Mainz: Brandanschlag auf Synagoge in Deutschland – keine Meldung mehr wert?

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Einen Tag nach dem Brandanschlag auf die neue Synagoge in Mainz äußerte sich Dr. h. c. Charlotte Knobloch, Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, entsetzt, aber auch enttäuscht…

Mitteilung Pressereferat der Präsidentin

Knobloch: „Unabhängig davon, wer die Täter und was ihre Motive sind, ist es mir unbegreiflich, warum ein Anschlag auf ein jüdisches Gotteshaus in Deutschland offensichtlich nicht mal mehr eine Meldung in den Hauptnachrichten und Schlagzeilen wert ist.“

Politiker wie Bundesaußenminister Dr. Guido Westerwelle und der rheinlandpfälzische Innenminister Karl Peter Bruch sprachen von einer „verabscheuungswürdigen Tat“ und einem Angriff auf unsere Demokratie, auf unsere grundlegenden Werte der Toleranz und des friedlichen Miteinanders“.

Knobloch: „Dieser Einschätzung und der Verurteilung der Tat durch unsere Spitzenpolitiker ist nichts hinzuzufügen. Aber jeder vernünftig denkende mündige Bürger kann doch angesichts einer solchen Handlung nur entsetzt sein. Umso weniger erschließt es sich mir, warum dieser Angriff auf unsere freiheitlich-demokratische Gesellschaft in der veröffentlichten Meinung sang- und klanglos verpufft. Ich hatte wirklich gehofft, dass in Deutschland 72 Jahre nach der Reichspogromnacht, einer Initialzündung des Holocaust, ein stärkeres Verantwortungsbewusstsein und höhere Sensibilität vorherrschen. Dass dem offenkundig nicht so ist, ist nicht nur schade, es ist bedenklich. Denn auch das ist eine Gefahr für unsere Demokratie.“

Hintergrund: Das jüdische Gemeindezentrum in der Mainzer Neustadt sowie die Synagoge des Architekten Manuel Herz wurde erst im September dieses Jahres in Anwesenheit von Bundespräsident Christian Wulff eingeweiht. Der Neubau befindet sich am Standort der früheren Mainzer Hauptsynagoge, die in der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 in Brand gesetzt worden war.

20 Kommentare

  1. Davon ausgehend, möchte ich Dich fragen: Welche Möglichkeiten siehst Du, Insuffizienzempfindungen, und damit Unterlegenheitsgefühlen entgegenzuwirken?

    Schwierig, immerhin handelt es sich hierbei um ein sehr umfangreiches Wissensgebiet. Von ursprünglichen Theorien bis zum aktuellen Stand der Wissenschaft in unzähligen Büchern dargestellt, angefangen bei der Psychoanalyse und deren Derivaten wie zB die Aggressionsforschung bzw. die Antisemitismusforschung, um nur die beiden wichtigsten zu nennen. Trotzdem in kurzen Worten ein Darstellungsversuch meiner Sicht der Dinge zu unserem Thema:

    Die uns hier vor Augen geführte Phänomenologie zeugt schlicht von mangelnder Betroffenheit. Was hier zum Ausdruck kommt ist: es betrifft uns ja nicht. Es betrifft andere, es betrifft die Juden. Hier wird eine fatale Trennung zwischen uns und den Anderen, den Fremden vorgenommen.

    Es geht also um Trennung, Ausgrenzung, um Abwehr des Fremden, in seiner Konsequenz um die Angst vor dem Fremden, was, psychodynamisch, nichts anderes ist, als die Spiegelung unseres Selbst, unserer eigenen Entfremdung, unserer Gespaltenheit, schlicht unseres Seelenzustandes.

    Wir sind, natürlich ohne es zu wissen, einer inneren Trennung, einer Spaltung unterworfen, bedingt durch die traditionelle Erziehung. Mangelnde Empathie, Konformitätsdruck und Entsprechungszwang im Zuge der Individuation zwingen in weiten Teilen zur Aufgabe des Eigenen. Schritt für Schritt wird es durch die Identifikation mit der Autorität und somit durch Fremdes ersetzt und damit wandelt sich aber das Eigene zum Fremden und das Fremde zum Eigenen.

