Trotz Bedrohung: Kairo erwägt diplomatische Beziehungen mit Teheran wieder aufzunehmen

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Der ägyptische Außenminister Nabil al Arabi sagte vor kurzem, sein Land sei bereit, im Hinblick auf den Iran „ein neues Kapitel aufzuschlagen“, und der Anführer der ägyptischen Streitkräfte, Mohamed Hussein Tantawi, verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, die Entfremdung zwischen Syrien und Ägypten zu beenden…

Ägypten betrachtet den Iran weiterhin als Bedrohung, erwägt jedoch die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen

Seit acht Wochen mehren sich die Hinweise darauf, dass Ägypten nach der Ära Mubarak eine Normalisierung seiner Beziehungen zum Iran und zu Syrien anstrebt. Doch deuten andere Entwicklungen wiederum darauf hin, dass der Supreme Council of the Armed Forces (Oberster Rat der Streitkräfte), der das Land gegenwärtig regiert, den Iran immer noch als eine strategische Bedrohung einstuft, and dass die Haltung Kairos gegenüber Teheran sich nicht wesentlich verändert hat.

Die ersten Anzeichen einer möglichen Veränderung in der traditionellen Außenpolitik Ägyptens sind Grund zur Sorge unter den arabischen Staaten, die den Iran der Einmischung in ihre Angelegenheiten und des Einsatzes von Verbündeten wie etwa der Hisbollah und Hamas bezichtigen, um ihre nationale Sicherheit aus dem Gleichgewicht zu bringen und den Einfluss der islamischen Republik in der Region auszudehnen.

Iran – Ägypten: Drei Jahrzehnte gespannter Beziehungen

Ägypten und der Iran haben 1979 die diplomatischen Beziehungen abgebrochen. Damals hatte Ägypten dem abgesetzten Schah politisches Asyl gewährt und mit Israel die Verträge von Camp David unterzeichnet.

Zur Zeit gibt es in den jeweiligen Ländern diplomatische Vertretungen, aber keine Botschaften. Im Verlauf der vergangenen Jahre unternahmen Kairo und Teheran Versuche der Aussöhnung, doch bisher schlugen alle diesbezüglichen Ansätze fehl.

Das sunnitische Ägypten – das den nicht-arabischen, schiitischen Iran beschuldigt hat, den Nahen Osten mit Hilfe seiner Verbündeten, der libanesischen Hisbollah und der palästinensischen Hamas, zu destabilisieren – hat bisher immer als Gegengewicht zu der sich ausdehnenden regionalen Einflussnahme durch die islamische Republik gewirkt.

Die Feindseligkeit erreichte 2009 einen Höhenpunkt, als die ägyptischen Behörden eine Zelle der Hamas zerschlugen, die die Durchführung von Überfällen auf ägyptischem Boden geplant hatte. [1] Der damalige ägyptische Außenminister Ahmed Abul Gheit bezichtigte den Iran des Einsatzes dieser durch ihn geförderten schiitischen Gruppierung, um in Ägypten Fuß zu fassen. [2]

Der Iran seinerseits hat Ägypten wiederholt für die Einstellung des Landes gegenüber der Hamas kritisiert und die Regierung Mubaraks der Kollaboration mit Israel und dem Westen beschuldigt, dies mit dem Ziel, den „palästinensischen Widerstand“ zu unterminieren. [3]

„Ein neues Kapitel“

Seit der Amtsenthebung Mubaraks gab es eine Anzahl von Hinweisen darauf, dass die ägyptische Außenpolitik eine neue Richtung einschlägt, die durch eine positive Verschiebung im Hinblick auf den Iran und Syrien gekennzeichnet wird.

„Die ägyptische Regierung betrachtet den Iran nicht als einen feindlichen Staat,” sagte Ägyptens Außenminister Nabil al Arabi im vergangenen Monat. „Wir schlagen mit allen Ländern ein neues Kapitel auf, darunter auch mit dem Iran ”. [4]

Eine Quelle aus dem ägyptischen Außenministerium erklärte, dass der Plan darin bestehe, die bereits bestehenden diplomatischen Vertretungen aufzuwerten und in Botschaften umzuwandeln. [5]

Im Februar genehmigten Ägyptens neue Herrscher zum ersten Mal seit 1979 die Passage von zwei iranischen Kriegsschiffen durch den Suezkanal, allen Protesten aus Israel und den USA zum Trotz. [6]

