Ein Wahlvorschlag zum 23. Februar 2025, aufbauend auf einer Analyse des Geschichtsrevisionismus der Neuen wie Alten Rechten unter der recht einfachen Frage: „Was geschah Ende 1944 bei Malmedy?“
Von Christian Niemeyer
Dieser 2021 erstmals veröffentlichte (1), nun, zu den Bundestagswahlen am 23. Februar 2025 aktualisierte Text (2) vertritt die Ausgangsthese, US-Vizepräsident JD Vance hätte besser daran getan, sich am vergangenen Wochenende auf der Munic Security Conference von Olaf Scholz die Sache mit dem „Vogelschiss“ (Alexander Gauland) erklären zu lassen, anstatt mit der von Elon Musk gelobten Gauland-Schülerin und SA-Verehrerin Alice Weidel („Alice für Deutschland!“ (3)) zu reden. Warum auch – vertritt sie doch, wie ihre dank Björn Höcke geschichtsrevisionistische Partei, eine Art toxischen Antiamerikanismus. Die Sache selbst ist längst bekannt, wird, etwa auf hagalil.com im Lexikon Rechte(s) von A-Z, auf breiter Front in zahlreichen Folgen erörtert, etwa im Lemma Antiamerikanismus (4) indes: Man (auch Mann) kann nicht alles lesen, mehr als dies: Könige, auch jene „von Amerika“, wie der Spiegel (Nr. 8/2025) am Wochenende lästerte,
müssen nur schlau, nicht gebildet sein; zumal wenn, wie im vorliegenden Fall, ihr Vorname Erwartungen dieser Art deutlich dämpft, wie bei Trump, Vorname Donald, wahrscheinlich. Und bei Herkunft aus der „Money-makes-the-world-go-round“-Silicon-Valley-Blase gleichfalls. Von wem oder was ich rede bei diesen nur klugen, nicht wirklich intelligenten Machiavellis für Arme im Geiste und an ihrer Seele? Nun, vielleicht rede ich ja, etwas gehobener und also Sebastian Kurz als eine Art Lehrling dieser Firma einbeziehend, von der „postdemokratischen Philosophie“ des 1967 in Frankfurt/M. gebürtigen Investors und Milliardärs Peter Thiel, Bruder im Geiste Elon Musks und als Macher von JD Vance ins Gerede gekommen, konkret und seit den Novemberwahlen: als Ideengeber einer aktuell die USA übernehmenden Oligarchen-Clique, mit Trump als Steigbügelhalter für Cowboys dieser Art, über welche Lucky Luke nur gelacht hätte (und es in seinem letzten Heft auch tut).
War dies, also diese recht offen zutage liegenden Zusammenhänge, also der heimliche Grund dafür, dass JD Vance, also der „Vize-König“ von Amerika, auf den Vornamen James David getauft, das Kürzel JD bevorzugt? Um Überneugierigen den Trost zu belassen, er erinnere bewusst derart an James Dean, an dessen größte Rolle im Anti-Evangelikalen-Drama East of Eden (1955) des Nobelpreisträgers John Steinbeck? Um schon einmal ein Zeichen zu setzen, wo es mit ihm als Nachfolger Trumps, etwa nach dessen Ableben, hinginge: nämlich zurück, ins Land Eden, das Land der Guten?
Unwahrscheinlich, diese Vision? Warum eigentlich – zumal noch weitere Zeichen in diese Richtung weisen. So ist das Kürzel JD nicht gar so weit entfernt vom Kürzel JFK, als dass ich, der 32 Jahre Jüngere, nicht fast unvermeidlich an das Attentat von Dallas denken müsste, das mir zu einem vergleichbaren Trauma geriet wie James Deans Tod im Porsche. Oder Winnetous Tod in Winnetou II; sowie jenen auch noch Robert Kennedys. Insoweit: Ja, was JD Vance angeht, ging meine zweite Assoziation in die Richtung, JD sei in Wirklichkeit eine Art JFK II und seine märchenhafte Second Lady aus Indien eine Art zeitgemäße Reinkarnation Jackies. Zumal die beiden Söhne (ohne ihre vierjährige Schwester) auf der Gangway seines Fliegers in München am letzten Freitag das Gesamtkunstwerk fast schon ins Übermenschliche hoben – wäre da nicht jenes hiermit ins Zentrum gerückte missing link: Wie nur konnten zwei Uni-Überflieger, vereint in einer Ehe, nur den toxischen Antiamerikanismus als Teil der AfD-DNA übersehen? Nur, weil es 2021 sowie 2023 nicht mit der Übersetzung meiner über die AfD hinreichend aufklärenden Schwarzbücher ins amerikanische Englisch nicht geklappt hatte?
Eine rhetorische Frage. So dass sie rasch verflog, meine Begeisterung ob dieses brillant aussehenden Vierzigjährigen, der, wäre seine Maschine aus Versehen nicht in München, sondern in Berlin-Tempelhof gelandet, womöglich von der Gangway aus der Mitte seiner dort versammelten Familie gerufen hätte: „I take proud in the words: ‚Ich bin ein Berliner!‘“ So dass die damit angesprochene zweite seiner Seiten, die gute, ihn das Richtige sagen ließ am falschen Ort; so ähnlich wie das Falsche am richtigen Ort, München. Denn natürlich passte zu München ein Abstecher ins KZ Dachau unter dem Gesichtspunkt des Richtigen – aber doch nicht unter dem Gesichtspunkt des Ortes, wie sich JD Vance am Samstagmorgen von Olaf Scholz vorhalten lassen musste, der die diesem Ami offenbar unbekannte Vokabel „Vogelschiss“ des Weidel-Förderers Alexander Gauland bemühte, um ihm das Unmögliche seines Kompliments für die AfD vor Augen zu führen. Dass ihm dies gelang oder andere erfolgreich darin waren, Weidel den heimlichen AfD-Vorsitzenden Björn Höcke als potentielles Kabinettsmitglied auszureden, wird man nicht sagen dürfen, so dass hier nun ein zweiter Versuch unternommen sei, Vance dem Gericht seiner hochintelligenten Frau zu unterwerfen und mithin der Einsicht zuzuführen, er sei in der falschen Partei und diffamiere mittels seiner jetzigen das Vermächtnis der US-Veteranen des II. Weltkrieges, also Arlington.
