„Gerechtigkeit, nicht Rache!“

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Eine neue Webseite zum Prozess gegen den NS-Täter Kurt Lischka in Köln 1979/80

Von Roland Kaufhold

„Die NS-Prozesse vor deutschen Gerichten sind eine total hoffnungslose Angelegenheit. (…) Es ist ebenso unmoralisch, solche Prozesse gar nicht, als wie sie aufgrund der Strafprozessordnung zu halten. In beiden Fällen kann nichts als Verzweiflung dabei herauskommen.“
Gershom Scholem (1979)

Es waren denkwürdige Bilder auf Kölner Straßen, die teils bis heute in der Erinnerung nachhallen: Hunderte Franzosen, darunter viele Nachkommen von jüdischen Überlebenden aus Frankreich, liefen Ende 1979 durch das Zentrum Kölns, um gegen drei NS-Täter zu protestieren. Zeitgleich fand in Köln der NS-Prozess gegen die drei Hauptverantwortlichen statt. Dieser NS-Prozess war sogar „erfolgreich“, juristisch – eine große Ausnahme bei den bundesdeutschen NS-Prozessen. 

Viele von den überwiegend französischen Demonstranten trugen KZ-Kleidung, sogar im Kölner Gerichtssaal. Der bekannteste unter den drei Angeklagten war der Kölner Kurt Lischka. Er gilt als der Hauptverantwortliche für die organisierte Ermordung von 70.000 französischen Juden. Und er lebte seit 1958 unter seinem Namen in Köln.

Serge und Beate Klarsfeld waren die Hauptaktivisten bei dem Versuch, doch zumindest einige wenige Schoa-Täter aufzuspüren und der Gerechtigkeit zuzuführen

Die Proteste von jüdischen Überlebenden gegen diese drei ehemaligen SS-Funktionäre erreichten das Bewusstsein der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit. Der kollektive deutsche Versuch, die Shoah und die deutsche Hauptverankerung zu verleugnen und zu verdrängen, wurde durch diesen Prozess und die Proteste kurz unterbrochen. Es ist ein ewiger seelischer Prozess, der heute, wo die letzten Zeitzeugen sterben, andauert. Die Mitscherlichs und Horst-Eberhart Richter haben diese kollektiven deutschen  Verdrängungsleistungen schon ab den 1960er Jahren psychoanalytisch analysiert. 

Von Oktober 1979 bis Februar 1980 fand vor dem Kölner Landgericht am Appellhofplatz der Prozess gegen Lischka, Hagen und Heinrichsohn statt. Diese hatten von 1941 bis 1944 von ihrem Pariser Dienstort aus maßgeblich die Deportation der jüdischen Bevölkerung aus Frankreich organisiert.

Nun erinnert eine professionell gestaltete Webseite an diesen NS-Prozess und dessen Vorgeschichte (vgl. Jens Tanzmann (2022) sowie Kaufhold (2022)) Auf der Website, so heißt es zutreffend auf deren Begleittext, werden didaktische Möglichkeiten der historischen und pädagogischen Aufarbeitung aufgezeigt, vor allem auch aus der Perspektive junger Menschen. Als Verständigungsprojekt zur jüdisch-französisch-deutschen Geschichte konzipiert, regt die Webseite zu Recherchen und Erkundungen an, mit dem Ziel einer fundierten Urteilsbildung über historische Gerechtigkeit.

Die Lischka-Webseite wurde finanziert von der Landeszentrale für politische Bildung/NRW. Die Webseite wurde in einem partizipativen Lehr-Lernprojekt erstellt unter der Leitung von Jens Tanzmann (OStR, Geschwister-Scholl-Gymnasium Pulheim) und Dr. Anne Klein (Lehrstuhl Politikwissenschaft, politische Bildung und Bildungspolitik/Humanwissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln), in Kooperation mit dem NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln, der Synagogengemeinde Köln, der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und der Klarsfeld Foundation/Fils et Filles Déportés Juifs de France, Paris.

–> https://lischka-prozess.info/