400 Tage

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Foto: Lior Rotstein

Unfassbar, unerträglich, wie konnten wir es geschehen lassen? 400 Tage sind die noch verbliebenen Geiseln nun in Gaza. 400 Tage in Dunkelheit, Verzweiflung, Todesangst. 400 Tage, in denen die israelische Regierung versagt hat, ihre Bürgerinnen und Bürger nach Hause zu holen. 400 Tage, in denen die grundlegenden Werte des Staates verloren gingen. 400 Tage und kein Ende in Sicht.

Auch gestern Abend gab es wiederum eine große Kundgebung am Platz der Entführten in Tel Aviv. Zehntausende schlossen sich den Familien an. Nicht nur in Tel Aviv, in ganz Israel wird weiter demonstriert. Noch immer sind 101 Geiseln in der Gewalt von Hamas. 

Am Platz der Entführten eröffneten Mütter von Geiseln die Kundgebung, in Weiß gekleidet, mit einem stillen Protest. Er ist der Auftakt von „Shift 101“, eine ganze Woche wird es in in Jerusalem stille Mahnwachen geben, die die Rückkehr der 101 Geiseln fordern. 

Niva Wenkert, Foto: Paulina Patimer

Niva Wenkert, Mutter von Omer Wenkert, sagte dazu: „Uns fehlen die Worte. Es gibt keine Worte mehr, um unsere Trauer, unsere Enttäuschung, unsere Wut und unsere Angst zu beschreiben. Keine Worte können unsere Todesangst ausdrücken. Wir schweigen, weil wir alles gesagt haben – wir haben gefleht, gebettelt, Interviews und Reden gegeben. Doch nichts ändert sich. Tage kommen und gehen, und die Welt geht weiter wie gewohnt. Wie lange noch? Wie viele Mauern müssen noch erschüttert werden? Wie viele Tränen müssen noch fallen und wie viel Blut muss noch vergossen werden, bevor jemand tut, was getan werden muss, und unsere Kinder nach Hause bringt? Vierhundert Tage – kann sich das irgendjemand vorstellen? Vierhundert Tage Angst! Wir schweigen, aber wir haben nicht aufgegeben. Eine Mutter gibt niemals auf. Niemals!“

Ramos Aloni, dessen Töchter Danielle und Sharon, seine Enkelinnen Emma, ​​Yuli und Emilia in Gaza gefangen waren. Sie kamen im Rahmen des Abkommens im letzten November frei. Noch immer sind sein Schwiegersohn David Konio und dessen Bruder Ariel in Hamas-Gefangenschaft. „Vor über einem Jahr sprach ich bei der ersten Massenkundgebung, bei der die Freilassung aller gefordert wurde. Keiner der Hunderttausenden Anwesenden hätte sich damals vorstellen können, dass wir uns 400 Tage nach diesem verfluchten 7. Oktober wiedersehen würden, während unsere Lieben immer noch in Hamas-Gefangenschaft schmachten“, so Ramos Aloni. „Meine Töchter, die nach 50 Tagen zurückkehrten, beschrieben die schrecklichen körperlichen und geistigen Bedingungen der Gefangenschaft und sind sich sicher, dass sie nicht mehr lange überlebt hätten.“

Ramos Aloni mit seiner Tochter Danielle Aloni, Foto: Paulina Patimer

Unter den Rednern gestern war auch der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, der versprach, dass die „die Bundesrepublik Deutschland, unsere Regierung und Millionen Deutsche“ nicht aufgeben würden. „400 Tage, nachdem die Hamas am Morgen des 7. Oktober Männer, Frauen und Kinder brutal entführt hat, empfinde ich tiefe Trauer und Hilflosigkeit. Bislang ist es uns nicht gelungen, alle nach Hause zu bringen. All unsere Arbeit, all die zahlreichen Gesprächsrunden mit denjenigen, die Einfluss auf die Hamas haben, all die diplomatischen und politischen Maßnahmen, die wir und andere Länder ergriffen haben, haben bisher keinen Erfolg gehabt. Ich verspreche den Familien, dass wir ständig darüber nachdenken, was noch getan werden kann. Wir fragen uns immer wieder, ob wir noch etwas tun können. Ich denke jeden Tag an diese Männer, Frauen und Kinder. Wir fordern ihre Rückkehr.“

Botschafter Steffen Seibert, Foto: Paulina Patimer

Während der Demonstration an der Sha’ar HaNegev Kreuzung sprach Lishay Miran Lavi, Ehefrau von Omri Miran: „Vierhundert Tage. Vierhundert Tage Sehnsucht, die sich durch den ganzen Körper brennt. Vierhundert Tage Sorge, die uns Schlaf, Weitermachen und Atmen verwehrt. Für mich ist es ein weiterer Tag in diesem Albtraum, den wir durchleben. Wir kämpfen dafür, dass dieses Thema auf der Tagesordnung bleibt, um die Dringlichkeit zu erklären. Wir reisen erschöpft durch Israel und die Welt und versuchen, andere zu überzeugen. Vierhundert Tage. Aber wir geben nicht auf. Nicht unsere Familien. Nicht unsere Lieben. Nicht unsere Werte. Wir müssen sie in einem Schritt freilassen – einen, um unsere gebrochenen Herzen zu heilen, einen, um alle zurückzubringen, einige zur Rehabilitation und einige für ein ordentliches Begräbnis, einen Schritt, um das Leid dieses Krieges zu beenden. Um aus der Dunkelheit herauszukommen, in der wir seit vierhundert Tagen gefangen sind.“