„Die Stadt Köln muss das armenische Mahnmal im Zentrum der Stadt Köln stehen lassen!“

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(c) Herby Sachs, Gedenkfeier am 24.4.2022

Ein Gespräch mit Ilias Uyar von der Initiative „Völkermord erinnern“

12Interview: Jennifer Marken

haGalil hat von der ersten Stunde des Mahnmals an berichtet.  Für unsere Leser, die nicht aus Köln kommen: Was für ein Mahnmal ist da in Köln errichtet worden?

Wir, eine zivilgesellschaftliche Initiative aus Kölner Privatmenschen, haben nach der Resolution des Deutschen Bundestages 2016, der den Völkermord an den Armeniern anerkannt hat, einen wichtigen Impuls der Resolution aufgenommen. In der Resolution heißt es: „Das Deutsche Reich trägt eine Mitschuld an den Ereignissen. Der Bundestag bekennt sich zur besonderen historischen Verantwortung Deutschlands.“ Und dann kommt eine konkrete Aufforderung, es seien „innerhalb Deutschlands Initiativen und Projekte in Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Kultur zu fördern, die eine Auseinandersetzung mit den Geschehnissen von 1915/1916 zum Thema haben.“

Zwei namhafte Künstler haben das Mahnmal umgesetzt. Drei gegeneinander gelehnte stählerne Seiten einer Pyramide tragen an der Spitze einen Granatapfel. Dieser Granatapfel ist aufgeschlitzt, er trägt eine Wunde in sich, die den Völkermord und mit ihr die Leugnung dieses Menschheitsverbrechens symbolisiert. Das Bild des Granatapfels mit einer klaffenden Wunde stammt nicht von uns, sondern wird von der Zivilgesellschaft in der Türkei verwendet, wenn an den Genozid in der Türkei gedacht wird – so zum Beispiel auf dem Taksim-Platz in Istanbul.

In die Platten des Mahnmals, sie bestehen aus Kortenstahl, ist in armenischer, deutscher, türkischer und englischer Sprache folgender Text gelasert:

„Dieser Schmerz betrifft uns alle

Während des 1. Weltkrieges – zwischen 1915 und 1918 – wurden in der heutigen Türkei über eine Million armenische Frauen, Männer und Kinder aus ihren Häusern vertrieben, deportiert und ermordet.


Das Osmanische Reich und die beteiligten deutschen Offiziere unter Führung Kaiser Wilhelm II. tragen die Verantwortung für diesen Völkermord an der armenischen Bevölkerung.


Nur eine entschiedene Ächtung der Entwürdigung von Minderheiten und die Einsicht, dass es weder religiöse, nationale noch ethnische Überlegenheit zwischen den Menschen gibt, kann solche Verbrechen verhindern.“

Auch der Name des Mahnmals ist der Erinnerungsarbeit der türkischen Zivilgesellschaft entnommen: „Dieser Schmerz betrifft uns alle“.

Der Standort des Mahnmals begründet sich mit der Feststellung der Resolution, das deutsche Kaiserreich habe sich an diesem Verbrechen mitschuldig gemacht hat. In Köln nun thront genau jener Kaiser Wilhelm II auf einem Sockel in Sichtweite von Dom und Hauptbahnhof. Wilhelm II trägt nicht nur Mitverantwortung am Völkermord an den Armeniern, immerhin entsandte er 800 Führungsoffiziere in die Osmanische Armee, er ist auch verantwortlich für den Völkermord an den Herero und Nama.

Wir haben vor der Enthüllung des Mahnmals 2018 eine Matinee mit dem Titel „Dieser Schmerz betrifft uns alle. Völkermorde erinnern, Kriege verhindern“ abgehalten. Israel Kaunatjike hat als Hereo-Aktivist zum Völkermord an OvaHerero und Nama gesprochen. Dogan Akhanli, türkischstämmiger Schriftsteller, hat zum Völkermord an den Armeniern, Peter Finkelgruen, jüdischer Schriftsteller und Autor zur Shoah und Nizaqete Bislimi, Vorsitzende des BundesRoma-Verband e.V. zum Genozid an den Roma und Sinti gesprochen. Nach der Matinee wurde das Mahnmal von diesen Rednerinnen und Rednern an seinem Ort in unmittelbarer Nähe zum Reiterstandbild des Kaisers enthüllt.

