sie auch. Es ist schwer zu beschreiben, und es wird sicherlich viele geben, die es nicht glauben werden, aber als die Deutschen sich dem Fuß eines unserer Stützpunkte näherten und in Formation vorbeizogen, und wir die Bomben und Handgranaten warfen und wir sahen, wie deutsches Blut in den Straßen Warschaus floss, nachdem zuvor so viel jüdisches Blut und Tränen in den Straßen Warschaus geflossen waren – da fühlten wir in uns einen großen Jubel, und es war nicht wichtig, was am nächsten Tag geschehen würde.“ (Budde 2023)
Natan Sznaider hebt in seinem luziden Beitrag über Zivia Lubetkin die „Vermittlerrolle“ (Sznaider 2021, S. 168) hervor, die sie auch bei ihrer Zeugenaussage übernommen habe: Sie habe hierdurch auch „Warschau und Jerusalem“ zusammengebracht: Das Warschau (1943) ihres heldenhaften jüdischen Kampfes gegen die deutschen Mörder und das Jerusalem (1961) des 13 Jahre zuvor gegründeten jüdisch-demokratischen Staates Israel: In Jerusalem 1961 wurde ein, von aus Deutschland gebürtigen israelischen Juristen (Hausner) organisierter, Gerichtsprozess gegen den deutschen Massenmörder Eichmann durchführte. Ruhig habe Zivia vor dem Gericht erzählte und hierdurch kollektiv erinnert, „wie einige Kämpfer den deutschen Soldaten trotzten“ (Sznaider 2001, S. 169).
Die jüdischen Kämpfer um Zivia Lubetkin wussten, dass die Deutschen für ihr Morden in Warschau und Auschwitz einen hohen Preis zahlen mussten: „Wir haben um unser Leben gekämpft. Wir haben zurück geschlagen. Das machte es einfacher für uns zu sterben“ (S. 169) sagte sie gemäß Sznaiders neu angefertigter Übersetzung ihrer Zeugenaussage im Eichmann-Prozess.
Zivia Lubetkin bezeugte am 3.5.1961 in Jerusalem vor dem israelischen Gericht in ruhigem Tonfall die Morde, das systematische Töten der Deutschen, „während sie Eichmann betrachtete und er ihr zuhören musste.“ (ebd., S. 169) In weiteren Zeugenaussagen von Überlebenden war das private Leid der Opfer ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gedrungen, während mit Zivia „die offizielle Sprache, die Sprache der Widerstand und der Ghettokämpfer“ weiter im Raum blieb. Es war der Kampf zwischen dem Heldentum einerseits, aus dem Israel seine Identität als wehrhafter demokratischer Staat schöpfte, und den traumatisierten Opfern der Shoah auf der anderen Seite.
Als Abschluss seiner Lubetkin-Studie konstatiert Sznaider 60 Jahre nach dem Eichmann-Prozess: „Das Monopol der sozialistischen Kämpfer wie Lubetkin ist inzwischen gebrochen.“ (S. 175) Neue Stimmen aus der pluralistischen, multiethnischen Gesellschaft Israels wurden nun laut, etwa von den russischen, ukrainischen und osteuropäischen Juden, die ihre Identität nicht mehr als der Shoah direkt, sondern aus dem Krieg gegen die Deutschen schöpften.
Vor allem jedoch, so hob die antifaschistische Kämpferin Zivia in ihren Zeugenaussage 1961 hervor – was sie bereits 1946 bei ihrer aufsehenerregenden Rede im Kibbuz Jagur erwähnt hatte, – könne es auf keinen Fall darum gehen, die Überlebenden zu verurteilen. Am 15.12.1961 wurde der Organisator der nationalsozialistischen Judenvernichtung und faktische Massenmörder Eichmann zum Tode verurteilt, am 31.5.1962 wurde er in Israel hingerichtet.
