
Das Bombengeräusch ist neben mir. Es kracht und knallt, das Haus wackelt und ich zittere wie Espenlaub. Sind Bomben in den Garten gefallen? Krieg ist in Israel im Jahr 2025.
Von Christel Wollmann-Fiedler, Juni 2025
Tamra, ein arabisches Dorf nördlich von Haifa traf es und Menschen wurden getötet. In den Bunker ins Nebenhaus rette ich mich. Am Abend wenn es dunkel wird geht das Inferno weiter. Das Warngeräusch auf dem Handy und die Sirenen bringen mich fast um. Bin ich ein Feigling? Ohnmacht überkommt, niemand und nichts kann helfen.
Ungefähr fast 15 Personen und 2 Hunde, ein großer und ein kleiner, treffen nach dem Sirenengeheul zusammen. Sie beobachten auf ihren Handys, woher und wohin die Raketen gehen, kurz darauf ist das brennende getroffene Haus zu sehen. Krieg im Internet.
Meine Angst ist furchtbar, in meinem Kopf dreht sich die Welt und der Körper zittert. Wie wird das in den nächsten Tagen und Nächten? Die Angriffe aus dem Iran sollen häufiger und stärker werden.
Komme ich aus „meinem“ Israel überhaupt wieder heraus geht mir durch den Kopf. Der Flughafen ist bis auf weiteres geschlossen, die Schiffe können nicht nach Zypern oder Athen fahren. Meine dritte Stornierung meines Fluges nach Berlin ist in meiner Mail zu lesen. Morgen sollte es über Athen nach Berlin gehen. Nicht im Flugzeug, nein, im Bunker werde ich sein. Die Länder in Europa werden touristisch überfallen, in Israel sind mehr Einheimische unterwegs, Fremde meiden das schöne Land an der Levante. Auf die Straße soll niemand gehen, die Telefone bereit halten. Der schrille Warnruf auf dem Handy geht durch Mark und Bein, kurz darauf heulen die Sirenen bei Tag und bei Nacht und schon beginnt die Flucht in den Bunker. Der Strand ist gesperrt, die Kinder gehen nicht zur Schule, das Leben auf der Straße findet kaum statt.
Ja, der Iran macht Ernst, eigentlich sein Wunsch seit 1979 als die Mullahs an die Macht kamen. Netanjahu, der Ministerpräsident von Israel beginnt rundherum Krieg. Nein, nicht überall, denken wir an die Katastrophe am 7. Oktober 2023, denken wir an die Terroristen Hamas in Gaza, denken wir an die terroristischen Huthi im Jemen, denken wir an die Hisbollah aus dem Libanon. Über tausend Israelis wurden getötet, geköpft und vergewaltigt und Menschen nach Gaza entführt. Denken wir an die Geiseln, die schon getötet wurden und an die, die sehnsüchtig von ihren Familien und Freunden erwartet werden. Werden sie lebend herauskommen aus der Hamashölle?
Ich sitze im Bunker und verstehe mein eigenes Leben kaum noch. 1944/45 saß ich das erste und letzte Mal als Kind im Keller der Großeltern. Der 2. Weltkrieg war noch nicht zu Ende und Dresden ging in Flammen auf. Nun sitze ich in einer moderne Zeit, in einem modernen Land als alter Mensch in einem Schutzraum. Rundherum wird Krieg geführt.
Vor Tagen wurde das Weizman-Institut in Rechovot bombardiert, gestern Nacht das Technion in Haifa verfehlt, doch im Wohnviertel gab es Tote. Bis Beer Shewa in der Negevwüste wurde mehrere Mal geschossen und Tel Aviv. Zwei Holocaustüberlebende sollen in Petach Tigwa nicht überlebt haben.
Wie mag es überhaupt den Shoaüberlebenden gehen, die viel Schreckliches hinter sich haben?
Nein, stündlich ist kein Warten auf Godot, es ist warten auf Bombardements. Das Telefon liegt daneben, das Warten auf das Warnsignal und die Sirenen ist Nervensache. In Windeseile muss der Schutzraum erreicht werden.
Schläfrig aussehende Kinder im Pyjama mit ihren Schlaftieren unter dem Arm, so trifft man sich nachts. Eine Gemeinschaft, die im gleichen Boot sitzt, eigentlich im gleichen Schutzraum in Ahuza, in Haifa.
Aus dem Staub habe ich mich gemacht vor lauter Feigheit, habe meine Freunde und die Bunkergemeinschaft im Stich gelassen. Ein ganz mieses Gefühl begleitet mich. Noch nie musste ich aus einem Land fliehen.
Jordanien ist erreicht, das Flugzeug steht in Amman bereit. Die Flugroute wird durchgesagt. Von Amman nach Ägypten, links ist Kairo zu sehen und rechts Tel Aviv, das nicht überflogen werden kann. Weiter sind die berühmten griechischen Inseln zu sehen, dann Thessaloniki, die Türkei, Bulgarien, ein wenig Österreich und Wien. Weiter an Dresden vorbei ins Märkische bei Berlin.
Mein Wunsch, den ich vor zwei Jahren hatte, ist nicht in Erfüllung gegangen.