An der Front mit Syrien stattete der neue Chef des ägyptischen Nachrichtendienstes einen Besuch in Damaskus ab, um eine Zusammenarbeit in Fragen der Sicherheit zu diskutieren, nachdem Mohamed Hussein Tantawi – der den in Ägypten regierenden Militärrat leitet – Hoffnungen zum Ausdruck gebracht hatte, dass zwischen den beiden Ländern ein neues Kapitel aufgeschlagen werde. [7]

Die Beziehungen Syriens, dem einzigen mit dem Iran verbündete Land in der arabischen Welt, zu Ägypten unter Mubarak waren seit Jahren gespannt gewesen.

Die an eine Anzahl von Führungspersönlichkeiten der Hamas im vergangenen Monat erteilte Erlaubnis, über Ägypten nach Syrien zu reisen, wird von einigen als eine weitere Manifestation der neuen ägyptischen Außenpolitik betrachtet. [8]

„Ägypten strebt nach normalen Beziehungen – nicht mehr und nicht weniger“

Ägyptische Diplomaten erklärten, dass Kairo nach „normalen Beziehungen“ zu Teheran und Damaskus strebe – und nicht etwa nach einer strategischen Allianz. [9]

„Was wir mit Teheran verfolgen, sind normale Beziehungen – grundlegende normale Beziehungen, nicht mehr und nicht weniger,“ sagte eine Quelle des ägyptischen Außenministeriums, nachdem dort eine Reihe besorgter Anfragen aus arabischen Staaten am Persischen Golf eingegangen war. [10]

Was die Beziehungen zu Israel anbelangt, so äußerten ägyptische Quellen gegenüber Ahram Online, dass diese mehr oder weniger dieselben bleiben würden, doch mit einer „Änderung des Tons“. „Die unmittelbare Bereitschaft Ägyptens, israelischen Anliegen und Anforderungen stattzugeben, um die USA zu beeindrucken, ist vom Tisch,“ sagte ein ranghoher Diplomat.

Der Herausgeber der in London ansässigen Zeitung Al Quds Al Arabi, Abd al Bari Atwan, bekannt für seine Kritik an den gemäßigten arabischen Regime, ist der Meinung, dass Ägypten den außenpolitischen Ansatz der Türkei übernehme, d.h. die „Normalisierung der Beziehungen zu allen Nachbarn“. [11]

„Die Einstellung gegenüber dem Iran hat sich im Wesentlichen nicht verändert““

Andere Fachleute führen an, dass der Anführer der Streitkräfte Ägyptens, Mohamed Hussein Tantawi, den Iran immer noch als eine strategische Bedrohung in der Region ansehe und zögere, den versöhnlichen Erklärungen von Außenminister al Arabi im Hinblick auf Teheran den Rücken zu stärken.

Die Ansicht Tantawis spiegelt sich zum großen Teil in einer Erklärung des Supreme Council of the Armed Forces zu Beginn des Monats wider, der zufolge „Ägypten nicht von einem weiteren Khomeini beherrscht werden wird“. [12]

Eine Anzahl ägyptischer Analytiker führt daher an, dass der Wandel in Rhetorik und Ton gegenüber dem Iran nicht unbedingt zahlreiche praktische Implikationen haben könne, da sich die Haltung gegenüber dem Iran in Kairo nicht wesentlich verändert habe. [13]

Vor allem wies Ägypten die Erklärung der Obersten Führers im Iran, Ali Khamenei, entschieden zurück, derzufolge die Revolution in Ägypten eine Fortsetzung der islamischen Revolution im Iran sei [14], und eine vor kurzem von dem in New York ansässigen International Peace Institute (Internationales Institut für Frieden) durchgeführte Meinungsumfrage ergab, dass die Mehrheit der Ägypter nicht nach einer radikalen Veränderung in der Außenpolitik ihrer Regierung strebt. [15]

Darüber hinaus nahm die ägyptische Armee im vergangenen Monat Fahrzeugen unter Beschuss und beschlagnahmte sie. Sie hatten aller Wahrscheinlichkeit nach vom Iran gelieferte Waffen geladen, die sie aus dem Sudan auf dem Weg zu Terrorgruppen im Gazastreifen durch Ägypten transportierten. [16]

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Anmerkungen: