Zensur beim Armeesender?

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Während in Deutschland über den Video-Clip des Sängers Joachim Witt diskutiert wird, durch den die Bundeswehr sich verunglimpft fühlt und dessen Indizierung zurzeit durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien erwogen wird, gibt es in Israel einen ähnlichen Fall…

In dem Lied „Inyan shel hergel“ (Eine Sache der Gewohnheit) bezieht sich der Sänger Yizhar Ashdot auf das Leben als Soldat in den Israelischen Verteidigungsstreitkräften (ZAHAL).

Das Lied beginnt mit den Worten:

Lernen zu töten
Ist eine Sache des Moments
Es fängt klein an
Und dann kommt es

Die ganze Nacht auf Patrouille
In der Altstadt von Nablus
Hey, was ist hier unsers
Und was gehört euch

Der Radiosender von ZAHAL (Galej ZaHaL) hat nun eine Mitteilung herausgegeben, der zufolge er das Lied zukünftig nicht mehr spielen wird. Natürlich wird das Thema auch öffentlich diskutiert.

PRO und KONTRA

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=q-NRrB9pbKs#![/youtube]

Eine armselige Entscheidung

Von Shai Golden, Maariv, 15.10.12

Es geht hier nicht um eine unwichtige Angelegenheit. Kunst ist Kunst, Lieder sind Lieder, die Meinungsfreiheit ist die Meinungsfreiheit. Und die Möglichkeiten, die Begriffe „Kunst“ und „Meinungsfreiheit“ auszulegen, sind breit und gehen weit über ZAHAL hinaus und weiter zurück als zum Senderchef Yaron Dekel und sind älter als all jene, die auf diesen Artikel mit Kommentaren antworten werden.

Es scheint, als habe es in dem verrückten israelischen Klima, in dem wir hier leben, keinen Sinn, auch nur zu versuchen zu erklären, wie problematisch, falsch und gefährlich die Entscheidung Dekels ist, das Spielen des Liedes von Yizhar Ashdot im Armeesender zu verbieten, nachdem die merkwürdige Behauptung laut wurde, das Lied „verunglimpfe ZAHAL“. Immer wieder habe ich den Text des Liedes gelesen (das übrigens eines der weniger gelungenen von Ashdot ist) und konnte keinerlei Verachtung, Verunglimpfung oder Hetzerei gegenüber ZAHAL entdecken.

Ich habe dort von inneren Konflikten gelesen, von den Schwierigkeiten, sich zu entscheiden, Selbstqualen, Zweifeln und großen Schwierigkeiten. Ich habe eine Kritik daran gelesen, wie leicht der Finger am Abzug sitzt, an der Korrumpierung der Seele der Tötenden und dem Leid, das dadurch den Opfern zugefügt wird.

Aber Verunglimpfung von ZAHAL? Wo? Warum? Dies bleibt unklar. Vielleicht identifiziert sich Dekel (einer unserer besten Journalisten; ein Mann mit Gewissen und Moral; ein Mensch, dessen Zeit bei der Sendebehörde eine Sternstunde für die „Wahrheit“ im Journalismus war) ein bisschen zu sehr mit seinem Amt als „Kommandant des ZAHAL-Senders“?

Es kann sein, dass Dekel hier zu sehr in die Details gegangen ist, wo das große Ganze hätte gesehen werden müssen. Vielleicht hat er zu schnell das Lied seines Herren gesungen, wo sein Herr das nie von ihm zu verlangen gewagt hätte. Es kann sein, dass sein Herr niemals von ihm verlangt hätte, ein vollkommen legitimes (wenn auch politisches) Lied nicht mehr auszustrahlen, da er genau wusste, zu was für einem Aufschrei eine solche Entscheidung führen würde.

Und so hat also ausgerechnet Dekel sich entschieden zu zensieren, anderen den Mund zu stopfen, ein „Heiliger“ zu sein, wo niemand es von ihm verlangt hat und so seine Amtszeit beim Armeesender durch eine armselige Entscheidung zu beschmutzen. Denn seine journalistische Ehrlichkeit steht außer Zweifel.

