Zunahme posttraumatischer Symptome bei Reservisten

0
102

Ein Forschungsteam der Universität Tel Aviv beobachtete über mehrere Jahre hinweg, sowohl vor als auch während der Militäroperation „Eiserne Schwerter“, das Auftreten posttraumatischer Symptome bei Soldaten in kämpfenden Einheiten während des aktiven Dienstes und nach ihrer Entlassung. Sie kommen zu dem Schluss, dass der Krieg das psychische Leid verstärkt hat und die Zahl der Befragten mit ausgeprägten posttraumatischen Belastungssymptomen auf etwa 12 % gestiegen ist.

Aktuelle Berichte deuten auf ein zunehmendes Burnout unter Reservisten der IDF hin, von denen einige mehrfach und über längere Zeiträume hinweg an Kampfeinsätzen teilgenommen haben. Während die Bereitschaft zum Reservedienst zu Beginn des Krieges noch über 100 % lag, ist sie mittlerweile auf 75 %–85 % gesunken. Als Gründe für diesen Rückgang werden unter anderem die Beeinträchtigung von Beruf und Lebensunterhalt der Reservisten, negative Auswirkungen auf Familien- und Sozialleben, eine Frustration über die ungleiche Verteilung der Dienstlast – ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung wird wiederholt einberufen, sowie ein genereller Rückgang der Motivation im Verlauf eines außergewöhnlich langen Krieges genannt.

Ein weiterer bedeutender Faktor ist der Rückgang der psychischen Belastbarkeit bei Soldaten, die traumatische Kampferfahrungen gemacht haben – insbesondere bei jenen, die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) entwickelten.

Die TAU-Studie, die über mehrere Jahre hinweg das Auftreten posttraumatischer Symptome bei Soldaten in kämpfenden Einheiten untersuchte, wurde auf der „Future of Israel Conference“ der Universität Tel Aviv vorgestellt. Die Forschenden verwendeten eine hebräische Version eines Fragebogens, der als Goldstandard zur Selbsteinschätzung von PTBS-Symptomen gilt. Die Befragten bewerteten dabei selbst die Schwere ihrer Symptome. Die Ergebnisse dieses Fragebogens liefern dabei lediglich eine Einschätzung des Zustands und ersetzen keine formelle PTBS-Diagnose, die nur durch ein strukturiertes klinisches Interview gestellt werden kann. Dennoch zeigen zahlreiche Studien in Israel und weltweit eine starke Korrelation (0,70 bis 0,85) zwischen den Ergebnissen solcher Selbstberichte und klinischen Interviews. Das bedeutet: Wer im Fragebogen schwere Symptome angibt, erhält in der Regel auch in klinischen Interviews hohe Werte.

Prof. Yair Ben-Haim, Foto: Tel Aviv University

Geleitet wurde die Studie von Prof. Yair Bar-Haim, dem Leiter des Nationalen Zentrums für Trauma und Resilienz an der Universität Tel Aviv. Die Forschenden verfolgten den Werdegang von 579 Soldaten, die im März 2019 in eine Infanteriebrigade der IDF eingezogen wurden. Die Teilnehmenden füllten den PTBS-Fragebogen zu fünf Zeitpunkten aus:

1. bei der Einberufung,
2. nach 15 Monaten Dienst,
3. nach 27 Monaten Dienst,
4. sechs Monate nach ehrenvoller Entlassung,
5. 18 Monate nach Entlassung – also mehrere Monate nach Beginn des Iron Swords-Krieges.

Die Ergebnisse zeigen: Je länger der Dienst dauerte, desto höher war der Anteil der Soldaten, die multiple PTBS-Symptome auf klinisch signifikantem Niveau (gemäß DSM-5) angaben.

* Bei der Einberufung litten weniger als 0,5 % der Rekruten an bereits bestehenden PTBS-Symptomen.
* Nach etwa 18 Monaten Dienst – also sechs Monate Ausbildung und neun Monate aktiver Einsatz – lag der Wert bei 2,6 %.
* Gegen Ende der regulären Dienstzeit, nach weiteren Kampfeinsätzen, stieg der Wert auf 4,4 %.
* Sechs Monate nach der Entlassung – entgegen der Hoffnung auf Besserung nach Verlassen der Armee – stieg die Rate erneut auf knapp 8 %. Diese Daten stammen wohlgemerkt aus einer relativ ruhigen Phase ohne Krieg oder größere militärische Operationen.

Der fünfte Erhebungszeitpunkt fiel in die ersten Monate des Iron Sword-Krieges. Etwa 85 % der Studienteilnehmenden waren erneut für den Reservedienst eingezogen worden und nahmen am Krieg teil. Wie erwartet verschärfte der Krieg die psychischen Belastungen, und etwa 12 % berichteten nun von klinisch relevanten PTBS-Symptomen.

Prof. Bar-Haim präsentierte die Ergebnisse auf der „Future of Israel Conference“ und erklärte: „Diese Daten spiegeln einen Jahrgang einer IDF-Infanteriebrigade wider – etwa Fallschirmjäger, Golani oder Givati – die 2019 eingezogen und 2022 entlassen wurde. Während des regulären Dienstes dieser Soldaten befand sich Israel weder im Krieg noch in einer besonderen militärischen Operation. Die Ergebnisse geben also die Schwere von PTBS-Symptomen im regulären Einsatz wieder, hauptsächlich im Westjordanland. Während der Anstieg während des Dienstes als moderat bezeichnet werden kann, zeigt die Studie einen deutlichen Anstieg selbst angezeigter klinischer PTBS-Symptome nach der Entlassung. Die Ursache ist unklar, aber es liegt nahe, dass die soziale Unterstützung und das Zugehörigkeitsgefühl in der militärischen Umgebung nach der Rückkehr in das zivile Leben stark nachließen.“

Der Iron Swords-Krieg habe zu einem weiteren Anstieg geführt, so Prof. Bar-Haim. Rund 12 % der ursprünglichen Stichprobe berichteten von klinisch signifikanten PTBS-Symptome. Diese Zahlen seien nicht überraschend, sondern stimmen mit dem überein, was über posttraumatische Symptome nach intensiven Kriegen bekannt sei – sowohl in der IDF als auch in anderen Armeen. Die Daten würden aber auch unterstreichen, dass sich das israelische psychische Gesundheitssystem in einem Notstand befindet. Entscheidungsträger müssen dringend langfristige Lösungen zur Behandlung der vielen Veteranen mit PTBS entwickeln, betonte Prof. Ben-Haim. Diese müssten über Jahrzehnte hinweg tragfähig sein. Dazu gehöre auch eine beschleunigte und hochwertige Ausbildung von Therapeutinnen und Therapeuten sowie der Aufbau starker regionaler Traumazentren für Veteranen.