Sollte dieser Plan vom Typ „Erziehung nach Auschwitz für vierzigjährige Nachwuchspolitiker aus den USA“ schief gehen und Vance weder Niemeyer lesen noch ihm schreiben, bliebe mir doch immerhin der Trost, es wenigstens versucht zu haben. Was noch einmal versucht, genauer geredet? Nun, etwas radikal gesprochen, also altersgerecht: Ich versuche im Folgenden, den durch Beiträge wie den folgenden bewirkten Zusammenbruch des in Aufbau befindlichen Königreichs Amerika durch Flucht des Vize-Königs sowie seiner Familie inklusive seiner betörenden Gattin ins Reich der Demokraten, und läge dieses vorübergehend in Europa, also im Exil. „Eine Revolution also, Herr Jauch!“ Wie die Werbetante jeden zweiten Tag im Fernsehen fragt? Sorry, ich bin nicht Herr Jauch, der im Übrigen sehr nett ist, aber von Revolutionen keinerlei Ahnung hat. Ich bin nur ein Linksnietzscheaner, der sich, führe er Tesla, jetzt zu Tode schämen würde.(5)
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Gehen wir nach dieser Rahmung in medias res, und zwar am Beispiel des nur zwei Druckseiten umfassenden, vom neu-rechten Chefideologen Erik Lehnert (6) verfassten Eintrags 1951. Am 7. Juni finden in Landsberg die letzten Hinrichtungen von Kriegsverbrechern in Deutschland statt aus dem Staatspolitischen Handbuch. Bd. 5. Deutsche Daten, 2017 erschienen im von Götz Kubitschek geführten Verlag Antaios in Schnellroda, wo seit 2000 das 2024 abgewickelte und von Kubitschek sowie Karlheinz Weißmann gegründete Institut für Staatspolitik (IfS) beheimatet war. Meine These: Diese zwei Druckseiten des Volker-Gerhardt-Schülers Lehnert von der Berliner Humboldt-Uni gehören zu den wohl raffiniertesten Versuchen, SS-Thematiken und -Belange zu erörtern, ohne dass es einer merkt (eine Rechnung ohne Wirt, wie im Folgenden deutlich gemacht werden soll). Im Vergleich etwa zum neu-rechten Ideologen Thorsten Hinz, der von Ernst von Weizsäckers Mitgefühl „mit den Opfern des Malmedy-Prozesses“ redet, „die aufgrund erfolterter Geständnisse von einem US-Militärgericht wegen der angeblichen Ermordung amerikanischer Kriegsgefangener verurteilt worden waren“ (Hinz 2012: 285) – aber damit in der Falle steckte, also hätte beantworten können müssen, wie er die Sache denn sieht. Was ihn zu Doxa nötigte, also zur Beteuerung, er sähe die Sachen so wie Weizsäcker (immerhin ein zum Tode verurteilter Kriegsverbrecher).
Weit raffinierter Lehnert, der die Sache im Ergebnis ähnlich sah wie die beiden Vorgenannten, aber den Weg über die Hintertreppe bevorzugte, weil er um die Waffen-SS-Analogie der Botschaft wusste und um das Gefährliche, mit Beweisstücken dieser Art unter dem Arm in der Mensa erwischt zu werden. Also steigen wir ihm, diesem Klandestinen, über die Hintertreppe nach, in der Hoffnung, ihn in flagranti erwischen zu können. Der beste Zugang dabei, auch, um die Leser*innen da abzuholen, wo sie stehen: Fragen wie: Worum geht’s? Noch einfacher: Was ist Malmedy?
Malmedy meint zunächst einmal einen Ort in Belgien, in unserem Kontext: ein von der SS begangenes, als solches heutzutage nicht mehr in Zweifel stehendes (vgl. etwa Knopp 2003: 317 ff.) Massaker (7) zu Beginn der von Hitler unter denkwürdigen Umständen und mit obskuren Hoffnungen auf einen so doch noch erreichbaren Endsieg (vgl. Neumann/Eberle 2009: 265) angeordnete Ardennenoffensive – das einzige deutsche Kriegsverbrechen übrigens, das in den 226 erhaltenen (8) und 1968 nach Deutschland zurückgegebenen Bänden der WUSt erwähnt wird (vgl. Zayas 1979: 27), mit abschlägigem Ergebnis seitens des Auswertenden, etwa des an sich über jeden Verdacht erhabenen US-Völkerrechtlers Alfred de Zayas aus der Vertriebenen-Uni-Hochburg Göttingen.
Zu den entscheidenden Daten und Zahlen in der Welt der Worte vollen falschen Zaubers: Das von 15 Überlebenden berichtete Massaker vom 17.12.1944 südlich von Malmedy an ungefähr 190 US-Soldaten durch 77 Angehörige der Panzergrenadierdivision Leibstandarte-SS Adolf Hitler (LAH), unter ihnen SS-Obersturmbannführer Joachim Peiper, habe nicht stattgefunden, Punkt. Der Bericht sei unwahr, es habe sich „nicht um eine vorsätzliche völkerrechtswidrige Gefangenentötung [gehandelt], sondern um ein Kampfesgeschehen.“ (Zayas 6-1998: 215) Gute Voraussetzungen also aus alt- plus neu-rechter Sicht, ausgerechnet Zayas mit einem ausgerechnet von Michael Vogt realisierten Dokumentarfilm (Kriegsverbrechen 1939 bis 1945, Teil I und II, ARD 1983) zu diesem Thema zu betrauen und diesen dann auch zu realisieren, zusammen ausgerechnet mit dem vormaligen SSler Wolfgang Venohr als Ratgeber, wie Zayas leutselig in seinem Nachruf auf den mit Filmprojekten wie diesem einschlägig Erfahrenen (vgl. Bohr 2018: 391) im Februar 2005 erläuterte. Wo erläuterte? Nun, natürlich in der ganz weit neu-rechts platzierten Jungen Freiheit. (www.jungefreiheit.de 06.05 04. Februar 2005) Und wo könne man einen Film ähnlich jenem von 1983 kaufen? Nun natürlich, und zwar seit 1. Januar 2011, im Kopp Verlag, wo, unter dem Titel Verbrechen an Deutschen. Tabuthema der Political Correctness Vogt und Zayas erneut in Sachen Geschichtsrevisionismus in die Bütt steigen, diesmal pro Erika Steinbach, Vertriebenenideologin, vormals CDU, die, so Zayas, überfällig sei in Sachen Friedensnobelpreis. Nebst Zayas selbst, der auf geradezu erschütternde Art zu klagen weiß ob der Zurücksetzung, die er im Verlauf seiner Karriere zu ertragen hatte nur seines Mutes wegen, mit dem er dafür focht, dass die permanente Klage im Stil der 68er über die Täter=Väter-Generation endlich ein Ende haben müsse.
