Antlitz

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Zum 100. Geburtstag von Alexander Dubček

Von Miriam N. Reinhard

In der Lücke
zwischen These und Antithese
in diesem Raum zum Luftholen
in diesem Stillstand
der Produktion
von Sinn und Bedeutung
erscheint das undeutbare
Antlitz
des Menschen:
Freiheitsliebend
widerspruchsvoll vieldeutig
unversöhnt in sich
sind wir bin ich
ist dieser Mensch
Auf Synthese kann er nicht warten

Die Antwort auf sein Antlitz
ist nicht zu finden:
Nicht in Gesetzbüchern
verfasst zum Verlauf von Geschichte
Nicht in Plänen für Produktion
die Bedürfnisse auf Jahre errechnend
Die Begrenzung von Wissen
begrenzt die Anfrage seines Antlitzes nicht

Wie sehr sie es fürchten
demonstrieren jetzt die Regime
der vergiftenden Despoten
der enthemmten Junten
haben damals in Prag
die Panzer gezeigt

Doch es bleibt
dieser Mensch:
In zugerüsteten Dunkelheiten
zeigt sein entgrenzendes
Antlitz
die Lücke ins Licht

 

Foto: Alexander Dubček wird von Václav Havel umarmt, Treffen im Theater Laterna Magika in Prag am 24. November 1989. In derselben Nacht tritt die gesamte Führung der tschechoslowakischen Kommunistischen Partei zurück. (c) Jaroslav Kučera / CC BY-SA 3.0