Mursi wirbt in Berlin um Unterstützung

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Ägyptens Präsident Mohammed Mursi hat am Mittwoch bei einem Deutschlandbesuch zugesichert, sein Land sei auf dem Weg zu einem zivilen Rechtsstaat. Ägypten wird seit Tagen von den schwersten Unruhen seit seinem Amtsantritt erschüttert. Mursi wollte in Berlin vor allem für Wirtschaftshilfen werben, meinen Kommentatoren und fordern, dass der Westen eine Unterstützung mit Demokratieforderungen verknüpft…

Die Welt – Deutschland
Ägyptens Präsident braucht Hilfe des Westens

Dass Präsident Mursi inmitten der erneuten Unruhen nach Deutschland fährt, unterstreicht die Abhängigkeit Ägyptens vom Geld des Westens, analysiert die konservative Tageszeitung Die Welt:

„Vielleicht wagte er die Reise dennoch, weil er weiß, dass ein stabiles, Israel nicht bedrohendes Ägypten Deutschland und dem Rest der westlichen Welt einiges wert ist. Das Gute an der bösen Sache ist, dass Deutschland und die anderen Staaten des Westens diesen Spieß auch umdrehen können. Das Verdorren des ägyptischen Frühlings und die Wiederkehr der Willkür in neuem Gewand haben dem Land schweren Schaden zugefügt. Indem es sich selbst unattraktiv machte, hat es die wichtigste Einnahmequelle des Landes, den Tourismus, fast zum Erliegen gebracht.
Mursi weiß, dass dies im Verein mit der großen Krise der gesamten ägyptischen Wirtschaft den Sprengstoff erzeugen könnte, der dem Regiment der gemäßigten oder radikalen Islamisten ein Ende machen würde. … Wenn Mursi in Berlin sagte, Ägypten werde ein Rechtsstaat sein, … dann tat er das sicher nicht ohne Berechnung. Aber man muss ihn beim Wort nehmen. Und man kann die Hilfe, die er dringend braucht, an Bedingungen knüpfen.“ (31.01.2013) deutsch

Die Presse – Österreich
Europa muss Einflussmöglichkeiten nutzen

Mit einer Mischung aus Entgegenkommen und Unnachgiebigkeit hat Merkel beim Besuch Mursis in Berlin vorgemacht, wie Europa mit den neuen ägyptischen Machthabern umgehen sollte, lobt die liberal-konservative Tageszeitung Die Presse:

„Gastgeberin Angela Merkel hielt in aller Höflichkeit fest, dass die ägyptische Regierung die demokratischen Spielregeln einhalten müsse. Unausgesprochen klang da die Drohung mit, dass es sonst kein Geld gebe. Zuletzt hat Deutschland einen Schuldenerlass und Entwicklungsprojekte angesichts der neuen repressiven Tendenzen in Ägypten auf Eis gelegt.
Ob vor oder hinter den Kulissen: Es ist wichtig, dass Europa seine Hebel nützt und klare Bedingungen stellt. Finanzielle Unterstützung für die Regierung in Kairo sollte es nur geben, wenn sie die Rechte von Christen, Säkularen und Oppositionellen achtet. Alles andere wäre ein Verrat an allen, die auf Ägyptens Straßen für die Freiheit und gegen die Errichtung einer islamistischen Diktatur der Mehrheit kämpfen.“ (31.01.2013) deutsch

Dnevnik – Slowenien
Zugehen auf Opposition in Mursis Interesse

Wenn Mursi seine Macht nicht aufs Spiel setzen will, muss er die Stimme der Straße erhören, betont die linksliberale Tageszeitung Dnevnik:

„Die Straßenproteste sind in Ägypten Teil des politischen Dialogs geworden, der der demokratisch gewählten derzeitigen Regierung genauso auf die Nerven geht, wie es der vorherigen Diktatur auf die Nerven ging. Die Stimmung im Land ist wieder revolutionär. Präsident Mohammed Mursi, der den Staat repräsentiert, kann eine Sprache finden, die den Demonstranten versichert, dass ein Mitspracherecht bei Entscheidungen nicht nur ein kosmetisches Detail ist. Er kann sie auch ignorieren.
Aber damit würde er die Macht über die Straßen Kairos verlieren und zum Türöffner für die Armee werden, die mit beiden politischen Optionen im Land [den regierenden Muslimbrüdern wie der Opposition] unzufrieden ist. Die Muslimbrüder müssen eine gemeinsame politische Sprache mit der Opposition finden, andernfalls werden sie ihre Macht verlieren.“ (31.01.2013) Dnevnik