Zu derlei Selbstgefälligkeit trotz kompletter Unwilligkeit zum wissenschaftlichen Denken passt übrigens, dass Zayas, den die FAZ eine Zeitlang als ihren Hauskritiker in Sachen NS aufbauen wollte, im Zuge seines Protestes gegen die 1978 durch den Fall Hans Filbinger aufgekommene Debatte um die zahlreichen Todesurteile gegen Deserteure dartun wollte, „daß die Wehrmachtsjustiz, wie keine andere Militärjustiz im Zweiten Weltkrieg, in Tausenden von Fällen im Sinne der Haager und Genfer Konvention eingeschritten ist – und zwar zum Schutze der Zivilbevölkerung in besetzten Gebieten.“ (Zayas 1997: 175) Der Kommentar zum Fall Filbinger im hier in Rede stehenden Bd. 5 des Staatspolitischen Handbuchs (von 2017) stammt vom neu-rechten Autor und Übersetzer (u.a. von Jack Donovan) Nils Wegner, noch einer aus dem Think Tank der AfD, der Vokabeln wie „massiv skandalisiert“ oder „Anprangerung“ von Äußerungen Filbingers „zur Gültigkeit des allgemeinen Kriegsrechts“ ins Zentrum rückt, nebst Ausdrücken wie „Kampagne […] im Kontext einer geschichtspolitischen Einengung zugelassener Sichtweisen auf die deutsche Vergangenheit“ (SH 5: 191) – als sei das Bemerkenswerte an diesem Fall die Einschränkung der Meinungsfreiheit der über diesen Fall Redenden gewesen, nicht aber etwa das seinerzeitige Tun des Täters (9) und seine nachträglichen, auch durch seinen Amtsnachnachfolger Günther Oettinger (CDU) am 11. April 2007 fortgesetzten abstrusen Versuche zur Verleugnung von Filbingers Verantwortung für das Geschehene bei gleichzeitiger Leugnung seiner damaligen Übereinstimmung mit der NS-Ideologie – was infolge posthum gefundener Tagebücher widerlegbar scheint.
Soweit also ein erster Einblick in die geistige Welt, der Weißmanns Liebling Lehnert zugehört. Dominierend dabei der Blick auf den 7. Juni 1951 und dessen Vorgeschichte, also die Ardennenoffensive. Deren Scheitern zum Jahreswechsel 1944/45 hatte die Umstellung der NS-Kriegsstrategie von „Festung Europa“ – immerhin ein Lieblingswort der Neuen Rechten – auf „Festung Deutschland“ zur Folge. Dass es auch um diese Vorgeschichte zu gehen hat, wird in Lehnerts Handbuchartikel nicht recht klar. Auch den eben erwähnten Namen Peiper sucht man vergeblich, muss sich also selbst auf die diesbezügliche Spurensuche machen: Am 16.7.1946 in Landsberg wg. Tötung von US-Kriegsgefangenen zum Tode verurteilt, aber am 22.12.1956 entlassen, reüssierte Peiper in der Folge über alte Kameraden als Werbeleiter bei Porsche, war mithin, wie auch sein Tod offenbart (10), alles andere als ein unbeschriebenes Blatt, reüssierte gleichwohl nach Wegfall der Bewährungsauflagen im Sommer 1958 als Geschichtsexperte in Sachen Malmedy sowie Ardennenoffensive. So beriet er beispielsweise John Toland bei dessen eben diese Offensive behandelnden Weltbestseller Battle: The Story of the Bulge (1959), in welchem das Malmedy-Massaker auf wenige Zeilen zusammengestrichen und Peiper als Oberst Martin Hessler Züge eines „schneidigen, jungen Anführers“ zeigt, legendär wegen seiner „unbekümmerten Kritik an Generalen wie seinen wagemutigen Panzerattacken in Rußland.“ (zit. n. Westemeier 2014: 570) In der Verfilmung, deutsche Version Die letzte Schlacht (1965) mit Henry Fonda, fehlt das Malmedy-Massaker komplett, es wurde erst 2014 in die DVD wieder eingefügt.
Weitere von SS-Veteranen beratene (Dreh-)Bücher aus US-amerikanischer Produktion mit bagatellisierender Tendenz in puncto der NS-Kriegsverbrechen sind Zeichen des Werbens um den nun, im Kalten Krieg, dringend benötigten neuen Bündnispartners. Zu denken ist vor allem an Cornelius Ryans Der längste Tag, 1962 mit Weltstars wie John Wayne, Robert Mitchum und Henry Fonda verfilmt, des Weiteren mit Curt Jürgens in der Rolle eines Generals, suggerierend, der Krieg sei verlorengegangen, weil „sich im OKW keiner traute, den Führer zu wecken.“ Eher schlimmer verhielt es sich mit Ryans nächstem, gleichfalls von SS-Veteranen beratenen Film Die Brücke von Arnheim (1977), mit Maximilian Schell in der Rolle eines fürwahr „blendenden“ SS-Kommandeurs (Wilhelm Bittrich [1894-1979]) sowie „Hardy Krüger, in schwarzer Uniform mit Ritterkreuz wie einem SS-Bilderbuch entstiegen.“ (Westemeier 2014: 572) Im nämlichen Jahr bekam man auf ARD die Fernsehdoku Malmedy oder das Gericht der Sieger (1977) zu sehen, gleichfalls beraten von einem Ehemaligen und insoweit folgerichtig zu einem negativen Bescheid gelangend in der Frage, ob man tatsächlich von einem Massaker reden könne. (vgl. Bremm 2018: 281) Dass neu-rechte Ideologen wie Martin Lichtmesz (2010) auch diese Aspekte verleugnen und das Gegenteil behaupten, also von durch Schuldvorwürfe gegen die Deutschen geprägten US-Filmkultur der unmittelbaren Nachkriegszeit meinen reden zu dürfen, ist nichts weiter als Ideologie, basierend auf Ignoranz gegenüber den wichtigsten Forschungsarbeiten (etwa Gallwitz 1999) zu speziell diesem Thema – und dessen Fortsetzung im bis auf den heutigen Tag in Zeitschriftenkiosken ausliegenden verherrlichen Schriften zur Waffen-SS aus dem rechtsextremen Arndt-Verlag von Dietmar Munier. (vgl. Westemeier 2018: 287)
Lehnert selbst zog in diesem von ihm extrem klandestin geführten Spiel eine etwas andere Karte, erklärt, dies sein erster Schritt, mit einem auf den Malmedy-Prozess bezüglichen, von ihm nicht ausgewiesenen Spiegel-Artikel die amerikanische Militärgerichtsbarkeit für unseriös, insofern „ehemalige Verkäufer, Vertreter oder in anderen der Ermittlungsarbeit durchaus nicht verwandten Berufen Beschäftigte die Voruntersuchungen durchführten und auch die Anklage im Prozeß vertraten“ (zit. n. Lehnert in: SH 5: 174), um noch hinzuzufügen, dass „es durchaus nicht eine Frage des Rechts war, wer an den Galgen mußte.“ (ebd.)(11) Kurz: Lehnerts Interesse geht erkennbar auf den Nachweis, man habe es im Fall des Malmedy-Prozesses, wie schon Kumpel Thorsten Hinz (2012) insinuiert hatte, mit Siegerjustiz zu tun. Damit folgt er der Substanz nach Zayas, den er allerdings nicht erwähnt, ebenso wenig wie dies die einschlägige Forschung tut – allerdings mit sehr viel besseren Gründen: nicht, wie im Fall Lehnert zu vermuten, in Verdeckungsabsicht, sondern weil diese Quelle inzwischen als unseriös gilt, wie exemplarisch am Beispiel einer von Thomas Raithel stammenden, von Lehnert gelisteten, aber nicht ausgewerteten, 2009 erschienen Dokumentation studierbar, erstellt im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin. Raithel nämlich resümierte, unter Einbezug des Malmedy-Prozesses, der „letztlich keine Hinrichtungen zur Folge [hatte]“ sowie mit Seitenblick auf den von Lehnert beigezogenen Spiegel-Artikel:
