Immigranten

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Im Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft ist ein bemerkenswerter Roman erschienen. Er erzählt von zwei Freunden, zwischen dem Weiterleben nach der Schoah und dem Aufbau Israels, einer Zwischenwelt, die die Suche nach dem eigenen Glück ihrer Protagonisten bestimmt…

Autor ist der israelische Literaturwissenschaftler Gershon Shaked, der 2006 starb. Shaked wurde 1929 als Gerhard Mandel in Wien geboren. Nach dem „Anschluss“ Österreichs wurde sein Vater verhaftet und für kurze Zeit in Dachau und Buchenwald inhaftiert. Der junge Gerhard konnte 1939 im Rahmen der Jugend-Alija nach Palästina geschickt werden, die Eltern folgten nach. Gershon, wie er sich bald nannte, lebte zunächst in einem Internat in Pardes Hanna, dann für kurze Zeit in einer Pflegefamilie in Jerusalem und erst später bei seinen Eltern in Tel Aviv, wo er das Abitur absolvierte.

Gershon Shaked studierte Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem und wurde zu einem der bekanntesten und wichtigsten Literaturwissenschaftlern des Landes. Seine „Geschichte der modernen hebräischen Literatur“ ist international bekannt, er wurde u.a. mit dem Israel Preis und dem Bialik Preis ausgezeichnet. „Immigranten“ ist der einzige Roman, den Shaked verfasst hat und der nun auf deutsch erschienen ist.

Ganz bewusst hat Shaked das Wort „Immigranten“ als Titel gewählt und nicht, wie ansonsten im hebräischen Sprachgebrauch üblich „Olim“ für die jüdischen Einwanderer nach Palästina/Israel. Damit stehen von Beginn an die Mühen des Sich Einlebens und die Entwurzelung im Mittelpunkt. Shaked erzählt die Geschichte zweier Freunde, die beide im Süden Tel Avivs, im Arbeiterviertel Florentin aufwachsen. Mit ihrer Herkunft gehen sie sehr unterschiedlich um, besuchen dieselbe Schule, haben jedoch ganz unterschiedliche Freunde, suchen beide im Ausland ihr berufliches Glück und kehren beide, aus ganz unterschiedlichen Gründen, zurück nach Israel. Für beide bleibt die Familie, das europäische Erbe und schließlich die Vertreibung und Vernichtung der Juden in Europa das prägende Moment ihres biographischen Netzes, was sie im Laufe der Jahrzehnte immer wieder miteinander verbindet.

Ein kluger und schöner Roman, der eine schon fast verschwundene Welt zeigt, das Niemandsland zwischen den Generationen nach der Schoah, in einem Land im Aufbau. Unbedingt lesenswert!

Gershon Shaked: IMMIGRANTEN. Roman. Übersetzt von Ruth Achlama. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Müller. Vorwort von Mark H. Gelber, Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft 2020, 360 S., Bestellen?