Entsetzen über geplanten Abbau des armenischen Mahnmals

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Bezirksbürgermeister Andreas Hupke appelliert an Kölner Stadtverwaltung

Von Jennifer Marken

Die Kölner Oberbürgermeisterin und die Verwaltungsspitze gefährden langsam das Ansehen der Stadt Köln. Diesen Eindruck zumindest könnte man gewinnen, wenn man sich die Farce um die taktischen Versuche der vergangenen Jahre betrachtet, mit der die Stadt Köln das armenische Mahnmal Dieser Schmerz betrifft uns alle immer wieder zu entfernen versucht.

Vom Beschluss des Deutschen Bundestages zur Anerkennung des türkischen Völkermordes an den Armeniern im Jahr 1915 scheint die Stadt- und Verwaltungsspitze nichts zu wissen. Oder dieser interessiert diese vorgeblich liberale und aufgeklärte Millionenstadt nicht. Sie geben ganz offensichtlich dem Druck türkischer und hiesiger türkischstämmiger Interessenvertreter nach, die den Völkermord weiterhin leugnen und sich selbst als Opfer verkaufen – statt zur mörderischen Geschichte zu stehen.

Die Stadt Köln macht hierbei aus ihren wenig hehren Motiven für ihre Ablehnung des armenischen Genoziddenkmals keineswegs ein Geheimnis, spricht sie doch in ihren Presseerklärungen bzgl. ihrer Abneigung von einem „angesichts der Vielzahl türkischer Mitbürger in Köln sehr sensiblen Thema“. Mit anderen Worten: Kölner Genozidleugner bestimmen, was in Köln als Gedenkkultur zugelassen wird. Deutlicher vermag man das eigene politische und kulturelle Armutszeugnis nicht zu formulieren.

Die türkischen Geschichtsleugner in Köln und bundesweit haben sich zu einem sog. „Initiativforum Türkischer Vereine und Verbände“ zusammen getan, um die Geschichtsschreibung auch 108 Jahre später weiterhin zu verleugnen und umzudrehen – wie das hierzulande Gruppierungen wie die NPD und die AfD tun. Neben teils offiziell im Verfassungsschutzbericht stehenden Gruppierungen wie die Grauen Wölfe, Mili Görüs, Atib, sowie zahlreichen Moscheevereinen um die Ditib gehören dazu auch – was Insidern lange bekannt ist – die Köln-Mülheimer IG Keupstraße sowie türkischstämmige Politiker insbesondere aus der Kölner SPD und der CDU. Dazu gehört auch der Sozialdemokrat Tayfun Keltik, Landervorsitzender der Integrationsräte, der sich bereits 2013 lange gegen eine Studie über den Einfluss rechtsextremer Gruppen wie der Grauen Wölfe auf türkeistämmige Jugendlicher ausgesprochen hatte (KStA 9.4.2013). Auch Keltek inszeniert sich immer wieder als Opfer der Armenier – mehr als ein Armutszeugnis für einen Sozialdemokraten.

Nachdrückliche Appelle für Sensibilität und für das armenische Mahnmal

Bei der Protestveranstaltung am 24.5. war die Atmosphäre dennoch kämpferisch und optimistisch. Mehrere Redner machten unweit der Kölner Hohenzollernbrücke deutlich, dass sie das taktische Lavieren der Stadt- und Verwaltungsspitze inzwischen nur noch als würdelos betrachten. Aber sie seien nicht mehr bereit, eine weitere Geschichtsleugnung hinzunehmen, einen erneuten – fünften – Abtransport des armenischen Mahnmals zu akzeptieren. Dies sei man auch den mutigen Kölnern Ralph Giordano, der bereits vor knapp 40 Jahren über die Verbrechen aufklärt habe, und Dogan Akhanli schuldig. Historische Gerechtigkeit, das war Giordanos und Akhanlis Lebensmotto. Das ist ihr Erbe. Die Stadt Köln hat es offenkundig nicht verdient.

Am 19. Mai nun hatte ausgerechnet das Amt für Integration und Vielfalt – nein, dies ist keine Satire – die Initiatoren des Mahnmals aufgefordert, es zu entfernen. Man habe eine „Sondernutzung“ zwar genehmigt, aber nur für einen Monat. Das sei nun vorbei. Das Mahnmal müsse weg.

Die neue Begründung – irgendwann wolle man die Hohenzollernbrücke durch einen Fahrradweg erweitern -, mutet nur noch hanebüchen an, wie auch Albrecht Kieser und Ilias Uyar von der Initiative wortreich darstellten. Die Begründung – früher gab es bereits andere, gleichermaßen unglaubwürdige Begründungen – müsse dafür herhalten, „um das Mahnmal schnell wieder aus dem Stadtbild zu entfernen“, so Ilias Uyar. Dem stimmte auch Serovpé Isakhanyan, Bischof der armenischen Gemeinde in Köln, zu und hob die außergewöhnliche erinnerungspolitische Bedeutung des Genozid-Mahnmals in unmittelbarer Nähe zur Reiterstatue von Kaiser Wilhelm II hervor, der 1915 „jede Gelegenheit gehabt“ habe, „die Vernichtung der Armenier zu stoppen.“

Eindrückliche Rede von Bezirksbürgermeister Andreas Hupke

Besonders entsetzt und betroffen zeigte sich der rührige Bezirksbürgermeister der Kölner Innenstadt, Andreas Hupke. Hupke, der das ehrenamtliche Amt als Grüner seit 20 Jahren inne hat, hatte auch maßgeblich zur Rehabilitation der Kölner Radrennfahrer Albert Richter und Ernst Berliner in Köln beigetragen.