Doch auch Yaron Dekel darf sich irren, sogar auf so bittere Weise. Es ist ein Fehler, der vielen Populisten in die Hände spielen wird, ein Fehler, der denen in die Hände spielt, die verbal zündeln und den traurigen Geist unterstützt, der sich in unserem Land breit macht – den Geist, der zwischen Israeli und Israeli unterscheiden, der nur „Freund“ oder „Verräter“ kennt, „einer von uns“ und „einer von denen“ und mehr als alles andere an die sehr dunklen Kapitel der Geschichte der Menschheit erinnert.

Und dieser Geist, der nun die Stimmen des Schmerzes und der gebrochenen Herzen vieler Israelis zum Schweigen bringen will, ist ein Geist, der schon den Flächenbrand in sich trägt. Ein großes Feuer, das die Legitimität einer jeden Stimme verbrennt, die nicht die Stimme der Masse ist, des Machthabers, der „richtigen“ Stimme. Und genau in dieser Stunde ist es die Aufgabe Yaron Dekels und seiner Kollegen, der Öffentlichkeit entgegen zu stehen und zu sagen: „Auch wenn meine Wahrheit anders aussieht als die von Yizhar Ashdod, ist es mir sehr wichtig, dass ihr sie anhört. Denn letztendlich sind wir alle Israelis. Wir alle wollen das Beste für diesen Ort und seine Bewohner.“

Und wer daran zweifelt, verrät Israel sehr viel mehr als jedes Protestlied – das ZAHAL noch dazu überhaupt nicht verunglimpft.

Der Autor ist Redakteur bei Maariv.

Die Freiheit der Kunst und der Legende

Von Ben Drori Yamini, Maariv, 16.10.12

Der rechte Siedleraktivist Baruch Marzel hat ein Lied geschrieben, indem er sich mit dem mörderischen Wesen der Jihadisten auseinandersetzt, die Juden zu „Affen und Schweinen“ deklarieren und damit, wie sie Jugendliche einer Gehirnwäsche unterziehen und sie für Morde gehen Juden rekrutieren. Der Kommandant des Armeesenders hat entschieden, das Lied nicht auszustrahlen, weil es Hass gegen Muslime unterstützt.

Ein wichtiger Journalist schreibt dazu: Es geht hier nicht um eine unwichtige Angelegenheit. Kunst ist Kunst, Lieder sind Lieder, die Meinungsfreiheit ist die Meinungsfreiheit. Und die Möglichkeiten, die Begriffe „Kunst“ und „Meinungsfreiheit“ auszulegen, sind breit und gehen weiter zurück als irgendwelche Zensoren. Es scheint, als habe es in dem verrückten weltweiten Klima noch nicht einmal Sinn, auch nur zu versuchen zu erklären, wie problematisch, falsch und gefährlich die Entscheidung Dekels ist, das Spielen des Liedes von Marzel im Armeesender zu verbieten, nachdem die merkwürdige Behauptung laut wurde, das Lied „verunglimpfe Muslime“.

Natürlich ist diese Geschichte nicht wahr. Marzel hat kein Lied über Muslime geschrieben, der Armeesender hat es nicht ausgestrahlt, und eine Diskussion fand auch nicht statt. Aber irgendwie ist es ja doch geschehen – denn Yizhar Ashdot ist ins Studio des Armeesenders gekommen, um ein Lied zu spielen, in dem darauf angespielt, wirklich nur angespielt wird, dass Soldaten von ZAHAL einfach nur so Palästinenser umbringen würden. In dem Lied heißt es: „Lernen zu töten/ist eine Sache des Moments/es fängt klein an/und dann kommt es/sie sind kein Mann, keine Frau/sie sind nur ein Ding, ein Schatten/lernen zu töten/ist eine Sache der Gewöhnung“.

