Juden in Süd-Tirol: Ausstellung auf Schloss Tirol

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Im Vordergrund steht das Bewusstsein der grossen Verdienste der jüdischen Gemeinde um die Entwicklung und Förderung von Tourismus und Handel in ganz Tirol, besonders aber in Meran und Bozen (Merano u. Bolzano)…

Schloss Tirol Sonderausstellung 2012: ZACHOR
Juden im südlichen Tirol im 19. und 20. Jahrhundert

Die Ausstellung, welche am 5. Juli ihre Tore öffnete, ist dem Alltag der jüdischen Gemeinschaft in Tirol im 19ten und 20ten Jahrhundert gewidmet – ab den ersten Niederlassungen jüdischer Bürger in Meran und Bozen bis hin zur Ankunft einer ständig wachsenden Anzahl jüdischer Touristen, unter denen sich Wissenschaftler, Intellektuelle und Literaten befanden.

Während bei anderen religiösen Minderheiten die Gründung einer eigenen Gemeinde vor allem von der Vielzahl ihrer Anhänger und deren längeren Aufenthalten abhing, unterlag die Entstehung der jüdischen Gemeinde anderen Rhythmen, Motivationen und Gründen. Viele jüdische Bewohner von Hohenems in Vorarlberg etwa mussten aus kaufmännischen Gründen ihre Heimat verlassen und hatten die Genehmigung, sich in Südtirol niederzulassen, erwirkt.

Bereits 1832, als die Stadt noch lange keine touristische Hochburg war, ließen sich als erste jüdische Mitbürger die Gebrüder Daniel, Jacob und Moritz Biedermann in Meran nieder. Sie eröffneten eine Gemischtwaren- und Messerhandlung im Gebäude des Gasthauses „Zur Rose“ – das heutige Palais Esplanade, in dem damals auch das Postamt untergebracht war. 1836 gründeten sie am Sandplatz Nr. 7 die erste Wechselstube, welche im Laufe weniger Jahre eines der respektabelsten und bekanntesten Bankhäuser der Provinz wurde.

Ab der zweiten Hälfte des 19ten Jh.s folgten ihnen zahlreiche Ärzte und Unternehmer jüdischen Glaubens und ließen sich in Meran nieder, bereicherten die kleine Glaubensgemeinschaft und brachten wesentliche Impulse für die Entwicklung des Tourismus ein: Sie bauten Hotels und Lokale für jüdische Touristen hohen Ranges aus ganz Europa und aus Russland und trugen damit wesentlich zum Aufbau Merans als Kurort europäischen Ranges bei.

Am 27. März 1901 wurde in der Schiller-Straße Merans erste Synagoge geweiht; an der Zeremonie nahmen alle Würdenträger der Stadt sowie ein zahlreiches Publikum teil, und die „Meraner Zeitung“ widmete dem Ereignis einen umfangreichen, detaillierten und begeisterten Artikel. Das größte Architektur-Studio Merans, Musch und Lun, hatte die Synagoge unter den aufmerksamen Augen der jüdischen Gemeinde gebaut, die den beiden Architekten alle Informationen zum baulichen Bedarf des Gebäudes gaben, wie z. B. der einer erhöhten Empore mit Aussicht auf die Aula.

Auch die Zahl der jüdischen Unternehmer, Händler, Handwerker, Fotografen und Ärzte, die sich in Meran niederließen, stieg weiter. 1899 z. B. eröffnete der Fotograf Samuel David Wassermann sein Geschäft, die Familie Stützel ihrerseits gründete am Rennweg ein Geschäft für die Damen-haute couture, während 4 neue Geschäfte – drei unter den Lauben, und eines auf der Winterpromenade – sich ausschließlich einer männlichen Klientel verschrieben: zwei Geschäfte der Familie Haber, eines der Familie Kohn und eines der Familie Adler. Der Bedarf an Unterwäsche konnte hingegen im Geschäft der Familie Weil in der Leonardo da Vinci-Straße gedeckt werden. Weiter gab es den Bazar von Ludwig Feldschareck, den Uhrenmacher Josef Mandel in der Freiheitsstraße, das Lebensmittel-Geschäft der Familie Götz in der Meinhard-Straße und den Laden des Tapezierers Imlauf am Rennweg, um nur einige aufzuzählen. In die Schar von Händlern und Touristen reihten sich auch jüdische Schriftsteller, Intellektuelle und Wissenschaftler, unter ihnen Paul Heyse, Franz Kafka, Arthur Schnitzler, Stefan Zweig, Chaim Weizmann.

Die Ausstellung wird das Schicksal der jüdischen Gemeinde auch durch die Zeiten des Ersten Weltkriegs, des Faschismus, der Judenverfolgungen bis hin zur Schoah beleuchten. Und auch der kurzzeitige Aufenthalt fremder, gezeichneter jüdischer Überlebender in Meran, die von der Bricha (organisierte Untergrund-Bewegung, die zwischen 1944 und 1948 Juden die Fluchthilfe und die illegale Einwanderung nach Palästina ermöglichte – unmittelbar vor der Gründung des Staates Israel) ins gelobte Land – Eretz Israel – gebracht werden sollten, wird thematisiert.