Letztes Jahr haben Bundesminister Cem Özdemir und Landtagsvizepräsidentin Berivan Aymaz das Mahnmal besucht. Aber schon seit vielen Jahren wächst die Zahl engagierter Persönlichkeiten als Patinnen und Paten, Unterstützerinnen und Unterstützern, unter ihnen die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen, das Schauspiel Köln, das Katholische Bildungswerk, die Lernstätte JAWNE, der Förderverein EL-DE Haus, das KulturForum Türkei Deutschland, der deutsch türkische Menschenrechtsverein Tüday und das Komitee für Grundrechte.

Sie alle haben sich für das Mahnmal an dieser Stelle ausgesprochen.

Das Hin und Her zum Mahnmal in Erinnerung an den Völkermord an den Armeniern im osmanischen Reich 1915 ist für Außenstehende vielleicht nicht so einfach nachvollziehbar – könntest du nochmal den ganzen Prozess zusammenfassen?

Der Kampf um die Aufstellung des Mahnmals geht ins sechste Jahr. Um es nicht allzu verworren zu machen, möchte ich gerne auf die letzten, sehr ereignisreichen zwölf Monate eingehen. Wir hatten das Mahnmal im vergangenen Jahr nach dem Genozid-Gedenktag am 24. April nicht wieder abgebaut, weil wir mit unseren öffentlichen Veranstaltungen, Offenen Briefen, Gesprächen und Zusicherungen, die uns gemacht wurden, nicht weiterkamen und einen toten Punkt erreicht hatten.

Das Mahnmal stand also an seinem Platz und wurde nach einer negativen Gerichtsentscheidung von der Stadt Köln im Sofortvollzug mit einem Gabelstapler abgebaut. Die mediale Aufmerksamkeit nach dem Abbau des Mahnmals war so groß, dass wir von der Oberbürgermeisterin zu einem Gespräch empfangen wurden. Das war im Mai 2022, also vor gut einem Jahr. Frau Reker empfing uns im Rathaus und wir waren über ihre Aussagen positiv überrascht, da Sie keine Vorbehalte gegen das Mahnmal hatte. Sie dankte uns sogar für unsere Arbeit und unsere Hartnäckigkeit. Niemand in der Stadt sei gegen das Mahnmal, jedoch benötigten wir einen demokratischen Beschluss, der die Aufstellung des Mahnmals legitimiere. Wir erwiderten, dass wir mit den Ratsfraktionen im Gespräch seien und schon Zustimmung signalisiert worden sei.

Die Oberbürgermeisterin wies uns darauf hin, nicht der Rat, sondern die Bezirksvertretung Innenstadt/Deutz sei für die Aufstellung von Denkmälern in der Innenstadt zuständig und wir sollten bitte diesen formalen Weg gehen. Ich kann mich noch genau erinnern, wie Sie aus einer Mappe ein Blatt hervorholte und den entsprechenden Paragraphen zitierte.

Oberbürgermeisterin Reker stellte uns die Amtsleiterin für Integration und Vielfalt als „Lotsin“ zur Seite, damit es nicht nochmal vier Jahre bis zur Entscheidung dauere.

Das klingt doch positiv und konstruktiv von der Oberbürgermeisterin..

Ja, absolut. Wir waren auch wirklich der Auffassung, wir hätten nunmehr Gehör gefunden und wollten selbstverständlich einen Antrag bei der BV Innenstadt stellen. Nach dem Gespräch mit der Oberbürgermeisterin hatten wir einen Termin bei unserer „Lotsin“, der Amtsleiterin für Integration und Vielfalt. Da habe ich explizit nochmal nachgefragt, wieso der Rat nicht zuständig sein soll, da das Mahnmal eine über den Stadtbezirk hinausgehende politische Bedeutung habe. Aber es wurde wiederholt, die Bezirksvertretung (BV) sei zuständig.