„[E]ine pauschale Diskreditierung der strafrechtlichen Ahnung von NS- und Kriegsverbrechen in der US-amerikanischen Zone, wie sie zeitgenössisch in weiten Teilen der westdeutschen Öffentlichkeit verbreitet war, [ist] nicht statthaft.“ (Raithel 2009: 35)
Hätte sich Lehnert im Geiste des ihm 2006 verliehenen Doktorgrades der Humboldt-Universität zu dieser sowohl durch das Bayerische Staatsministerium der Justiz als auch durch das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Justiz finanzierten, auch mittels einer dreijährigen Projektstelle geförderten und Ende 2006 im Wesentlichen abgeschlossenen Dokumentation deren Ergebnissen gegenüber verhalten, wären durch eigene Forschung gesicherte Gründe vorzutragen gewesen, die für die Statthaftigkeit des Inzweifelziehens dieses insoweit markierten Forschungsstandes sprechen. Lehnert tat nichts dergleichen, ignorierte vielmehr Raithels Studie sowie die gleichfalls von ihm nur gelistete, noch einmal dreizehn Jahre ältere großartige Gesamtdarstellung (12) von Norbert Frei (1996).
Lehnerts hier in Rede stehender Handbuchartikel entpuppt sich insoweit im Sinne der Ausgangsthese als extrem verschlüsselte und nur vom Experten zu dechiffrierende SS-Verteidigungsschrift nach Art der am Volkstrauertag 1976 am Ehrenmal des I. Panzerkorps in Marienfels gehaltenen. An diesem Tag – die französischen Behörden hatten die sterblichen Überreste des im Juli in seinem Haus Verbrannten noch nicht freigegeben – bezeichnete Hubert Meyer (1913-2012) als Begründer der „Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Angehörigen der ehemaligen Waffen-SS“ (HIAG) vor mehreren hundert Veteranen das Malmedy-Massaker als „einen ‚Zwischenfall‘, bei dem 71 amerikanische Soldaten gefallen [sic!] waren.“ Der nachfolgende Prozess sei nichts weiter gewesen als ein Schauprozess, der dazu diente, „eine Rechtsgrundlage für die Verurteilung der gesamten Waffen-SS im Nürnberger Prozeß zu schaffen“ (zit. n. Westemeier 2014: 618) – eine Lesart, der Lehnert 2017 Auftrieb sowie Maximilian Krah 2024, beide ohne jeden Skrupel im Blick auf die seinerzeitigen Anstrengungen der HIAG, die Nachkriegsjugend qua Wikingjugend – die erst 1994 verboten wurde (vgl. Knopp 2002: 386) – wieder aufs HJ-Gleis zu setzen und für ihre sozialrechtlichen Zwecke einzuspannen. Diese bestanden im Wesentlichen darin, die vor allem rentenrechtlich nachteiligen Folgen der Einordnung der Waffen-SS als „verbrecherische Organisation“ zu beseitigen und sie dem Mythos der „sauberen Wehrmacht“ einzufügen (vgl. Dudek/Jaschke 1984, Bd. I: 106 ff.; Wilke 2018: 209), mit einigem Erfolg auch bei Politikern der CSU und der CDU. (vgl. Meyer/Rable 1980: 43 ff.)
Abschließend ist der Hinweis wichtig auf dasjenige, was Zayas wie Lehnert als auch Hinz eint: Alle drei verloren nicht ein kritisches Wort über die damalige, kampagnenartig von Ewiggestrigen, etwa auch aus und um das Auswärtige Amt vorangetriebene Offensive gegen die Nürnberger Nachfolgeprozesse, insonderheit gegen den stellvertretenden Nürnberger Chefankläger Robert Kempner. Außer Betracht bleibt des Weiteren jeder kritische Blick auf die dort Angeklagten. Etwa auf Wilhelm Keitel, der den sog. Kommissar-Befehl vom 6. Juni 1941, also die vor dem ‚Russlandfeldzug‘ ergangene Weisung Hitlers, „daß die politischen Kommissare der Roten Armee als ‚die Urheber barbarisch asiatischer Kampfmethoden …, wenn im Kampf oder Widerstand ergriffen, grundsätzlich sofort mit der Waffe zu erledigen‘ seien“ (Fest 1973: 886), mit einem späteren Ereignis zu rechtfertigen suchte, nämlich per Verweis auf die „deutschen Kriegsgefangenen [….] auf den Schlachtfeldern […], wo wir sie zu Hunderten ermordet vorfanden.“ (IMN, Bd. X: 698)
Nicht schlecht wäre auch – und hiermit traue ich mich allmählich, JD Vance direkt anzusprechen – ein kritischer Blick auf den württembergischen Landesbischof und EKD-Ratsvorsitzende Theophil Wurm (1868-1953), vor 1945 einer der Wortführer der Bekennenden Kirche und Gegner der Euthanasie, wie exemplarisch sein mutiges Schreiben an Reichsinnenminister Wilhelm Frick vom 19. Juli 1940 belegt. (in: Denzler/Fabricius 1984: 193 ff.) Insofern schien Wurm hinreichend unverdächtig, nach 1945 bei seinem Engagement für NS-Kriegsverbrechern von anderen als in der Sache begründeten Motiven umgetrieben zu sein. Seine Kritik war zweigleisiger Natur, ging darauf, das „Washingtoner Establishment […] durch eine fein ziselierte, legalistische Kritik zu beeindrucken und das grobe Geschütz nur gegen Kempner aufzufahren“ – mit fatalen Folgen:
„Die gemeinsame Frontstellung gegen ‚Dr. Sixtus Beckmesser‘, ‚Kempner-Freisler‘, den ‚Talmi-Amerikaner‘ oder ‚Fritzchen Miefsnick‘ – wie es mitunter im dumpfesten Stürmer-Jargon hieß – wurde von den meisten Ex-Diplomaten unreflektiert geteilt.“ (Conze et al. 2000: 428)
Mitbeteiligt an derlei antisemitischer Kampagne: auch die Zeit, etwa in Gestalt von deren Mitbegründer und Chefredakteur Richard Tüngel (ebd.: 696 f.), der uns noch ein weiteres Mal begegnet, nämlich im Fall des mit Wurm in Vergleich zu setzenden Münchener Weihbischofs Johannes Neuhäusler (1888-1973), der von den Nazis zwischen 1941 bis 1945 ins KZ verbracht worden war und deswegen „mit der Intransigenz und Energie des moralisch Tadellosen agierte“ und als solcher, wie in den 1960er Jahren herauskam, „zwecks Beschönigung der Haltung der Kirche im ‚Dritten Reich‘ selbst vor der Verfälschung von Dokumenten“ (Frei 1996: 144) nicht zurückschreckte.