    Der eigentliche Lebensimpuls des Menschen, die Liebe, vorbehaltlos und uneigennützig und damit die Fähigkeit zu Autonomie, zu Empathie und Glück verkümmert, was einen permanenten inneren Konflikt hervorruft und gleichzeitig einen äußeren Kampf um Anerkennung, um Status, also die Bereitschaft sich äußeren Autoritäten zu unterwerfen, notwendig macht.

    Knackpunkt dabei ist, dass unter solchen Bedingungen die Sehnsucht nach unserem eigentlichen, angeborenen Lebensimpuls, der Liebe, nicht nur verleugnet werden, sondern sogar als bedrohlich empfunden und deshalb bekämpft werden muss. Damit aber wird das Leben verneint, die Ursache für unsere Insuffizienzempfindungen, für Selbstverachtung bis hin zum Selbsthass sowie der daraus erwachsenden Schuldgefühle und Ängste, die, um einigermaßen ausgeglichenes seelisches Gleichgewicht erlangen zu können, einfach überleben zu können, abgewehrt werden müssen.

    Es kommt zur Projektion auf den Fremden. Ihm werden all die bedrohlichen und abgelehnten Eigenschaften wie Autonomiefähigkeit, Liebesfähigkeit, Glücksfähigkeit, die Bejahung des Lebens zugeschrieben, die Selbstverachtung, der Selbsthass kann so projiziert werden. Die Trennung, die Ablehnung, die Ausgrenzung bis hin zu Verachtung und Hass, und damit die Tendenz des zum Verschwinden bringen wollen sind, und wenn auch nur in Latenz, somit angelegt.

    Man sieht, der Antisemitismus ist kein Konstrukt, er ist eine Krankheit, eigentlich das Symptom einer schweren seelische Krankheit. Und es ist unsere Krankheit und damit unser Problem.

    Wenn man nun die Geschichte des Antisemitismus im Lauf der Jahrtausende, vom Antisemitismus der Antike, über den christlichen Antijudaismus bis hin zu modernem Antisemitismus, sekundärem Antisemitismus und dem Antisemitismus des Islamismus verfolgt, kann man leicht erkennen, dass gerade diese Krankheit, je nach politischer Strömung, von diversen Populisten und Demagogen phasenweise und je nach jeweils herrschenden sozioökonomischen und soziokulturellen Umgebungsbedingungen mehr oder weniger erfolgreich, instinktiv sehr leicht stimuliert und benutzt werden kann.

    Es gibt nur ein denkbares Mittel dagegen: Die Fähigkeit des Individuums zu Autonomie fördern.

    Nun ja, okay.

    Mit der Geisteshaltung wie zB der gegenwärtigen Regierung allerdings, mit einer Familienministerin wie dieser Schröder – hoffnungslos. Im Gegenteil – hier wird die Angst vor dem Fremden mit Vorsatz geschürt.

    Bitter.

  2. Hallo Jim,

    Du schreibst:

    Wenn man jetzt die Ursache für Hass, insbesondere für den Antisemitismus, also das Bedürfnis, “die Juden” nicht da haben zu wollen, sie weghaben, zum Verschwinden bringen zu wollen ergründet, so kommt man zu dem Ergebnis, dass eben dieser Hass aus latenten Insuffizienzempfindungen, und damit  Unterlegenheitsgefühlen traditionell gerade den “auserwählten”, “intelligenteren”, “tüchtigeren”, “erfogreicheren”  und damit als überlegen und deshalb bedrohlich empfundenen Juden gegenüber, nur weil sie Juden sind, erwächst.

    Erst wenn es gelingen sollte, “den Juden” als vollkommen normal und gleichwertig, als nichts besonderes in den Seelen weiter Kreise unserer Bevölkerungen, … als Teil von uns als Ganzem zu verankern, erst dann könnte es eventuell sein, dass dieser Hass gemildert wird.

    Zitat Ende.