Also haben wir uns an die BV Innenstadt gewandt. Es gab im September 2022 eine Anhörung zum Mahnmal und am 30.03.2023 eine denkwürdige Sondersitzung der BV Innenstadt. Für diese Sitzung wurde ein gemeinsamer Antrag aller Fraktionen eingebracht. Die zunächst vorgesehene 14-tägige Befristung für die Aufstellung des Mahnmals wurde noch während der Sitzung fallen gelassen, und wir wurden gebeten, mit der Verwaltung eine „rechtssichere Form“ zu finden, um das Mahnmal aufstellen zu können.

Der Antrag der BV wird mit folgenden Worten eingeleitet: „Die Bezirksvertretung Innenstadt erkennt die Wichtigkeit und Dringlichkeit des von der Initiative „Völkermord Erinnern“ vorgebrachten Anliegens an, in Zukunft an zentraler, prominenter Stelle der Stadt an die am 2. Juni 2016 vom Deutschen Bundestag anerkannten genozidalen Verbrechen im Rahmen des Völkermordes an den Armeniern und der Verantwortung Deutschlands zu erinnern.“

Nach diesem Beschluss der BV haben wir bei der Verwaltung sofort um einen Termin gebeten, um diese „rechtssichere Form“ zu finden. In diesem Gespräch Anfang April wurde uns allen Ernstes angeboten, wir dürften das Mahnmal für einen Tag – nämlich am 24. April, dem internationalen Gedenktages – aufstellen.

Gewissermaßen eine Erinnerung to go…

Nicht nur wir fanden dieses Angebot empörend, die BV und der Bezirksbürgermeister Innenstadt, Andreas Hupke und viele andere in der Stadt waren entgeistert.

Ja, das hatten wir dann ja sogleich beschrieben!

Wir haben gegen dieses „Angebot“ protestiert und einen förmlichen Antrag auf Sondernutzung für eine Dauer von drei Jahre gestellt, denn so lange darf eine Sondernutzung gewährt werden. Gleichzeitig haben wir einen Antrag auf vorläufige Duldung des Mahnmals gestellt, bis die Verwaltung unseren Hauptantrag geprüft hat. Ohne mit einer Silbe auf unseren Antrag einzugehen, wurde uns kurz vor dem Gedenktag dann eine Sondernutzung erteilt, allerdings befristet für einen Monat. Die Fraktionen der BV Innenstadt haben auf das skandalöse Verhalten der Verwaltung reagiert und in einem Eilantrag am 27. April nachgelegt, der die Verwaltung bittet, eine Sondernutzung für ein Jahr zu gewähren – bis zum 24.April 2024!

Und wie hat die Verwaltung reagiert?

In dem Sachstandsbericht der Verwaltung stand nunmehr, dass nicht die BV Innenstadt – entgegen der Aussagen von Oberbürgermeisterin Reker und der Amtsleiterin – zuständig sei, sondern die Stadt Köln, wegen der über den Stadtbezirk hinausgehenden Bedeutung. Ob man uns vor einem Jahr mit dem Verweis auf die BV nicht die volle Wahrheit mitteilen wollte oder die Oberbürgermeisterin, die Chefin der Verwaltung also, die Zuständigkeiten nicht genau kannte, kann ich nicht ermessen. Welche von beiden Möglichkeiten schlimmer wäre, möchte ich auch gar nicht abwägen.

Uns wurde dann am 19. Mai mündlich mitgeteilt, es werde zu keiner Verlängerung der Sondernutzung kommen und wir müssten das Mahnmal am 24. Mai 2023 wieder abbauen. Als Begründung wurde uns diesmal aufgetischt, dass die Hohenzollernbrücke für einen breiteren Radweg über den Rhein erweitert werden solle und da würde das Mahnmal stören. Auf die Frage, wieso die Stadt auf der Deutzer Seite der Brücke vor wenigen Monaten zwei große und voluminöse Sitzmöbel aus Beton fest installiert habe, sorgte für rote Köpfe unserer Gesprächspartner aus der Verwaltung.

