Grenzland | Borderlands

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Landschaften wie Galizien, Bessarabien, Podolien oder die Bukowina finden sich heute auf keiner Landkarte mehr. Dort, im Osten Europas, in einem Gürtel zwischen Baltikum und Schwarzem Meer, lebte einst die Mehrheit der europäischen Juden. Während des Zweiten Weltkriegs wurden sie von den deutschen Besatzern und ihren Helfern nahezu vollständig ermordet. Der Kölner Fotograf und Blogger Christian Herrmann dokumentiert die Spuren jüdischen Lebens. Nun ist sein zweiter Fotoband erschienen – erneut mit unglaublich eindrücklichen Bildern.

Verwilderte Friedhöfe, zerstörte oder zweckentfremdete Synagogen, Spuren von Mesusot an den Türrahmen. Es ist eine mühsame Spurensuche, die Christian Herrmann seit Jahren betreibt. Vanished World heißt sein Blog, den man unbedingt besuchen muss, um an dieser Suche teilzuhaben. „In schwindendem Licht“ hieß der erste Band, der aus diesem Blog hervorgegangen ist. Ende 2020 erhielt Herrmann für sein Engagement das Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland. Wohlverdient. Sein nunmehr zweites im Lukas Verlag veröffentlichtes Buch ist nicht nur im Format größer und umfangreicher, sondern auch noch opulenter ausgestattet und hochwertiger gedruckt.

Slonim (Belarus), Beit Midrasch – jüdisches Lehrhaus, 2019, © Lukas Verlag

Bewusst fotografiert Herrmann in Farbe, er wolle „die noch bestehenden Zeugnisse jüdischen Lebens nicht mehr durch Schwarzweiß-Fotografie historisieren und in zeitliche Ferne rücken. Ich wollte sie mithilfe von Farbe der Gegenwart zuordnen.“ In seinem Nachwort betont Herrmann auch die Bemühungen um die Pflege des jüdischen Erbes in Osteuropa, in „sich ständig verändernde Orte, Landschaften und Länder, in denen Juden nicht verschwunden, sondern weiterhin ein Teil des täglichen Lebens sind.“

Christian Herrmann schreibt: „Mich interessierte das Traumatische der Orte, der immer noch spürbare und weiterhin anhaltende Moment der Auslöschung eines gewichtigen Teils der Bevölkerung.“ Diesen Moment festzuhalten, gelingt ihm meisterhaft. Es sind Bilder, die tief in die Seele ihrer Betrachter eindringen.

Christian Herrmann, Grenzland | Borderlands. Jüdische Spuren im Osten Europas | Jewish Traces in the East of Europe, Lukas Verlag 2023, 220 Seiten, 162 farbige Abbildungen. In deutscher und englischer Sprache mit Texten von Samuel D. Gruber und Rolf Sachsse. Enthält ein Booklet mit Erklärungen zu den Fotografien, ISBN 978-3-86732-425-0, € 40,00, Bestellen?

Bild oben: Kischinau (Moldawien), Tor der Leichenhalle mit Einschusslöchern, 2018, © Lukas Verlag