Netanyahus Regierungsbildung ist gescheitert

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Bis zur letzten Minute war es spannend. Am Mittwoch lief die sechswöchige Frist zur Regierungsbildung aus, um 23.30 begann die Knesset mit ihrer Abstimmung über ihre Auflösung und Neuwahlen, die mit 74 zu 45 Stimmen angenommen wurde. Netanyahu ist grandios gescheitert, aber gibt sich siegessicher und der Schuldige steht natürlich auch schon fest…

Auch für israelische Verhältnisse ist das ein Rekord. Erst im April wurde die Knesset neu gewählt, am 17. September müssen die Bürger erneut abstimmen. Zum ersten Mal in der Geschichte Israels werden Neuwahlen beschlossen, bevor die neue Reigerung überhaupt zustande kommt und die Arbeit aufnimmt. Etwa 117 Millionen Euro wird der Spaß das Land kosten, skandalös in Zeiten eines maroden Gesundheits- und Bildungssystems, wie Kritiker finden.

Streitpunkt in den Koalitionsverhandlungen war bis zuletzt das sog. „Chok haGius“, das die Einberufung von Ultraorthodoxen zur Armee regeln soll. Die religiösen Koalitionspartner Netanyahus wollten keine weiteren Zugeständnisse machen. Genauso wenig Avigdor Lieberman, den Netanyahu nun als den Schuldigen darstellt, mit deutlichen Worten, die einer gewissen Absurdität nicht entbehren. 

Lieberman hatte von Anfang an angekündigt, keinen weiteren Veränderungen am Gesetz zuzustimmen, das sowieso nur die stufenweise Einberufung eines kleinen Teils der wehrpflichtigen ultraorthodoxen Männer vorsieht. Er blieb bei seinem Standpunkt, für Netanyahu Grund genug ihn zum „linken Block“ zu zählen. „Lieberman gehört zu den Linken“, das ist wohl das kurioseste, was Netanyahu seit langem von sich gegeben hat, denn Lieberman wurden in der Vergangenheit immer wieder faschistische Tendenzen nachgesagt. Lieberman habe seine Wähler verraten, so Netanyahu, er habe von Beginn an nicht die Absicht gehabt, eine Einigung zu finden. Er habe vielmehr die Regierung stürzen wollen, weil er sich ausrechne, weitere Stimmen dazu zu gewinnen.

Während sich am Morgen danach Mitglieder von Netanyahus Likud und Liebermans Israel Beiteinu beschimpfen und gegenseitig der Lüge bezichtigen, stellt sich die Frage, wer aus den Neuwahlen seinen Nutzen ziehen wird? Die ersten Umfragen zeigen ein ähnlich knappes Ergebnis wie bereits im April. Für Netanyahu selbst ist die Neuwahl nicht gut, denn über ihm hängt das Damoklesschwert seiner Anhörung zu den Fällen, in denen ihm Amtsmissbrauch und Korruption vorgeworfen wird. Netanyahu hatte versucht, in die Koalitionsverhandlungen auch einen Gesetzesentwurf zu packen, der ihm Immunität zuspricht. Erneut wird ihm das nicht gelingen, denn die Anhörung soll am 2. Oktober stattfinden.

Hier zeigt sich, wie dramatisch die Situation für „König Bibi“ ist. Tatsächlich war es Netanyahus Partei, die die Selbstauflösung der Knesset zur Abstimmung brachte. Netanyahu unternahm keine weiteren Versuche mehr, eine andere Koalitionsverbindung zu finden. Mehr noch, durch den von einem Parteikollegen eingebrachte Vorschlag zur Knessetauflösung, wurde auch die Möglichkeit vereitelt, dass Präsident Rivlin jemand anderen mit der Regierungsbildung beauftragt. Die offensichtliche Lösung, eine große Koalition mit Blau-Weiß, die bei der Wahl die gleiche Anzahl an Sitzen erhalten hatte, war so keine Option.  

Es ist eine der größten Niederlagen seiner Karriere. Umso heftiger griff Netanyahu sofort in den Topf der Demagogie. Tatsächlich könnte die gestrige Abstimmung das Ende seiner Karriere bedeuten. Zuvor aber muss sich Israel dem Willen Netanyahus beugen und am 17. September erneut abstimmen.

Bild oben: Während der nächtlichen Abstimmung, Screenshot Arutz haKnesset, KAN