Bis heute haben wir von der Stadt übrigens keine schriftliche Begründung auf unseren Antrag auf Sondernutzung erhalten, obwohl fast ein Monat vergangen ist. Als wir darauf hin zum Verwaltungsgericht gezogen sind, haben wir im Rahmen der Akteneinsicht festgestellt: Der Verwaltung ging es gar nicht darum, eine rechtssichere Form für die Aufstellung zu finden. Sie haben Mühe und Zeit ausschließlich dafür verwendet, wie das Mahnmal trotz legitimer Beschlüsse der BV Innenstadt verhindert werden könnte und wie es möglichst schnell wieder aus dem Stadtbild verschwindet. Die Gesprächsnotizen der Verwaltung sind wirklich erschreckend und offenbaren ein Obrigkeitsdenken, das eher der wilhelminischen Kaiserzeit entspricht als der Verwaltung einer modernen, vielfältigen und offenen Stadt!

Aus den Akten wird deutlich: wir sollten gar keine Möglichkeit bekommen, das Mahnmal dort aufzustellen bzw. stehen zu lassen! Sämtliche Beteuerungen der Verwaltung, einen vertrauensvollen Diskussionsprozess einzuleiten, entpuppten sich als taktische Manöver zur Verhinderung des Mahnmals.

Wieso nimmt sich die Stadtverwaltung mit einer solchen Vehemenz der Sache an, um sie dann zu verhindern? Werden hier nicht demokratische Prozesse unterlaufen?

Selbstverständlich, die Vehemenz, wie zivilgesellschaftliches Engagement versucht wird klein zu halten, ist wirklich schauderhaft. Dass die
Verwaltung meint, demokratische Gremien dürfen beschließen, was sie wollen, wir fahren unsere eigene Agenda, wird hier besonders deutlich erkennbar.

Aber es gibt da noch etwas anderes als ein undemokratisches Verständnis der Verwaltung. Ich hole etwas aus: Der Verfassungsschutz NRW warnte im April 2023, die Türkei versuche verstärkt auf Entscheidungsträger und Politik in Deutschland Einfluss zu nehmen, insbesondere wenn es um die Armenierfrage oder Gedenkveranstaltungen gehe.

Ja, der Spiegel hatte kürzlich darüber berichtet und wir haben darauf hingewiesenRalph Giordano hatte Vergleichbares bereits 1986, also vor knapp 40 Jahren, erlebt, einschließlich mehrerer Hundert Morddrohungen aus der türkischen Geschichtsleugnerszene.

Das beobachten wir in der Tat schon lange, der Verfassungsschutz hat ja sogar explizit das türkische Konsulat in Köln/Hürh benannt. Wir wissen, da hat sich eine Allianz von DITIB und Aserbaidschanischen Vereinen mit Islamisten, Grauen Wölfen und anderen türkischen Rechtsextremisten zusammengeschlossen, um gegen das Mahnmal zu agieren. Die Stadt hat es in ihren Erwiderungen aus 2018 und 2022 an das Verwaltungsgericht selbst bestätigt, wenn sie argumentierte, dass auf ein Mahnmal zum Genozid an den Armeniern im öffentlichen Raum wegen des „hohen Konfliktpotentials“ bewusst verzichtet wurde. Diese Begründung hat die Stadt Köln vor Gericht selbst abgegeben!

Revisionisten und Genozidleugner, die das offizielle Geschichtsbild Erdogans in Deutschlands durchsetzten wollen, scheinen in Köln also Gehör zu finden, schließe ich daraus. Und sie können sich in der Stadt Köln damit sogar durchsetzen.

Nicht nur in der Verwaltung übrigens: Vor zwei Jahren wurde die AWO vom Konsul aus Köln um ein Gespräch gebeten, er kritisierte die Kooperation der AWO mit unserer Initiative. Er wurde zum Gespräch empfangen, zu dem er neben der offiziellen Leugnungspolitik der Türkei auch Baklava mitbrachte. Immerhin hat sich die AWO nicht von ihrer Unterstützung distanziert. Insofern war das Baklava umsonst. Mal werden türkische Vereine und Verbände vorgeschickt, mal agiert der Konsul höchstpersönlich um die „Armenierfrage“ im Sinne von Ankara zu lösen, es wird auf verschiedenen Wegen und Ebenen agiert.