Die Ausstellung wird rituelle Gegenstände, Fotografien, Gemälde und Dokumente zeigen, durch einführende und erklärende Texte in Bezug auf Sitten und Gebräuche des jüdischen Volkes zueinander in Beziehung gestellt. Kuratoren der Ausstellung sind Federico Steinhaus und Rosanna Pruccoli.

Kammerhofmuseum Schloss Tirol Sonderausstellung 2012:
ZACHOR – Juden im südlichen Tirol im 19. und 20. Jahrhundert

Bildbeschreibungen

  1. Traueralbum
  2. Deutscher Reisepass (die Schweiz hat das J vorne verlangt, damit die Juden einreisen dürfen)
  3. Taled (Gebetsmantel) Kippha (Gebetskopfbedeckung) Tefilin (Gebetsriemen)
  4. Torahrolle
  5. Jad (Lesezeichen)
  6. Ehering
  7. Samowar der russischen Familie Wiskin aus Riga Foto: Ulrich Egger

Castle Tyrol special exhibition 2012: ZACHOR Jews in southern Tyrol in the 19th and 20th centuries

The exhibition, which is due to open on 5 July, is dedicated to the everyday life of the Jewish community in Tyrol in the 19th and 20th centuries, from the first settlement of Jewish citizens in Meran and Bozen up to the arrival of a constantly growing number of Jewish tourists, including scientists, intellectuals and literary figures. At the forefront is the awareness of the major contribution of the Jewish community to the development and promotion of tourism and commerce in Tyrol as a whole, particularly however in the two cities mentioned above.

While, for other religious minorities, the establishment of their own community depended in particular on the number of their adherents and the length of their residence, the emergence of the Jewish community was subject to different rhythms, motivations and reasons. Many Jewish residents of Hohenems in Vorarlberg for instance had to leave their homeland for commercial reasons and had obtained permission to establish themselves in South Tyrol. As early as 1832, some time before the city became a tourist centre, the brothers Daniel, Jacob and Moritz Biedermann had already settled in Meran as its first Jewish citizens. They opened a mixed goods outlet, also dealing in knives, in the building of the “Zur Rose” guesthouse (today’s Palais Esplanade), which at that time also housed the post office. In 1836 they founded the first exchange office, located at Sandplatz no.7, which in just a few years became one of the province’s most respectable and well-known banking houses.

From the second half of the 19th century onwards they were followed by numerous Jewish doctors and entrepreneurs who settled in Meran, enriching the small religious community and providing a substantial impulse to the development of tourism: they built hotels and restaurants for high-class Jewish tourists from all over Europe and Russia, thus making a major contribution to the establishment of Meran as a European health resort.

Meran’s first synagogue was consecrated in the Schiller Strasse on 27 March 1901; all the city dignitaries and numerous members of the public participated in the ceremony, while the “Meraner Zeitung” newspaper dedicated a long, detailed and enthusiastic article to the event. The largest architecture studio in Meran, Musch and Lun, had built the synagogue under the careful supervision of the Jewish community, who provided the two architects with all the necessary information for construction, such as the requirement for an upper gallery overlooking the assembly. The number of Jewish entrepreneurs, dealers, craftsmen, photographers and doctors in Meran also continued to rise. In 1899, for example, the photographer Samuel David Wassermann began trading, the Stützel family founded their ladies’ haute couture business on the Rennweg, while four new shops – three in the porticos and one on the winter promenade – devoted themselves to an exclusively male clientele, with two businesses run by the Haber family and one each by the Kohns and the Adlers. Underwear was meanwhile supplied by the Weil family on Leonardo da Vinci Strasse. There was also the bazaar run by Ludwig Feldscharek, the watchmaker Josef Mandel in the Freiheitstrasse, the Götz family grocery store in the Meinhard Strasse and Imlauf the upholsterer on the Rennweg, to name but a few. The throng of merchants and tourists included Jewish writers, intellectuals and scientists, among them Paul Heyse, Franz Kafka, Arthur Schnitzler, Stefan Zweig and Chaim Weizmann.

The exhibition will illustrate the fate of the Jewish community through the eras of the First World War, Fascism and the persecution of Jews, up to the Shoah. It also addresses the brief stays of prominent foreign Jewish survivors in Meran who were to be brought to the promised land – Eretz Israel – by the Bricha (an underground organisation that, between 1944 and 1948, enabled the escape and illegal immigration of Jews into Palestine just prior to the foundation of the State of Israel).

The exhibition will display ritual items, photographs, paintings and documents, relating these to Jewish customs and habits by means of introductory and explanatory texts. The exhibition curators are Federico Steinhaus and Rosanna Pruccoli.