So betrachtet ist Neuhäuslers Schreiben vom März 1948 an fünf amerikanische Kongressabgeordnete „wegen angeblicher Misshandlungen im Vorfeld des Malmedy-Prozesses“ (ebd.: 143) wenig vertrauenserweckend – wie zehn Jahre später deutlich wurde, als Tüngels 2004 vom zunehmend sich neu-rechts orientierenden Verlag Matthes & Seitz ohne kritischen Kommentar und, wohl aus Verkaufsehrgeiz, unter einem verharmlosenden neuen Haupt-Titel (Stunde Null) dargebotene „Abrechnung mit den Besatzungsmächten“ (ebd.: 151) Auf dem Bauche sollst Du kriechen… Deutschland unter den Besatzungsmächten (1958) erstmals erschien. Erste Besonderheit: Neuhäuslers 1948er Abgeordnetenbrief wird hier gleichsam erster Hand gerechtfertigt, indem Tüngel sich in Sachen der in Landsberg einsitzenden Verdächtigen zu der offensichtlichen Lüge verstieg, ihnen sei eine schwarze Kapuze über den Kopf gezogen worden, „die noch feucht war von dem Blut derjenigen, die vorher in ihr mißhandelt worden waren“ (Tüngel/Berndorff 1958/2004: 347 f.), mehr als dies: Tüngel erklärte nun das in Malmedy Geschehene mit friendly fire, schob es also den Amerikanern in die Schuhe, insofern sie irrtümlich ihre eigenen Leute erschossen, die sie im Morgennebel für „aufmarschierende deutsche Soldaten“ (ebd.: 350) gehalten hätten – eine eigentlich für die NS-analoge Propaganda sehr gut geeignete Mär. Warum also schwieg Lehnert auch hierzu, ebenso wie Hinz, der an Tüngel nur Nebensächliches moniert?
Die wahrscheinlichste Erklärung ist, dass einer der Erfinder von derlei Foltergeschichten (vgl. Winkler 2019: 141), Ernst von Salomon, der 1922 am Mord an Walther Rathenau beteiligt war, zu einer der zentralen Ikonen der Neuen Rechten gehört, und zwar mit ausdrücklicher Billigung Lehnerts, der in Band 2 (2010) des Staatspolitischen Handbuchs mit dem Titel Schlüsselwerke als ein solches eben jenes von Winkler angesprochene Buch Salomons mit dem Titel Der Fragebogen (1951) empfahl. Auffällig dabei, dass Lehnert, im erkennbaren Einvernehmen mit Armin Mohler (M 41994: 444) sowie dessen Nachfolger Karlheinz Weißmann (vgl. M/W 62005: 500), Salomons Freikorps-Zeit recht unverblümt einräumte, ebenso wie dessen „Beteiligung am Rathenau-Mord“ (SH 2: 81) – keine große Sache, sollte dies wohl heißen, gleichsam aus dem geistigen Zentrum einer Partei heraus, die sich mit politischen Morden aktuell, wie etwa mit jenem an Walter Lübcke, nicht so schwer tut wie zu fordern.
Auch Salomons NS-Zeit, etwa der Umstand, dass er sich als Drehbuchschreiber an einer von Fake News durchsetzten Hagiographie der NS-Kolonialismus-Ikone Carl Peters betätigte, die als Basis eines NS-Spielfilms mit Hans Albers diente, interessierte den Paul-von-Lettow-Vorbeck-Fan Lehnert nicht, wiederum in Analogie zu den Vorgenannten, die wahrheitswidrig ad Salomon postulierten: „nach 1933 Rückzug ins Private“ (M 41994: 444; M/W 62005: 500). Ein Alleinstellungsmerkmal erreicht Lehnert allein mit seiner Bewunderung für Salomons ‚Schlüsselwerk‘ als „ironische Abrechnung mit dem Weltverbesserungswahn der Amerikaner“, da er „in keine der vorgegebenen Schubladen der Umerziehung passen will“ (SH 2: 81) – eine heroisierende Qualifizierung eines Vorgangs, den man auch, mit Willi Winkler (2019: 141), mittels der Vokabel ‚Lügen in subversiver Absicht im Interesse der Mitläufer durch einen Ewiggestrigen‘ beschreiben könnte – der im Übrigen nicht davor zurückschreckte, zwei verurteilte deutsche Kriegsverbrecher in seinem Haus auf Sylt zu verstecken. (ebd.: 205) Kein Problem für Thorsten Hinz, der unverblümt noch unter dem Datum des 14. Mai 2004 Foltergeschichten aus Salomons Fragebogen (1951) zitierte (vgl. Hinz 2012: 68), weil sie so wunderbar passten zur Malmedy-Folter-Mär. Heißt: Beide, Hinz wie Lehnert, knüpften das von Winkler für die frühe Bundesrepublik ausgemachte braune Netz bis in die unmittelbare Gegenwart fort, bis nach Schnellroda.