Das Lied ist von den Märchen von „Breaking the Silence“ inspiriert. Wir sollten uns daher einmal kurz mit den Tatsachen befassen. Die Soldaten von ZAHAL töten nicht nur einfach so aus Gewohnheit. Tatsächlich geht die Zahl der unschuldigen verletzten Palästinenser schon seit Jahren gegen Null. Aber das ist ja unwichtig. Denn es ist in Mode, die Soldaten von ZAHAL mit Dreck zu bewerfen und Lügen über sie zu verbreiten und uns zu erzählen, es handele sich dabei um Meinungsfreiheit und Freiheit der Kunst.

Ich bin für Meinungsfreiheit. Und was ich oben zitiert habe, stammt aus der Feder meines Kollegen Shai Golden, der gegen die Entscheidung des Armeesenders war, die Legende nicht zu spielen. Ich stimme jedem Wort Goldens zu. Ich habe nur eine Frage: Werden er und seine Freunde auch die Verteidigung Baruch Marzels übernehmen, wenn diese die „Meinungsfreiheit“ ausnutzen, um von den Jihadisten zu erzählen, die zum Massenmord an Juden anstacheln?

Das ist eine rhetorische Frage. Mein Kollege Golden weiß, dass es nicht die kleinste Möglichkeit gibt, dass ein solches Lied jemals auf die Plattenteller des Armeesenders oder jeder anderen Radiostation gelangt. Wir sollten daher die Dinge beim Namen nennen: Es geht hier nicht um die „Freiheit der Kunst“. Es geht darum, die Verleumdung von ZAHAL-Soldaten zu schützen. Auch als Ariel Zilber boykottiert wurde, weil er sich für den Rabin-Mörder Yigal Amir eingesetzt hat, war das keine Verletzung der Meinungsfreiheit, da nicht jeder Künstler, jede Hetze und jede Legende es wert sind, im Namen der „Freiheit der Kunst“ geschützt zu werden.

Die Meinungsfreiheit verpflichtet dazu, dass solche Verleumdungen im Rahmen einer öffentlichen Debatte angehört werden müssen. Dort, und nur dort, besteht die Möglichkeit, damit umzugehen, sie zu entlarven. Doch wenn man, anstelle sich einer offenen Debatte zu stellen, nur „Meinungsfreiheit“ ruft, dann ist das scheinheilig.

Denn auch Golden weiß, dass kein Lied aus dem Hause Marzel es jemals auf die Playlist des ZAHAL-Senders schaffen würde. Und das ist gut so. Und auch Golden weiß, dass die Entscheidung gegen Zilber gerechtfertigt war, auch wenn sie die „Freiheit der Kunst“ verletzt hat. Der Hisbollah-Sender „Al-Manar“ sendet antisemitische Propaganda. Der Sender ist in Europa verboten. Der Sender „Al-Aksa“ der Hamas sendet ein Lied, in dem es heißt: „Töte die Juden, töte die Christen, töte die Kommunisten, bis auf den letzten von ihnen“. Auch dieser Sende ist in anderen Ländern verboten. Müssen also die unterdrückerischen Europäer von Golden lernen, was Meinungsfreiheit ist?

Und noch etwas: Als das sehr politische Lied „Ani Achicha“ (Ich bin dein Bruder) von Amir Benayoon veröffentlicht wurde, das sich gegen die Verfolgung der ZAHAL-Soldaten richtet, wurden er auf dem Armeesender von Yael Dan interviewt. Später wurde das Lied nicht mehr ausgestrahlt, und Benayoon selbst klagte, er werde boykottiert. So ergeht es beim Armeesender jemandem, der versucht, den Ruf der Soldaten zu schützen. Es musste nichts entschieden werden. Die Branche wusste schon, wie sie zu handeln hatte. Das also ist die Meinungsfreiheit der Scheinheiligen.

Der Autor ist Journalist und Jurist.

Quelle: Newsletter der Botschaft Israels in Berlin. Die veröffentlichten Kommentare geben nicht grundsätzlich den Standpunkt der israelischen Regierung wieder, sondern bieten einen Einblick in die politische Diskussion in Israel.