Die den Schrecken nie loswurden…
1967, nach dem Sechstagekrieg, schloss Zivia sich der Großisraelbewegung an, die die im Krieg eroberten Gebiete annektieren wollte. Später wurde Zivia Mitglied des neu gegründeten, konservativen Likud. Ihre Schuldgefühle über ihr Überleben, während fast alle jüdischen Auschwitz-Häftlinge und ein Großteil ihrer Mitkämpfer sterben mussten, ließ sie bis zu ihrem Tode nicht mehr los: „Die Frage Warum habe ich es geschafft? War allgegenwärtig.“ (S. 480)
Nicht alle Heldinnen des jüdischen Widerstandes, die es nach Palästina geschafft hatten und am Aufbau Israels beteiligt waren, gelang es, die Schrecken der Vergangenheit abzuschütteln.
Chajka Klinger (1917-1958) (Kaufhold 2021, Kaufhold & Hristeva 2022) etwa, die 1943, dem Tode näher als dem Leben, ein die deutschen Verbrechen dokumentierendes Tagebuch verfasst hatte und darin fürchtete, „die letzten Juden zu sein“, hatte ihre Mitkämpferinnen während der Shoah beschworen, nicht zu resignieren. Teile ihres Tagebuches wurden nach der Staatsgründung Israels publiziert, jedoch nur in einer zensierten und gekürzten Version. Im April 1958, am 15. Jahrestag des Aufstandes im Warschauer Ghetto, erhängt sich Chajka Klinger, „nicht weit entfernt von dem Kibbuzkindergarten, in dem ihre drei Söhne spielten.“ (S. 484) Ihr Tagebuch erschien erst 2017, 58 Jahre nach ihrem Tod, auf Hebräisch.
Zivia Lubetkin verstarb am 11.7.1978 63-jährig in ihrem Kibbuz Lochamej haGeta´ot. Sie wurde auf dem nicht weit vom kibbuzeigenem Museumsgebäude befindlichen Friedhof des Kibbuz begraben. Als eine der wenigen Überlebenden des Aufstands im Warschauer Ghetto war es ihr Anliegen, künftigen Generationen die Wichtigkeit von Stolz und Solidarität auch unter unerträglichen Umständen zu vermitteln: „Wir wollten, dass ihr es wisst, nicht nur um der Geschichte willen, sondern auch für die Zukunft. Erinnert euch an die Vergangenheit und lernt für die Zukunft“ soll auf ihrem Grabstein stehen (Budde 2023).
Ihr Ehemann Yitzhak „Antek“, der unerschrockene ZOB-Widerstandskämpfer (1915-1981), verlor nach dem Tode seiner Frau seinen Lebenswillen. Er trank gelegentlich und gab sich innerlich wohl auf. Als er 1981 auf dem Weg zur Einweihung einer Schule war, die nach Zivia benannt war, verstarb er an Herzversagen.
Im Tel Aviver Straßensystem ist ihre Familiengeschichte durch die Zivia-Lubetkin Strasse präsent, die unmittelbar zur Yitzhak-Zuckerman Strasse führt.
2023: Die Enkelin Eyal Zuckerman
2023, ein viertel Jahrhundert nach ihrem Tode, erinnerte ihre Enkeltochter Eyal Zuckerman, Tochter des 1947 geborenen Simon Zuckerman, in einem jungle world-Interview an ihre Großeltern (Vukadinovic 2023). Eyal wurde 1977 geboren, acht Monate später verstarb ihre Großmutter Zivia, drei Jahre später ihr Großvater. Als ihre Großmutter Eyal ihr Enkelkind in den Armen trug weinte sie nach Angaben von Batalion (S. 479) wohl zum ersten Mal seit ihrem Überlebenskampf.
Sie wuchs mit ihren Eltern und ihrer Schwester Roni – die 2001, 56 Jahre nach der Shoah, die erste Jagdpilotin der israelischen Armee wurde – , gleichfalls im Kibbuz Lohamei HaGeta’ot auf. Ihre Eltern hatten sich von den familiären und im Kibbuz gelegentlich allgegenwärtigen Dauergesprächen zum 2. Weltkrieg und zum jüdischen Überlebenskampf geschützt und diese Themen vermieden. Erst als 2011 zum 30. Todestag ihres Großvaters im Haus der Kibbuzkämpfer eine erinnernde Konferenz über diesen stattfand und ein Familienmitglied gebeten wurde, über ihre Großeltern zu sprechen, begann Eyal Zuckerman mit ihren Familienrecherchen. Diese wurden, je mehr sie las und verstand und dadurch auch ihre Familie verstand, bald zentraler Teil ihres Lebens. Seitdem hat Eyal in Israel in zahlreichen Vorträgen über den heldenhaften Widerstandskampf ihrer Eltern, aber auch über deren unermesslichen Leiden als Überlebende berichtet.