Mehr als dies, und damit verlassen wir den Kontakthof von Alt- wie Neo-Nazis und betreten das Hauptgebäude der Neuen Rechten in Schnellroda inklusive Fälscherwerkstatt: Was Lehnert, in der vorletzten Legislatur als wissenschaftlicher Mitarbeiter einem neo-kolonialistisch orientierten AfD-Bundestagsabgeordneten und US-Besatzungskind namens Harald Weyel zuarbeitend, in seinem hier in Rede stehenden Handbuchartikel zu erwähnen ‚vergaß‘, ist der Umstand, dass jener eben erwähnte, von ihm in aller Beiläufigkeit beigezogene Spiegel-Artikel, am 31.1.1951 in Heft 5/1951 (S. 8-10) unter dem Titel Meine liebe Prinzessin erschienen, nichts anderes darstellte als eine im Grundzug zustimmende Entgegnung des damals von Alt-Nazis besiedelten, von Rudolf Augstein begründeten Nachrichtenmagazins (13) auf Helene Elisabeth Prinzessin von Isenburg (1900-1974), Gattin des (vormaligen) NS-Sippenforschers Wilhelm Karl Prinz von Isenburg (1903-1956). Die ‚liebe Prinzessin‘, deren Umtriebe Oliver Schröm & Andrea Röpke schon vor über zwanzig Jahren aufwändig nachzeichneten (vgl. Schröm / Röpke 2002: 42 ff.), hatte mittels eines Weihnachten in Landsberg überschriebenen Rundbriefs u.a. auch Papst Pius XII. (1876-1958) (14), ein Idol des Rechtskatholizismus (vgl. Michaelis 2019: 56 ff.; Schneider 2019: 230 ff.), um Hilfe bitten wollen für ‚Opfer‘ des Malmedy-Prozesses, und zwar mit Worten wie:
„In allernächster Zeit sollen wieder Hinrichtungen in Landsberg stattfinden. Das darf nicht mehr sein! Fünf Jahre nach Kriegsende Männer an den Galgen zu führen, deren Verurteilung zum größten Teil nachgewiesene Fehlurteile sind, widerspricht jedem Recht. Wir können nicht verstehen, daß ein Siegervolk das Gebot der Menschlichkeit so mißachtet, um Haß und Vergeltung weiter zu schüren.“ (zit. n. Klee 1986: 232)
In ähnlicher Absicht konsultierte sie hartnäckig die aus Deutschland stammende Frau des Hohen Kommissars John McCloy, Ellen McCloy, eine Großcousine von Konrad Adenauers verstorbener Frau Gussie (vgl. Westemeier 2014: 758). Ihr zur Seite stehend: Ingeborg Alice Prinzessin zu Schaumburg-Lippe (1901-1996), deren Schwager Josias Erbprinz zu Waldeck und Pyrmont (1896-1967) als im Buchenwald-Prozess 1947 zu zwanzig Jahren verurteilter Kriegsverbrecher in Landsberg einsaß, aber „krankheitshalber bereits September 1950 entlassen [wird]. Sterbenskrank“ – so Ernst Klee weiter – „kann er nicht gewesen sein, denn er stirbt am 30. November 1967.“ (Klee 1991: 112)
Ingeborgs Gatte Stephan Prinz zu Schaumburg-Lippe (1891-1965) war gleichfalls kein ungeschriebenes Blatt, sondern „ab 1934 für das Auswärtige Amt u.a. in Italien, Brasilien, Argentinien und als Generalkonsul in Chile tätig.“ (Westemeier 2014: 441) Sein Bruder Friedrich Christian Prinz zu Schaumburg-Lippe (1906-1983), Goebbels Adjutant und nach 1945 Verfechter eines NS-bezüglichen Geschichtsrevisionismus von IfS-Format, war noch aus etwas härterem Stoff, schreckte selbst vor Denunziation seiner Bruders Stephan nicht zurück. (vgl. Riechmann 2010: 458 f.) Bereichert wurde dies hochadlige Sippschaft mit Stammsitz in Bückeburg noch um den nach seiner Entlassung aus alliierter Haft in Landsberg am 2. Juni 1955 durch eine hochkarätige Heirat im nahe gelegenen Obernkirchen untergekommenen, im Nürnberger Ärzteprozess am 20.8.1947 zu lebenslanger Haft verurteilten Mediziners Gerhard Rose, der sich gleichwohl bis zuletzt des Wahns hingab, seine Verurteilung in Nürnberg stünde für einen „politisch bedingten Justizirrtum“ (zit. n. Wolters 2010: 429) – eine Formulierung, die den Ungeist spiegelt, dem Lehnert 2017 das Wort redete.
Womit sich der Kreis schließt: Erik Lehnert vom Rittergut Schnellroda und insbesondere dieser Prinz gäben fraglos ein wunderbares Pärchen ab. Aber auch mit jenen Prinzessinnen aus dem Reich der Ewiggestrigen, das eine in Bückeburg beheimatet, was eine wunderbare Folie abgibt für Regionalgeschichte vom Typ Schaumburger Nationalsozialisten (Werner 22010), dürfte Lehnert keine Probleme haben, stimm(t)en alle drei doch bis in die Terminologie hinein („Siegervolk“ da, „Siegerjustiz“ dort), in ihrem Anti-Amerikanismus überein, nur dass die von Himmler dereinst mit dem Führerdienstgrad der SS ausgezeichnete Prinzessin ihr „Hilfswerk der Helfenden Hände“ auf dem Schilde führte (vgl. Westemeier 2014: 441), wohingegen es Prinzessin Elisabeth, sich selbst als „Mutter Elisabeth“ zeichnend und mittels der Mär aufwertend, sie sei „direkte Nachfahrin der hl. Elisabeth von Thüringen, die den Armen Brot gebracht hatte“ (Winkler 2019: 161), um „Stille Hilfe“ für unverbesserliche Nazis ging, mit großer Resonanz.