Zu den türkischen Gruppen, die sich an die Oberbürgermeisterin gewandt haben, gehören Gruppierungen, die vom Verfassungsschutz als eindeutig rechtsextrem eingeordnet werden. Wie kann es sein, dass ihnen trotzdem Gehör geschenkt wird und dass sich andere Verbände mit diesen Leuten zusammentun, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden?

Dass die Perspektive der Nachfahren eines Genozides derart weggewischt wird und die Befindlichkeiten der türkischen Genozidleugner und Revisionisten hier derart das ständische Handeln beeinflussen können, ist ein  Armutszeugnis. Mit diesem Einknicken vor türkischen Ultranationalisten signalisiert die Oberbürgermeisterin, dass in Köln offenbar nichts geschehen soll, was Ankara missfällt. Das Fatale ist: Mit dieser Haltung werden türkische Nationalisten gestärkt und ermuntert, auch künftig maximalen Druck gegen alles auszuüben, was ihnen zuwider ist. Eine Art national befreite Zone, in den zwar alle aus der Mehrheitsgesellschaft den Völkermord an den Armeniern anerkennen und beklagen, ein Mahnmal zum Völkermord dann jedoch wegen dieser Nationalisten nicht stehen bleiben darf…

Wir dürfen nicht vergessen, dass der Genozid kein Ereignis im fernen Orient war, sondern eine vom Kaiser Wilhelm II mit befehligte Aktion. Von einem Typen, der in Köln an prominenter Stelle völlig unkommentiert thront und das Stadtbild prägt. Es ist ein von ihm mit zu verantwortendes Menschheitsverbrechen und somit Teil der deutschen Geschichte.

Gegen die Weigerung der Verwaltung, das Mahnmal über den 24. Mai hinaus stehen zu lassen und sich damit entsprechend dem Beschluss der Bezirksvertretung Innenstadt zu verhalten, sind wir schließlich vor das Verwaltungsgericht gegangen. Mit zwei Klagen:

Zum einen, die Verwaltung solle unseren Antrag auf Sondernutzungserlaubnis auf drei Jahre genehmigen, zum anderen es solle bis zu einer Entscheidung über diesen Antrag das Mahnmal stehen lassen. Das letztere ist ein sogenanntes Eilverfahren.

Was meinst Du, wie das Verwaltungsgericht entscheiden wird?

Das kann niemand sage. Auch wenn das Eilverfahren negativ beschieden werden sollte, geht das Hauptsacheverfahren weiter – was lange Zeit in Anspruch nehmen kann, so dass das Eilverfahren nicht das Ende der juristischen Auseinandersetzung darstellt. Ohnehin finden wir es würdelos, dass uns die Verwaltung von Frau Reker trotz demokratischer Beschlüsse wieder in ein gerichtliches Verfahren zwingt. Der politische Schaden für die Stadt Köln kann mit keinem Gerichtsentscheid aufgewogen werden. Vom desaströsen Imageschaden, den Köln bundesweit davonträgt und dem Vertrauensverlust in der Stadtgesellschaft, von anderen Opfergruppen und von unzähligen demokratischen Vereinen und Institutionen in Köln, die hinter dem Mahnmal stehen, mal ganz abgesehen.

Wie könnte eine Lösung aussehen?

