In der Frage des Übertritts von Kindern jüdischer Väter bahnt sich eine neue Entwicklung an. Die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) leitet ein gemeinsam mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland und der Zentralwohlfahrtsstelle entwickeltes Pilotprojekt zur Vorbereitung auf den Gijur (Übertritt zum Judentum) vor…
Die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland bietet Kindern jüdischer Väter Hilfe bei der Vorbereitung auf Übertritte an
Das Projekt wurde in Zusammenarbeit mit dem Oberrabbinat des Staates Israel entwickelt. Infolgedessen, so ORD-Vorstandsmitglied Rabbiner Jaron Engelmayer in einem Gespräch mit der ZUKUNFT, ist eine Anerkennung der aus dem Programm resultierenden Übertritte durch das israelische Oberrabbinat gewährleistet. Auf Grund der beim Pilotprojekt gesammelten Erfahrungen wird zu einem späteren Zeitpunkt über eine eventuelle Fortsetzung und Erweiterung des Programms zu entschieden sein.
Das Pilotprojekt richtet sich an junge Erwachsene im Alter zwischen 18 und 35 Jahren, deren Mutter nicht jüdisch, deren Vater aber Jude und Mitglied einer jüdischen Gemeinde ist. Die maximale Zahl der Projektteilnehmer liegt bei 35 Personen. Im Rahmen des Projekts werden die Kandidaten im Verlauf von zwei Jahren Blockseminare durchlaufen, mit denen ihre Vorbereitung auf den Übertritt gefördert werden soll. Die Seminare finden im Max-Willner-Heim, der Freizeit- und Bildungsstätte der Zentralwohlfahrtsstelle in Bad Sobernheim, statt.
An den Anforderungen für den Übertritt selbst werden, wie Engelmayer betonte, keinerlei Abstriche gemacht. Deshalb setze die Teilnahme am Programm die Bereitschaft des Kandidaten beziehungsweise der Kandidatin voraus, nach dem Übertritt einen orthodoxen Lebenswandel zu führen. Um die Aufnahme passender Kandidaten in das Pilotprojekt sicherzustellen, verlangt die ORD daher das Empfehlungsschreiben eines orthodoxen Rabbiners, der den Kandidaten oder die Kandidatin persönlich kennt. Im Laufe des gesamten Vorbereitungsprozesses werden die Kandidaten vom Rabbiner der für sie zuständigen Gemeinde begleitet und nach Möglichkeit auch von religiösen Familien „adoptiert“, die ihnen die Orientierung im jüdischen Alltagsleben wie im jüdischen Jahreszyklus erleichtern.
Der Übertritt selbst wird vom Beth Din (Rabbinatsgericht) der ORD unter Teilnahme israelischer Dajanim (Religionsrichter) im Einklang mit allen Regeln des orthodoxen Judentums durchgeführt. Allerdings stellt die Hilfestellung, die die ORD den Kandidaten im Rahmen des Programms anbietet, eine halachische Besonderheit dar. Im Gegensatz zu vielen anderen Religionen erkennt das Judentum im Rahmen der so genannten noachidischen Gebote auch andere Wege zu G’tt an und respektiert sie. Nach der Überlieferung bilden die noachidischen Gebote, – sechs Verbote, unter anderem das des Götzendiestes und des Mordes, sowie das Gebot der Schaffung eines Rechtssystems -, die Grundlage des Bundes, den G’tt nach der Sintflut mit der Menschheit schloss. Deshalb wird es für Nichtjuden durch den Übertritt schwerer, ihre Pflicht gegenüber G’tt zu erfüllen, müssen sie doch als Juden 613 Mitzwot einhalten. Daher wird der Übertrittskandidat grundsätzlich erst einmal abgewiesen und muss sich aktiv anstrengen, um die Rabbiner von der Ernsthaftigkeit seines Ansinnens zu überzeugen.
Dass die ORD Kindern jüdischer Väter dennoch bei der Vorbereitung auf den Übertritt entgegenkommt, liegt daran, dass sie als „Sera Israel“ gelten, wörtlich „Israels Samen“, sinngemäß mit „Nachfahren von Juden“ zu übersetzen. Nach Meinung einiger wichtiger Autoritäten des Judentums, wenngleich nicht aller, soll diesen Nachfahren der Weg zum Glauben ihrer Väter erleichtert oder zumindest nicht versperrt werden. Im Falle Deutschlands – ebenso wie Israels – handelt es sich bei den allermeisten Kindern jüdischer Väter um Zuwanderer aus der ehemaligen UdSSR oder deren in der neuen Heimat geborene Nachkommen, doch spielt der Geburtsort der Kandidaten oder deren Eltern in halachischer Hinsicht natürlich keine Rolle.
Weiterführende Informationen zum Pilotprojekt erteilt das Sekretariat der ORD
E-Mail: info@ordonline.de.