Ihre Eltern hätten zeitlebens an der Überlebensschuld gelitten, betont ihre Enkelin.
Zivias Zeugenaussage im Eichmann-Prozess (1961) sei heute vollständig vergessen, so Eyal Zuckerman. Ihre Eltern seien in Polen sehr viel bekannter als in Israel.
Aus deren Leben ließen sich nach Eyal zwei Lehren ziehen: Dass es im Leben immer Hoffnung gibt. Man habe immer eine Wahl – selbst wenn diese nur die Art zu sterben betreffe. Und der jüdische Aufstand im Warschauer Ghetto zeige, dass man sich trotz aller politischen Differenzen zusammentun könne, um etwas zu erreichen.
1947: Zivia Lubetkins Augenzeugebericht
Lubetkins Augenzeugenbericht erschien 1947 auf hebräisch bei Kibbuz En charod. Auf Deutsch erschien er zuerst 1948 in „Neue Auslese“ (Hg. Alliierter Informationsdienst, 3. Jg., H. 1/1948, S. 1-13.) Kurz darauf erschien er als eigenständige Publikation beim VVN-Verlag 1949. Er steht online zur Verfügung (Lubetkin 2019). Hieraus sei abschließend zitiert:
Zivia Lubetkin eröffnet ihre Erinnerungen an den großen Jüdischen Aufstand in dieser Weise:
„Das Getto stand in Flammen. Tage- und nächtelang brannte es, und das Feuer fraß Haus für Haus ganze Straßen auf. Dicht daneben, auf der anderen Seite der Mauer, spazierten und unterhielten sich Bewohner der Hauptstadt. Sie wußten, daß „die Juden verbrannten“. Der Wind trug Rauch und Ruß von den brennenden Ruinen zu ihnen hinüber. Funken flogen nach allen Seiten, und da und dort fing ein Haus außerhalb des Gettos Feuer. Aber diese Brände wurden sofort gelöscht. Nur im Getto beeilte sich niemand, die Flammen zu ersticken und Hilfe zu bringen. Dieses Flammenmeer war das Getto der größten Judengemeinde, die es jemals in Europa gegeben hatte. Die letzten dort verbliebenen Juden, noch immer Zehntausende an der Zahl, waren in seinen Mauern wie in einer Falle gefangen. Kurz vorher, im April 1943, hatten die Deutschen geplant, diese Restbevölkerung umzubringen, sie in die Vernichtungslager Auschwitz und Belsen zu schaffen, so wie sie schon vorher Hunderttausende dorthin gebracht hatten, ohne Widerstand zu finden. Diesmal aber befanden sie sich in einer unerwarteten Situation. Einheiten des Jüdischen Kampfbundes hielten die Straßenecken und Ruinen besetzt, hatten Minen gelegt und schleuderten Handgranaten in die Reihen der deutschen Truppen. Die Deutschen, von dieser Gegenwehr überrascht, zogen sich zurück und gingen an den folgenden Tagen zum Angriff über, stießen aber jedesmal auf Widerstand. Nach einer zehntägigen Schlacht wagten die Deutschen nicht mehr, in das Getto einzudringen. Nunmehr zündeten sie das Getto an, zuerst mittels Brandbomben aus der Luft und danach durch Brände, die sie vom Boden aus an seinen vier Ecken legten. Sie feierten ihren Sieg aus der Entfernung — in der Überzeugung, das Feuer werde das Vernichtungswerk vollenden, das sie selbst im offenen Kampf nicht hatten durchführen können.“ (Lubetkin 2019, S. 4)
Der von den Deutschen erwartete Triumpf blieb jedoch aus. Die Juden Warschaus, drunter die Chronistin Zivia Lubetkin, wehrten sich entschlossen gegen ihre Mörder. Lubetkin beschreibt ihre eigene Grenzsituation in diesen Tagen des Aufstandes:
„In der Nacht, in der das große Feuer ausbrach, rannte ich aus meinem Versteck weg. Der grelle Feuerschein machte mich ganz benommen. Überall um mich herum hörte ich das Prasseln des Feuers, das Krachen einstürzender Mauern. Außerhalb des Gettos war es Frühling. Wir schlängelten uns durch die Ruinen hindurch, umgingen die Flammen, gelangten durch Löcher in den Mauern von einem Dachgeschoß zum andern. Die Deutschen schossen dabei auf alles, was sich bewegte.“ (S. 7)
In dieser ersten Kampfnacht lebten noch Hunderte von jüdischen Kämpfern, die Zuflucht suchten. Tausende von Fliehende „häuften sich um sie herum.“ (ebd.)
Lubetkin fährt fort:
„Hier saßen wir nun, unsere nutzlosen Waffen neben uns, die letzten verzweifelten jüdischen Kämpfern. Es war klar, daß wir es ohne Lebensmittel, Wasser und Löschgerät nicht lange inmitten des tobenden Flammenmeers würden aushalten können. Ein junger Bursche erzählte uns, er wisse einen Weg, der durch die unterirdischen Abzugskanäle aus dem Getto in den nichtjüdischen Teil der Stadt führe. Einen Augenblick lang wirkte diese Zuversicht ansteckend. Aber was sollte das nutzen? Da es draußen niemanden gab, der uns aufnehmen würde, war das der sichere Tod. Man kam einfach aus dem einen Feuer in ein anderes.“ (S. 7)
In dieser Situation erzählte ihr ein „junger Bursche“ (S. 7), dass er von einem Fluchtweg wisse, der durch die unterirdischen Abzugskanäle aus dem Ghetto in den nichtjüdischen teil Warschaus führe.
Der Plan bzw. Gedanke eines „Massenauszugs“ (S. 8) musste fallen gelassen werden. Es gab einen Appell und Weisungen an die Kämpfer, sich in den Bunkern und Ruinen zu verstecken:
„Viele, die keinen anderen Unterschlupf finden konnten, gingen in die Abwässerkanäle hinunter, um dort den nächsten Tag abzuwarten. Vorläufig schlug noch der Puls des jüdischen Lebens tief unter der Erde in Bunkern und Kanälen.“ (S. 8)
Hunderte von Kämpfern lagen nun in einer Tiefe von fünf Metern, ohne Tageslicht. Dies war nun das Hauptquartier des Jüdischen Kampfbundes. Lubetkin fährt fort:
„Seit Beginn des Aufstands waren nun drei Wochen verstrichen. Wir hungerten und konnten keinen Nachschub erhalten. Die Zeit verging in endlosen Gesprächen — wir redeten über den Hunger und ständig von Palästina, das keiner von uns hatte erreichen können. Wir saßen in einer Falle, und die einzige Aussicht, die wir hatten, war die auf einen langsamen Hungertod.“ (S. 9)
Gemeinsam mit dem Bund-Kommandanten Marek Edelman erkundete Lubetkin die konkrete Möglichkeit einer Flucht durch die Warschauer Kanalisation: „Unfähig, unsere Erschöpfung zu überwinden, verbrachten wir den ganzen Tag im Bunker. Einmal im Laufe des Tages kam von der Wache eine Schreckensbotschaft: Die Deutschen kommen! Unsere Nerven waren zum Zerreißen gespannt, und die Angst vor den Deutschen war größer geworden als die Furcht vor dem Tod. Aber die Deutschen kamen nicht. In dieser Nacht machten wir, nämlich Chaim P. Marek Edelman und ich, uns auf den Weg zurück zu unserem Bunker. Von den 21 Entkommenen waren 18 Mitglieder des Kampfbundes. Jetzt fühlten wir, daß uns allen der sichere Tod bevorstand.“ (S. 13f)
Zwei Kämpfer hatten den Weg durch die Kanalisation probeweise geschafft. Sie kehrten zurück, um ihre Kampfgefährten von diesem Fluchtweg zu berichten.
