Die Taubendichterin

0
347

Heute würde die jüdische Lyrikerin Rivka Basman Ben-Haim 100 Jahre alt werden.

Von Ramona Ambs

Geboren wurde Rivkele am 20. Februar 1925 in Ukmergė, Litauen, wo sie aufwuchs, bis sie gemeinsam mit ihrer Familie ins Ghetto nach Wilna deportiert wurde. Dort schrieb sie erste Gedichte und befreundete sich mit Abraham Sutzkever, der ihr ein lebenslanger Freund wurde. 1943 wurde sie ins KZ Riga-Kaiserwald deportiert, wo sie weitere Gedichte verfasste, die sie schließlich in ihrem Mund, unter der Zunge aus dem KZ schmuggeln konnte. Vater und Bruder kamen während der Shoa ums Leben.

Nach der Befreiung lebte sie zunächst in Belgrad, wo sie Juden bei der Flucht nach Palästina half. Diese Aktion war illegal und die Aktivisten der sogenannten Belgrad-Bricha, darunter ihr Mann, der Maler Schmuel Ben-Haim, wurden von Interpol gesucht. Deshalb nahm Schmuel Ben-Haim dann ihren Nachnamen Basman an (und sie den seinen nach seinem Tode).

1947 kamen auch Rivka und Schmuel nach Israel und lebten im Kibbuz Ha-Ma’apil. Rivka wurde Mitglied der Jiddischen Poetenvereinigung „Yiddisch Young Israel“, publizierte weiterhin vor allem auf jiddish und ihr Mann Schmuel gestaltete viele ihre Bücher. Später lebten sie eine Weile in Amerika und Russland, wo sie sich weiter um die Vernetzung der jiddischen Dichter bemühte. In Israel war sie recht bekannt, bekam auch viele Preise. Außerhalb des Landes kennt jedoch kaum jemand ihren Namen.

Ihre frühen Gedichte beinhalten vor allem scheinbar Alltägliches. Viel Natur, mit Vorliebe auch Tauben, einige biblische Gestalten und die Elemente werden poetisch gereimt. Die Erfahrungen des KZs und der Verfolgung vermag sie erst nach und nach lyrisch umzusetzen. Von ihr stammt der Satz: „„Auch Gott trug einen gelben Stern – wie konnte er dann seine Kinder retten?“

Drei Jahre von ihrem Tod, widmete die damals 95-jährige Rivka Basman Ben-Haim ihren Erfahrungen im Holocaust endlich ein ganzes Buch, A Bliyung In Ash (Eine Blüte in Asche). Das Buch hatte sie ihrem im Holocaust ermordeten Bruder gewidmet. Immer wieder beklagte sie, dass diejenigen, die überlebt haben, eigentlich gar nicht wirklich überlebt haben: „Was war, ist nicht vergangen, es ist immer noch bei uns“.

Rivka Basman Ben-Haim starb am 23.März 2023 und musste so nicht mehr mit erleben, wie am 7. Oktober die Hamas Israel überfiel und erneut großes Leid über das jüdische Volk brachte. In einem ihrer letzten Gedichte heißt es:

Tauben sprechen Jiddisch,
so hörte ich es immer wieder.
Versonnen
schicken sie die Wörter
auf die Erde nieder.
(…)
Ich plauderte mit ihnen
und bedachte zärtlich ihr Fliegen
mit einem jiddischen Wort.