Diese Resonanz war an sich nicht überraschend, wenn man die Zustände in Bozen unmittelbar nach Kriegsende bedenkt, wo die Amerikaner unter dem Decknamen „Operation Sunrise“ noch in den letzten Kriegstagen Geheimverhandlungen mit der SS geführt hatten und sich nun ausgesprochen offen zeigten für eine Zusammenarbeit mit dem Kriegsgegner unter dem Vorzeichen des beiden Seiten nun absehbar auferlegten Antikommunismus, mit der Folge, dass Karl Wolff, der Höchste SS- und Polizeiführer in Italien, zunächst noch unbehelligt blieb (vgl. Steinacher 2008: 189 ff.) und Erich Priebke die Flucht gelang. (vgl. Schröm / Röpke 2002: 128 ff.) Anders indes die Konstellation Jahre später in Landsberg, an der eigentlich nur erstaunt, dass sich die katholische Kirche auf die Seite der SS schlug. Denn man muss bedenken, dass die Kirche während der Nazi-Diktatur (15) zu Lasten der Opfer geschwiegen [hatte]“, um sich „nun laut für die Täter einzusetzen“ (Klee 1986: 233), dabei „unter der Flagge ‚Vergebung‘ eine ungeheuerliche Verharmlosung“ (ebd.: 230) akzeptierend, dies zumal ‚Mutter Elisabeths‘ Einlassung zum Fall des Kriegsverbrechers Otto Ohlendorf (1907-1951), enthalten in ihrem Brief an Theophil Wurm, 1951 Gründungsvorstand der von ihr angeregten „Stillen Hilfe“:
„Der Fall Ohlendorff ist durch böse Propaganda völlig verzerrt. Kein rechtlich denkender darf das offensichtliche Fehlurteil zulassen.“ (ebd.: 231)
So – nochmals sei es betont – die ‚liebe Prinzessin‘, bei der, so Norbert Frei, offenbar „sämtliche Sicherungen, so es sie jemals gegeben hatte, durchgebrannt [waren]“ (Frei 1996: 217), über jenen SS-Obergruppenführer (und im Mai 1945 de facto Reichswirtschaftsminister der Geschäftsführenden Regierung Dönitz in Flensburg), der seinerzeit nicht ohne Stolz darauf hingewiesen hatte, dass die Einsatzgruppe D in der Zeit seiner Leitung derselben (Juni 1941 bis Juni 1942) „ungefähr 90 000 Männer, Frauen und Kinder [liquidierte]“ (zit. n. Klee 2003: 443; vgl. auch Höhne 1967: 389 ff. Frei 1996: 298 f.; Knopp 2002: 224 ff.; Brandt 2009: 618; Raithel 2009: 23), in enger Kooperation zwischen dem Sicherheitsdienst (SD) der SS mit der Wehrmacht. (vgl. Boll 1998: 417)(16)
Selbst Lehnert war im Fall dieses am 10.4.1948 zum Tode verurteilten und am 7.6.1951 in Landsberg hingerichteten Kriegsverbrechers etwas vorsichtiger und merkte lediglich an, dass Ohlendorff „insofern Pech [hatte], als er nicht über ähnliche Verwandte und Fürsprecher wie sein Kamerad Martin Sandberger (1911-2010)(17) verfügte“ (SH 5: 174) – ein Urteil, das indes noch immer NS-Jargon (18) kopiert und vor allem Kritik an Sandbergers Leumundszeugen Carlo Schmid, Theodor Heuss und Hellmuth Becker, dem Verteidiger Ernst von Weizsäckers, sein sollte. (Lehnerts mutmaßliche Quelle in dieser Frage: Mayr 2010) Das Kalkül dahinter, von Lehnerts Gesinnungsgenossen Thorsten Hinz auch als gesondertes Rührstück unter dem Titel Der Weizsäcker-Komplex (2012) inszeniert: Schuld in der Nazi-Zeit sei, selbst im inner circle des Bürgertums, relativ und die Kriegsverbrechen der Nazis insgesamt nicht so schlimm eingedenk des Beistandes, den mit Judendeportationen aus Frankreich gleichsam beruflich (qua Auswärtiges Amt) befassten ehemaligen Staatssekretär (1938-1943) und Botschafter beim Vatikan (1943-1945) Ernst von Weizsäcker, Hauptangeklagter im Wilhelmstraßen-Prozess (vgl. Conze et al. 2010: 388) (19), nicht zuletzt durch seinen ihn (mit-)verteidigenden Sohn Richard von Weizsäcker, erfahren habe. Dies also ist sie im Wesentlichen, die Pointe, auf die Lehnert mit seinem Lemma 1951 hinauswill – und deretwegen er ausführlich Gebrauch macht von den Trump-Devisen Winning ugly by untold stories sowie Fake News ohne Ende, so es nicht anders geht.
Fazit
Das im Vorhergehenden Referierte sollte Besser-Amis wie den aktuellen US-Vizepräsidenten JD Vance darüber belehren, nicht vor der Zeit zu urteilen über Figuren wie die Kanzlerkandidatin Alice Weidel und ihre Partei, die AfD. Bloß nicht von dem Raketenwissenschaftler aus Südafrika unter Stress setzen lassen, zumal es doch klar ist: Es gibt nur einen Rudi Völler, also auch nur einen Trump-Nachfolger.
Und da wir gerade diesen Punkt ansprechen, mein lieber James David (ich darf als der bedeutend Ältere doch spätestens jetzt Dich Duzen, nicht wahr?): Von dieser schrecklichen Alice reden wir beide ab sofort kein Wort mehr, weder bis zum Wahltag noch darüber hinaus. Sie hat durch ihr beharrliches Schweigen zum „Vogelschiss“-Gauland den toxischen Antiamerikanismus der AfD als geschichtsrevisionistisch unverzichtbar geadelt. Und dabei erwischt zu werden, wäre einem künftigen „König von Amerika“ nicht anzuraten. Anders als ein überraschendes Loblied auf Olaf Scholz, dem Taurus-Verweigerer, am Wahltag. Meinst Du, lieber JD, Du kriegtest dies hin? Und könntest Trump einflüstern, Riviera statt „Gaza kaputt“ sei auf jeden Fall günstiger, als sich am Ende auch noch mit dem Wiederaufbau eines durch Taurus-Raketen zerstörten Moskau herumschlagen zu müssen – und mit dem dieserhalb um sich greifenden schlechten Gewissen von Friedrich Merz?
Comprendre, JD? Was jetzt ansteht, ist Cowboy-Art, also etwa das Einfangen per Lasso oder, das Locken per Möhre; wen oder was? Nun, das Lasso für Peter Thiel, den letzten Konkurrenten um Trumps Nachfolge; und die Möhre für den Esel Elon Musk, also den allerletzten Konkurrenten – , und zwar in die nächste abflugbereite Rakete in Cape Kennedy via Mars! Wo – da gehen diesem verbrannten Anti-Verbrenner die Augen auf, ähnlich wie Freund Thiel im Lasso – James Deans restaurierter Porsche auf eine Probefahrt wartet!
Deal?
Autor: Prof. Dr. Christian Niemeyer, Präsidentenberater (seit heute), Berlin/Dresden
Anmerkungen:
(1) In: Christian Niemeyer, Schwarzbuch Neue / Alte Rechte. Glossen, Essays, Lexikon. Mit Online-Material (= Bildung nach Auschwitz). Weinheim Basel: Beltz Juventa 2021, S. 419 ff.; sowie: Ders., Die AfD und ihr Think Tank im Sog von Trumps und Putins Untergang. Eine Analyse mit Denk- und Stilmitteln Nietzsches (= Bildung nach Auschwitz 2). Weinheim Basel: Beltz Juventa 2023.
(2) Alle Literaturnachweise in der unter Fn. 1 angegeben Literatur, für JD gerne auch auf Nachfrage seiner Botschaft von mir persönlich.
(3) s. www.hagalil.com/2025/01/alice-fuer-deutschland
(4) s. www.hagalil.com/2022/01/rechtes-von-a-z.
(5) s. www.hagalil.com.
