NS-Kongresshalle wird zum Musentempel
Eine Polemik!
Zu den alljährlichen NSDAP Reichsparteitagen besuchte Adolf Hitler gewöhnlich das Nürnberger Opernhaus, wo des „Führers“ Lieblingsoper „Die Meistersinger“ von Richard Wagner zur Aufführung kam. Seitdem ist viel Zeit vergangen. Der fränkische Kulturtempel ist in die Jahre gekommen und bröckelt vor sich hin – eine umfangreiche und jahrelange Renovierung ist unumgänglich. Auf der Suche nach einem Ausweichspielort wurde die Stadt Nürnberg schnell fündig: die nie vollendete Kongresshalle auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände. Für mindestens 25 Jahre soll der NS-Koloss nun ein Ort der Kultur werden. Das beschloss vor einigen Tagen der Nürnberger Stadtrat in finaler, geheimer, nicht öffentlicher Sitzung. Kosten des Vorhabens: rund 300 Millionen Euro.
Da der im Monumental-Stil erbaute Rundbau nicht genügend Platz für Bühne und Zuschauer bietet, wird im Innenraum des NS-Reliktes ein riesiger Betonwürfel errichtet. Als Kontrast zur Nazi-Architektur soll das Bauwerk schließlich vollständig begrünt werden – im Stil einer überdimensionierten Gartenlaube. Denn es „erscheint geboten“, so die Macher, „hier eine Architektur, die paradoxerweise nicht als solche in Erscheinung tritt“, umzusetzen, sodass sich die Spielstätte „untergeordnet in den Bestand einfügt“. Einerseits soll durch die zu schaffende Kulturstätte in einem NS-Relikt der braune Geist der Vergangenheit gebrochen werden, andererseits soll der verseuchte Ort von zukünftigem fröhlichen Singspiel und Theater jedoch unsichtbar bleiben!?
Übrigens: Der Grundstein für die Kongresshalle wurde während des Reichsparteitages 1935 gelegt – projektiert von Nazi-Architekt Albert Speer. In dem Jahr, in dem auch die Nürnberger Rassengesetze in Kraft traten. Wäre der Monumentalbau bereits fertiggestellt gewesen, hätte Hitler diesen Ort sicherlich zur Verkündung der Gesetze genutzt. „Das wird in der Debatte erstaunlich oft vergessen“, sagte Hans-Christian Täubrich, Gründungsdirektor des in der Kongresshalle seit 2001 residierenden „Dokumentationszentrum Reichsparteitage“. Sarkastisch schlug er vor, dass die Stadt eine Trigger-Warnung in Form einer großen Tafel „womöglich aus Flossenbürger Granit im Speerschen Ausmaß mindestens sieben Meter hoch“ anbringen könne.
Ein solcher Hinweis würde alle Irritationen ausräumen und ein entspannter Kulturgenuss – in der Pause gekrönt mit einem Schlückchen Schaumwein aus deutschen Gauen – wäre garantiert. –(jgt)