Andreas Hupke hielt eine nachdrückliche Rede. Seine Erschütterung über die Missachtung des langjährigen parlamentarischen und politischen Engagements für das armenische Mahnmal ließ er deutlich spüren.

Die räumlich zuständige Bezirksvertretung hatte in mehreren Sitzungen und einer Sondersitzung im April diesen Jahres ihren eindeutigen Wunsch formuliert, dass das armenische Mahnmal endlich einen festen, zentralen Ort im Zentrum Kölns erhält.

Hierzu, so Hupke, habe ihn die Verwaltung und OB Reker ausdrücklich aufgefordert. Es sei für ihn wie auch für alle Mitglieder der Bezirksvertretung Innenstadt „nicht nachvollziehbar, dass in einer deutschen Großstadt wie Köln scheinbar kein Platz für ein Mahnmal zu finden“ sei, das an die im Osmanischen Reich unter Beteiligung des Deutschen Kaiserreichs ermordeten Armeniern gedenke.

Die Entscheidung der Stadt Köln berücksichtige anscheinend nicht „die Leitlinien der deutschen Gedenkkultur, die auf Verantwortung für die Vergangenheit und Mahnung für das Heute beruhen. Vom Gegenteil können wir nur überzeugt werden, wenn die Stadt Köln sich in der Lage zeigt, in kurzer Zeit einen dauerhaften – dem Sinn eines Mahnmals gebührenden – Platz für das Mahnmal des armenischen Genozids auszuweisen.“ Nur so könne die Stadtverwaltung unter Beweis stellen, dass sie eine aufrichtige Haltung in Bezug auf die Vergangenheitsarbeit habe.

Die Bezirksvertretung Innenstadt habe von Frau Reker einen eindeutigen Auftrag erhalten, „dass hier eine politische Entscheidung gefällt werden soll.“ Mit ihrem Beschluss hätten sie „der OB eine goldene Brücke gegeben, die sie einfach nur beschreiten muss.“

Da könne er, so Hupke, der Oberbürgermeisterin „nur ganz dringlich empfehlen, da ganz schnell einen Schritt darauf zu zu gehen“ und den Beschluss in den Rat der Stadt Köln zu tragen. Nun dürfe sich „die Oberbürgermeisterin keinen schlanken Fuß machen.“ Dieser Beschluss „kann nicht negiert werden. Kein Volk hat eine Zukunft wenn es kein Gedächtnis hat“.

Abschließend betonte Bezirksbürgermeister Hupke, in Köln stünden „so viele Mahnmäler herum, die keine Genehmigung haben.“ Wenn es eines Dringlichkeitsbeschluss bedürfe, so mache man „auch gerne den Beschluss für drei Jahre“, so Hupke unter großem Beifall.

Die Kölner Grünen, stärkste Fraktion im Stadtrat, hatten kürzlich einstimmig einen eindeutigen Beschluss verabschiedet – „Solidarität und Unterstützung für das Mahnmal im Gedenken an den Genozid an den Armenier*innen“ – in dem sie sich für das armenische Mahnmal im Zentrum Kölns aussprachen. 

Katja Trompeter, Vorsitzende der Kölner Grünen, appellierte eindringlich an die Verwaltung und Reker, „den durch den Beschluss der Bezirksvertretung Innenstadt flankierten Dialog fortzusetzen“ und zeitnah zu einer einvernehmlichen, dauerhaften Lösung zu kommen. Verwaltung und Stadtspitze müssten endlich eine „sehr hohe Sensibilisierung“ bei diesem zentralen erinnerungspolitischen Thema „an den Tag legen“.

Noch hat die Stadt Köln die Chance, ihren Ruf als moderne liberale Großstadt zu retten und sich gegen die geschichtsrevisionistischen Übergriffe fundamentalistischer türkischer Lobbygruppen sowie der Türkei selbst zu verwahren. Das armenische Mahnmal gehört ins Zentrum Köln. Die israelische Stadt Haifa hat am 20.3.2023 ein vergleichbares Mahnmal  – den „Platz des Genozids am armenischen Volk“ – in ihrem Stadtzentrum eingeweiht. Stadtrat Nir Schuber hatte sich für das Projekt eingesetzt. Die Zeremonie fand trotz großen Drucks seitens der türkischen Botschaft in Tel Aviv statt.