Die Idee der beiden revisionistischen Parteien Likud und Israel Beitenu, sich neue Wählerschichten zu erschließen, indem man auch im Ausland lebenden Israelis das Wahlrecht, per Briefwahl, zugesteht, trifft bei den anderen Parteien, außer den National-Religiösen, auf wenig Gegenliebe…
Wahlrecht für Israelis im Ausland
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Ein Schelm wer Schlechtes dabei denkt, doch es ist bekannt, dass viele der extremsten Vertreter einer harten Linie im Ausland leben. Man gibt gerne Millionen für Siedlungsprojekte, ob Har Homa oder Ariel, und wenn daraufhin das ganze Land in Flammen aufgeht, ist das sicher bedauerlich, aber immerhin ist man selbst, samt den eigenen Kindern, davon weniger betroffen. Im Gegenteil, bei manchen dieser Couch-Patrioten hat man den Eindruck, dass ihr eigenes beschaulich-langweiliges Leben durch israelische Helden- und Schreckensgeschichten erst die rechte Würze bekommt.
Ob sie wirklich die Mehrheit sind, kann indes niemand zuverlässig sagen. Es mag so erscheinen, weil die Überzeuger der Überzeugten nicht diskutieren, sondern bestenfalls brillieren und sich gegenseitig applaudieren. Die Rechthaberei wird zum Programm. Natürlich könnten „die Linken“ gegensteuern, doch wenn Anhänger des Links-Zionismus Positionen der israelisch-sozialdemokratischen MeReZ vertreten, wird ihnen ganz schnell klar gemacht, dass Diskussionen nicht erwünscht sind, jedenfalls keine mit unterschiedlichen Meinungen, da man im Ausland nur die Positionen der Rechten vertreten darf. Von der heimischen Couch aus, ob in München, Manchester oder Miami, darf man zwar zum Krieg aufrufen, aber nicht zu Verhandlungen. Man darf den Siedlungsbau unterstützen, aber nicht den Abzug. Da solche Positionen auch von Vertretern der Botschaft, die eigentlich allen Israelis verpflichtet ist, vertreten wird, entstand eine Schieflage, in der „pro Israel“ fast schon mit „pro Likud“ verwechselt werden kann. Die Erbauer des Staates, Ben Gurion, Scharett, Rabin, ganz bestimmt auch Herzl, sie alle wären empört.
Dementsprechend ist auch Ehud Barak, immerhin Verteidigungsminister in der revisionistischsten Regierung, die Israel je hatte, nicht amüsiert: Für ihn kommt es absolut nicht in Frage, dass Israelis, die ständig im Ausland wohnhaft sind, von dort aus auch wählen dürfen. Unter den Umständen, die zur Zeit in Israel herrschen, sollten bei Wahlen nur diejenigen ihre Stimme abgeben, die sich hier bei uns befinden, die also auch alle Gefahren und Lasten auf sich nehmen, die das mit sich bringt, so Barak.
Angeführt wird der Kampf gegen das Auslandswahlrecht aber nicht von der in der Koalition verstrickten Arbeitspartei, sondern von Kadima, der Partei, die sich unter Ariel Sharon vom Likud abspaltete, so dass damals nur noch Bibi Netanjahu mit dem rechten Flügel des sowieso rechts-konservativen Blocks übrig blieb. Heute ist Kadima, als Partei der rechten Mitte, die größte Oppositionspartei. Deren Chefin, Zipi Livni, wirft Liebermann und Netanyahu inzwischen Anti-Zionismus vor: „Was Netanjahu vorschlägt ist anti-zionistisch. Die israelische Regierung steht vor Entscheidungen über Tod oder Leben, Krieg oder Frieden. Die Einzigen, die in Bezug auf unsere Zukunft entscheiden können, sind diejenigen, die hier leben. Wir werden entscheiden, ob es ein Abkommen gibt, oder nicht, und wann man kämpfen muss. Leider haben sehr viele Israel verlassen. Sie sind gegangen, weil sie die Hoffnung verloren hatten. Die Aufgabe der Regierung ist es, diese Hoffnung zurückzubringen, damit sie oder ihre Kinder hierher zurückkehren, und nicht nur, damit sie alle paar Jahre einmal abstimmen“.
Auch Livni geht davon aus, dass klare politische Überlegungen seitens des rechten Lagers hinter dem Vorschlag stehen: „Es gibt machtpolitisch motivierte Berechnungen verschiedener Parteien, die sich auf die Annahme stützen, dass diejenigen, die außerhalb von Israel leben, daran interessiert sind, ein Friedensabkommen zu verhindern. Es gibt hier eine Partei, die gerne in Begriffen von Loyalität und Staatsbürgerschaft spricht, der man aber einfach und klar sagen muss, dass der wahre Ausdruck von Staatsbürgerschaft das Wahlrecht ist. Nach deren Logik sollte es dann aber, ohne Loyalität, auch kein Stimmecht geben. Der Vorschlag umfasst eine ganze Reihe von politischen Schritten, die Premier Netanjahu gerne fördert. Einerseits weil es seinem Koalitionspartner (Liebermann) nutzt, andererseits aus Eigennutz. Man will eine künstliche politische Mehrheit herstellen – mittels derjenigen, die nicht hier leben“.
Livni ist über Netanjahus Initiative so beunruhigt, dass sie den Abgeordneten Zeev Bielsky (Kadima, ehem. Vorsitzender des Sochnuth, der Jewish Agency) mit der Schaffung und Leitung einer Kommission beauftragt hat, die sich um parlamentarische und öffentliche Aktivitäten gegen den Gesetzesentwurf kümmern soll.
Gegen das Gesetz sind im Übrigen auch die Orthodoxen Fraktionen. Dies, weil der Großteil ihrer Anhänger, die in den USA und Europa leben, keine israelischen Staatsbürger sind. Nicht nur SchaS, der „Sefardischen Partei der Torah-Hüter“, auch der UTJ, der „Union für Judentum getreu der Torah“, wird es somit schwer fallen, von dem Gesetz zu profitieren. Ein Zulauf zu Liebermanns „Israel unser Heim“ und Netanjahus „Likud“ könnte sogar die säkulare Mehrheit in der Knesset vergrößern.
Netanjahu und Liebermann werden es also schwer haben, die Hürden der Koalition zu überwinden. Liebermann sagt jedoch, er sei entschlossen. Bei den National-Religiösen, die dem Vorschlag positiv gegenüber stehen, hofft man nun auf 100% Einsatz und freut sich schon auf durchschlagende 100% Erfolg.
Wie ein Kompromiss aussehen könnte, ist fraglich. Aber eigentlich gibt es den schon, denn jeder Israeli, der sich am Wahltag im Lande befindet, kann das Wahllokal in dem seine Daten eingetragen sind, aufsuchen und wählen. Er muss nur kommen. Für briefwahlverwöhnte Europäer mag das erstaunlich viel Einsatz sein, der hier den Israelis abverlangt wird. Manche machen das aber, denn es war schon immer etwas anstrengender Israeli zu sein, egal ob Rechts oder Links.
dg
Auslandswahlrecht mit brieflicher Beteiligung finde ich völlig normal, das kennen viele Länder. Die politische Gesinnung der Wähler sollte bei Wahlrechten weder im In- noch im Ausland eine Rolle spielen.
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