Mit Marek Edelstein an der Spitze und Zivia am Ende stieg die kleine Gruppe der Widerstandskämpfer „schweren Herzens“ in die Kanalisationsanlage.
Zivia erschien die Situation in der erinnerung als ausweglos:
„Ein gräßliches Gefühl des Ekels überkam mich in dem kalten, schmutzigen Wasser, und ich fühlte, daß nichts — nicht einmal die Freiheit — das lohnte.“ (S. 15)
Um Mitternacht nahmen die Kameraden von der arischen Seite Warschaus, darunter auch ein Pole der polnischen Arbeiterpartei, Kontakt mit ihnen auf. Der Deckel des Kanals wurde in die Höhe gehoben, man reichte ihnen Suppe und Brot. Währenddessen ging das Leben in Warschau weiter. Sie hörten die fröhlichen Laute spielender polnischer Kinder:
„Jetzt, da wir einander bei Tag sahen — schmutzig, in Lumpen gewickelt, mit dem Unrat der Kanäle beschmiert, mit ausgemergelten Gesichtern, während die Knie vor Müdigkeit schlotterten —, überwältigte uns das Entsetzen. Nur unsere fiebernden Augen verrieten, daß wir noch lebendige Menschen waren. Wir legten uns alle auf den Boden des Lastwagens, um von der Straße nicht gesehen zu werden, und jeder hatte seine Waffe neben sich liegen. In dieser Weise fuhr ein Lastwagen voll bewaffneter jüdischer Kämpfer am 12. Mai 1943 mitten durch das von den Nazis besetzte Warschau.“ (S. 19f)
Ein polnischer Kampfgefährte zeigte dem Fahrer des Lasters den Weg durch Warschau. Sie hatten ihre Waffen dabei, aber es kam zu keinem Zwischenfall. Zivias Gedanken waren weiter bei den Kampfkameraden, die noch nicht hatten fliehen können:
„In jener Nacht saßen wir alle um das in einer Vertiefung brennende Lagerfeuer und fühlten in unseren Herzen, daß wir die letzten Überlebenden des Warschauer Gettos waren, das man ausgerottet hatte. Wir wußten nicht, was sich überall in Polen abspielte, aber wir fühlten, daß für unser Volk das Ende gekommen war und daß wir Überbleibsel waren, rauchende und verglimmende Aschenreste . . . Unsere Zukunft war in Dunkel gehüllt, und wir, die Geretteten, empfanden uns als überflüssig und vereinsamt, verlassen von Gott und den Menschen. Wir lagen am Boden, aber wir konnten keinen Schlaf finden. Wir dachten an das Mysterium der Welt und des Menschen, und wir erinnerten uns des Mordes, der an unserem Volke begangen worden war, und der geliebten toten Kameraden, die Asche waren von der Asche unserer verbrannten Seelen. Wir grübelten und fragten, grübelten und fragten, aber es gab keine Antwort.“ (S. 21)
Mit diesen Worten enden Zivia Lubetkins Erinnerungen an ihre Flucht nach dem Warschauer Aufstand. Sie gehörte zu den ganz wenigen Überlebenden. Verfasst hatte sie ihre ersten Erinnerungen drei Jahre später, 1948. In diesen Monaten wurde ihr Staat Israel gegründet.
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[i] Alle nachfolgenden Zitate beziehen sich, sofern sie nicht anders gekennzeichnet sind, auf Batalion (2021)
[ii] Die Schreibweise dieser Stadt fällt in der Literatur unterschiedlich aus; ich belasse es bei Zitierungen bei der im Original verwendeten Schreibweise.
[iii] 1914 hieß ihre Geburtsstadt Beuthen, seinerzeit „ein Teil der deutschen Provinz Oberschlesiens“ (S. 54);heute heißt die Stadt Bytom https://de.wikipedia.org/wiki/Bytom, und gehört zu Polen.