Köln könnte mal über den Tellerrad hinausschauen und würde dann sehen, wie die Stadtoberen in anderen Städten agiert haben. In Jena, Bremen und Neuwied wurden Mahnmale zum Genozid an den Armeniern an prominenten Stellen auf öffentlichem Grund in Anwesenheit der jeweiligen Oberbürgermeister enthüllt. Auch sie waren dem Druck von türkischen Vereinen und Verbänden, die aus Ankara gesteuert werden, ausgesetzt. Bloß haben Sie eine unmissverständliche Haltung eingenommen und nicht herum laviert. Ganz konkret kann sich Köln an der viertgrößten Stadt Israels Haifa orientieren: Der Stadtrat von Haifa hat dem Druck der Türkei nicht nachgegeben und einen entsprechenden Beschluss gefasst. Wenige Wochen nach diesem Beschluss – nicht Jahre später – wurde in diesem Frühjahr ein Platz in Erinnerung an den Genozid offiziell eingeweiht

Wenn der politische Wille, den uns Frau Reker vor einem Jahr im Rathaus mitgeteilt hat, Bestand hätte, müsste das Mahnmal an seinem Platz – in Sichtweite des Reiterstandbildes Wilhelm II – stehen bleiben.

Oberbürgermeisterin Reker hat sich vor einigen Tagen für ein Mahnmal ausgesprochen. Das ist doch eine gute Entwicklung

Selbstverständlich bin ich froh darüber, dass sich Frau Reker nach fünf Jahren erstmalig öffentlich dazu geäußert hat. Schade fände ich allerdings, wenn nun ein neues, vermeintlich ganz großes, umfassendes, aber noch sehr theoretisches Projekt aus dem Hut gezaubert wird, womöglich, um das sehr konkrete Mahnmal „Dieser Schmerz betrifft uns alle“ abbauen zu können. Uns wurde mitgeteilt, das erst 2025 Haushaltsmittel für das „große“ Projekt eingeplant werden. Ein Projekt, das erst nach der Amtszeit von Frau Reker Gestalt annehmen soll, darf nicht als Vorwand genutzt werden, mit dem Gabelstapler das existierende Mahnmal erneut abzutransportieren!

In den letzten fünf Jahren konnte ich bei der Oberbürgermeistern kein großes Verständnis für unser Anliegen erkennen. Wenn sie es ernst meint, spräche nichts dagegen, das aktuelle Mahnmal bis zu einer großen Lösung stehen zu lassen. Alles andere – zumal angesichts der Verhinderungstaktik der letzten Jahre und Monate – wirkt nicht sehr glaubwürdig. Die Stadtgesellschaft steht hinter dem Mahnmal…

Die Kölner Grünen und jüngst die Kölner SPD haben sich in einstimmig gefassten Beschlüssen eindeutig für das Mahnmal ausgesprochen!

… ja, die demokratischen Beschlüsse der zuständigen BV Innenstadt sind eindeutig, und es gibt keinen rechtlichen Grund, schon gar nicht der vorgebliche Fahrradweg über den Rhein am St-Nimmerleins-Tag, der einer Sondernutzungserlaubnis der Stadt Köln im Wege stünde, um das Mahnmal an seiner Stelle zu belassen. Nach der Ankündigung unserer Oberbürgermeisterin wäre das doch der richtige Schritt.

Auch im Stadtrat gibt es Bewegung. Wie ist der Stand der Dinge?

Zunächst möchte ich festhalten, dass die Linke sich schon relativ früh für die Aufstellung des Mahnmals ausgesprochen hat. Die Grünen Köln haben auf einem Parteitag im Mai 2023 die (temporäre) Aufstellung des Mahnmal einstimmig beschlossen. Ebenso hat der Parteirat der SPD Köln für die Aufstellung des Mahnmals mindestens für ein Jahr in einem einstimmig gefassten Beschluss votiert. Vorgespräche mit Verantwortlichen aus der CDU, die wir bereits 2019 geführt haben, stimmen uns optimistisch, dass auch von dort ein klares Meinungsbild für das Mahnmal gibt.

Am Donnerstag wird der Rat der Stadt Köln nun zum Mahnmal beraten. Es liegt ein Antrag der FRAKTION vor, über den in Gesprächen zwischen den demokratischen Parteien sicherlich bereits beraten wird und der hoffentlich zu einem breiten Votum für das Mahnmal führt. Ich lade alle Kölnerinnen und Kölner ein, am 15.06.2023 ab 14 Uhr an der Ratssitzung teilzunehmen und die Beratungen aktiv mitzuverfolgen.

–> Völkermord erinnern