(6) Zu diesem: Christian Niemeyer: Online-Material zum Schwarzbuch Neue/Alte Rechte. Aufgaben, Lexikon, Literatur. Weinheim: Juventa Beltz 2021, S. 79.
(7) Ernst Klee beschreibt es anschaulich: „Am zweiten Tag der Ardennen-Offensive fallen Peipers Männern an einer Straßenkreuzung nahe der belgischen Stadt Malmedy 71 zum Teil verwundete GIs in die Hände. Die amerikanischen Soldaten hatte sich zwar ergeben, werden aber dennoch erschossen.“ (Klee 1991: 58)
(8) Gut möglich also, dass sich dies in den anderen, gut 200, mehrheitlich „durch mehrere Brände im Krieg sowie durch den Luftangriff auf Potsdam am 14./15. April 1945 großenteils vernichteten“ Bänden (Zayas 1979: 26) anders darstellt.
(9) Es geht vor allem um die von Filbinger im Januar 1945 geleitete Neuverhandlung gegen den im April 1944 ‚nur‘ zu acht Jahren Zuchthaus wg. vollendeter Fahnenflucht im Felde verurteilten Matrosen Walter Gröger, die mit der Verhängung der Todesstrafe endete und deren Vollstreckung am 16. März 1945 im Beisein Filbigers als leitendem Offizier. (vgl. SH 5: 191)
(10) Peiper wurde am 16.7.1946 wg. Tötung von US-Kriegsgefangenen zum Tode verurteilt und am 22.12.1956 in Landsberg entlassen. Er erlag nach seiner Zeit bei Porsche am 13.7.1976 in seinem Haus im französischen Jura den Folgen eines Feuers, das mutmaßlich durch örtliche Jugendliche ausgelöst worden war. (vgl. Westemeier 22019: 612 ff.) Peiper war auch an weiteren Kriegsverbrechen beteiligt, etwa am 19.9.1943 am Massaker in Boves/Piemont beteiligt (vgl. Klee 2003: 452), zu einer Zeit, zu der auch sein Obersturmbann- wie LAH-Kumpan Karl Vogt, damals persönlicher Referent von Herbert Backe („Hunger-Backe“), nach 1945 ein in geschichtsklitternder Absicht tätig gewesener Jugendbewegungsfunktionär, dort agierte.
(11) „73 wurden verurteilt, 43 zum Tode. Davon sind inzwischen 37 Todesurteile wieder aufgehoben worden. Von den 73 Urteilen wurden 62 revidiert. Schon diese Zahlen kennzeichnen die Fragwürdigkeit [der amerikanischen] Militärgerichtsbarkeit.“ (zit. n. Lehnert, in: SH 5: 174)
(12) Nicht so – kann es wundern? – Thorsten Hinz, der Frei nur einmal knapp erwähnt und ihn bei dieser Gelegenheit als „moralisierend“ (Hinz 2012: 176) verwirft.
(13) Wohlgemerkt: Der Spiegel „wurde nicht als ‚Sturmgeschütz der Demokratie‘ geboren, sondern entstand im Trotz gegen die englische Besatzungsmacht.“ (Winkler 2019: 142) Rudolf Augstein schreckte beispielsweise im hier interessierenden Zeitraum (1951) nicht davor zurück, Goebbels vormaligen Adjutanten Wilfried von Owen mit seiner Südamerika-Vertretung zu betrauen. (vgl. Schröm / Röpke 2002: 132 ff.)
(14) Über dessen Geeignetheit für Anfragen dieser Art ist wohl genug gesagt im Rückblick auf die in die Zeit seines Pontifikats (1939-1958) fallende, erstmals von Rolf Hochhuth (Der Stellvertreter [1963]) skandalisierte Nicht-Thematisierung des Holocaust (vgl. u.a. Goldhagen 2002: 56 ff.) sowie seines Einsatzes für Oswald Pohl (1892-1951), der als Leiter des SS Wirtschafts- und Verwaltungshauptamts Verantwortung trug „für die Weiterleitung des eingeschmolzenen Schmuck- und Zahngoldes der Ermordeten an die Reichsbank“ (Raithel 2009: 104). Nach Auswertung weiterer freigegebener Akten plädiert (lt. dpa vom 12. September 2020) Felix Klein, der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung für die – von der AfD abgelehnte – Umbenennung der Pacelliallee in Berlin-Dahlem. (Pius XII. lautete bürgerlich auf den Namen Eugenio Pacelli.)
(15) Ein Sachverhalt, der durch den folgenden Passus im Antwortschreiben des Papst-Beraters Monsignore Dr. Josef Zakbar vom 10. November 1950 geschickt verdeckt wird: „Es ist wohl überflüssig, Sie, verehrte Prinzessin, zu versichern, daß ich auch weiterhin – so wie seit Jahren – die Angelegenheiten der Gefangenen im Deutschland mit wachsamen Auge verfolgen werde.“ (zit. n. Klee 1986: 232)
(16) Dass dies nicht die Regel war, zeigt der von Michael Klonovsky instrumentalisierte Fall des ‚Generalgouverneurs‘ von Polen, Hans Frank, dessen blutrünstiges Agieren von Generaloberst Johannes Blaskowitz immer wieder gegenüber Hitler und sehr zu dessen Ärger angeprangert wurde, so dass der Freitod des Anfang 1948 wg. Kriegsverbrechen Angeklagten die Frage aufwirft, „ob er sich als mitschuldig ansah, obwohl er ein Gegner Hitlers war und die Verbrechen in Polen 1939/40 heftig kritisiert hatte.“ (Stahl 1998: 25)
(17) Sandberger, durchaus mit Ohlendorf vergleichbar, wurde am 10.4.1948 zum Tode verurteilt, aber am 5.5.1958 nach zahlreichen Fürsprachen in Landsberg entlassen. (vgl. Wildt 2003: 98 f.) Er wurde in der Folge immer wieder Gegenstand von Ermittlungen, bereute bis zu seinem Tod nicht. (vgl. Mayr 2010)
(18) Gemäß der – so Erwin Schoettle (SPD) 1948 – Unsitte Ewiggestriger, „die Urheber und Vollstrecker der nationalsozialistischen Mordbefehle als Pechvögel zu betrachten, die Helden genannt worden wären, wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte.“ (zit. n. Frei 1996: 151)
(19) Der 1951 in Landsberg starb, aber nicht am Galgen, sondern infolge eines Schlaganfalls, den der kurz zuvor aus der Haft Entlassenen erlitten hatte. Es ist diese Freilassung, die schon in HIAG-Kreisen, im Vergleich zu ihrer SS-Klientel, empörte und die nun eben auch neu-rechte Ideologen wie Thorsten Hinz aus analogen Gründen als ungerecht herausstellen.