Schlagzeilen aus Berlin: Am 30. Januar 1933…

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Eine deutsche Wochenzeitung wird ein Jahr lang Zeitungsausschnitte aus der Nazi-Ära veröffentlichen, die von einer historischen Analyse begleitet werden Die Schlagzeilen, die von Oma und Opa gelesen wurden…

Aus einem Artikel von Avner Schapira in haArez

Es gibt bestimmte Schlagzeilen, die sich für ewig ins Gedächtnis einprägen. So wie die Schlagzeilen, die zum Beispiel der deutsche Historiker Sebastian Heffner am 30. Januar 1933 in Berlin sah. Auch der Historiker Erich Hobsbaum, der damals ein jüdischer Junge mit marxistischen Tendenzen war, (und der auch heute mit 91 Jahren weiterhin seinen jüdischen Glauben und seinen Glauben an den Kommunismus beibehält), spazierte damals durch die deutsche Hauptstadt.

Nun kehren genau dieselben Schlagzeilen nach Deutschland zurück, und nicht im Traum, sondern in der Form einer neuen Zeitung, die ein Verewigungsprojekt der Naziverbrechen darstellt. Die Wochenzeitung „Zeitungszeugen“, die seit Anfang Januar im Zeitungshandel ausliegt, bringt in jeder Ausgabe deutsche Zeitungsausschnitte aus den Jahren des Hitlerregimes, und ergänzt diese durch Analysen und Erklärungen, die von Historikern verfasst wurden. Die erste Ausgabe, die in einer Auflage von 300,000 Exemplaren an den Zeitungsständen in ganz Deutschland vertrieben wurde, hat Schlagzeilen aus den Tagen um die Machtergreifung Hitlers veröffentlicht.

An der Spitze des Projekts steht der britische Herausgeber Peter McGee. Der erklärte, die „Zeitungszeugen“ seien für Leute gedacht, die in ihrem Leben kein Lehrbuch über zeitgenössische Geschichte lesen würden, dennoch gute Analyse zu schätzen wissen. Die Chefredakteurin der Zeitschrift, die Historikerin Sandra Paweronschitz, erklärte das Bedürfnis, diese Zeitung zu veröffentlichen, mit eindeutigen Worten, die sich an das deutsche Publikum richten: „Von nun an werden Sie die seltene Möglichkeit haben, die Informationen zu lesen, die Ihre Großeltern und Eltern gelesen haben“.
Inzwischen deuten sich aber Probleme an, die die „Pressefreiheit der ‚Zeitungszeugen‘ selbst betreffen: Im Zentralrat der Juden in Deutschland hat man Bedenken geäußert, ob die Veröffentlichung von Schlagzeilen aus den 30er und 40er Jahren sinnvoll ist; die bayerische Landesregierung hat den Vertrieb der Zeitung in ihrem Hoheitsgebiet bereits verboten, da die Urheberrechte zweier Nazi-Zeitungen (Der „Angriff“ und der „Völkische Beobachter“) verletzt worden seien.
McGee, Paweronschitz und ihre Kollegen haben mitgeteilt, dass sie den Beschluss anfechten werden.

3 Kommentare

  1. Ich bin der Meinung, man soll wissen, was damals publiziert wurde. Nur so kann man bei heutigem Journalismus wachsam werden. 
    Neben den alten Schmudelzeitungen sind für den historisch Interesierten auch die Gesetzteswerke im zeitlichen Konnex lesenswert. denn Gesetze sind ja bekanntlich kristallisierte Politik.
    Eine Fundgube ist dabei die Online-Datenbank der österreichischen Nationabibliothek zu historischen Gesetzestexten ab 1780

    http://alex.onb.ac.at

    Ein fesselnder Lesestoff sind die Texte aus der Zeit ab November 1938.
    Banalitäten und Ungeheuerlichkeiten lösen sich hierbei ab. Die Sprache ist sachlicher als die der alten Propagandablätter, aber der Inhalt lässt einen auch heute noch erschaudern, obwohl die Formulierungen juristische Sachlichkeit vermitteln sollen.

    ZB:
    http://alex.onb.ac.at/cgi-content/anno-plus?apm=0&aid=glo&datum=19380004&seite=00002832&zoom=2

  2. Leider werde ich aus dem obigen Artikel nicht ganz schlau, wer ist nun gegen die Zeitschrift „Zeitungszeugen“, die bayerische Landesregierung, oder der Zentralrat? Vielleicht sollte ich noch eine Tasse Kaffee mehr trinken damit meine grauen Zellen in Trab kommen. Wäre nett wenn mich einer von Euch aufklären könnte.Gruß Christl

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