    Soweit mir bekannt ist, haben die Wissenschaftler unterschiedliche Ansichten darüber, in welchem Ausmaß individuelle Gefühle, Verhaltensweisen und Lebensumstände kollektive Phänomene wie Antisemitismus, Nationalsozialismus, Faschismus verursachen bzw. mitverursachen. Ein Gegenbeispiel: Bei den Reichstagswahlen im Sommer 1932 wählten ca. 44 % der Protestanten, aber nur 20 % der Katholiken die NSDAP (Quelle: Schätzungen aus Falters ‚Hitlers Wähler‘). Wenn persönliche Insuffizienzempfindungen DIE entscheidende Ursache für die Wahlentscheidung für die NSDAP wären, dann müssten diese bei Protestanten weit deutlicher ausgeprägt gewesen sein als bei Katholiken. Das kommt mir aber sehr unwahrscheinlich vor. Wenn es hier überhaupt messbare Unterschiede gegeben haben sollte, würde ich eher annehmen, dass Insuffizienzempfindungen damals bei Katholiken stärker ausgeprägt gewesen sein könnten, da diese (siehe Kulturkampf) nicht immer als ‚vollwertige‘ Deutsche dargestellt wurden.

    Allerdings können persönliche Gefühle durchaus EINE Komponente eines mehrdimensionalen Prozesses sein.
    Davon ausgehend, möchte ich Dich fragen: Welche Möglichkeiten siehst Du, Insuffizienzempfindungen, und damit  Unterlegenheitsgefühlen entgegenzuwirken?
    Oder beinhaltet Dein folgender Abschnitt bereits die entscheidende Lösung, also gewissermaßen eine ‚farbenblinde‘ Einstellung, die keine Juden und Nichtjuden mehr kennt, sondern nur noch… Bürger, bzw. wie Du es formuliert hast, ‚ Teil[e] von uns als Ganzem‘?

    Dann könnte man wiederum umgekehrt fragen, welche politischen Interessen es denn geben könnte, die Dinge NICHT so farbenblind zu sehen. Aufgrund welcher Interessen wurden diese Unterschiede immer wieder betont und herausgestellt, bzw. sogar erst konstruiert?

    uccellino

  3. Wen wundert`s?
     
    Auch ich hatte von dem versuchten Anschlag zuerst in haaretz.com, also im „Ausland“ gelesen  — und daraufhin nach Meldungen darüber in deutschen Medien gesucht.
    Weitgehend Fehlanzeige.
     
    Aber ist das wirklich so erstaunlich?
    Was die Position der deutschen Seite angeht, so stimme ich meinem „Vor – Schreiber“ Robert Schlickewitz zu:
    Im Versöhnungskitsch der deutschen Gedenkkultur, wonach eifriges Gedenken letztlich zur Erlösung von der schlimmen Geschichte führe, ist eine solche Meldung störend. Und heftiges Ge-denken ist eher schlecht für`s Nach-denken. So ist es viel einfacher, sich moralisch der Opfer zu bemächtigen, sich zwanghaft mit ihnen zu identifizieren (was würden die wohl dazu sagen, wenn sie das wüssten?) und eben ihrer zu gedenken, als sich mit den Ursachen für das Morden auseinanderzusetzen.
    Antisemitismus (und nicht die arme vielstrapazierte „jüdisch-christliche Tradition“), konstituierend für europäische Identität  —  zumal im modernen Gewand des „Friedens“ und der „Menschenrechte“  —  da mag man nicht so gerne ran.
     
    Aber die „offizielle“ Positionierung von Juden heute in Deutschland passt auch ganz gut dazu: letztens war Frau Knobloch in Konstanz.
    Sie sprach über jüdisches Leben und Identität in Deutschland 70 Jahre nach der Verschleppung der badischen Juden nach Gurs.
    Böse gesagt ein rührender Vortrag über Heimat und Geborgenheit. War auch nach gefühlten knapp 30 Minuten zuende. Der einzige „Schmutzfleck“ auf der schönen deutsch-jüdischen Tischdecke, der Antisemitismus, war mit ein paar Sätzen abgetan(es waren zum Teil wörtliche Zitate von Broder, die kluge Unterscheidung von Vorurteil und Ressentiment) .
     
    So bestätigten die einen den anderen, dass nunmehr(fast) alles bestens sei, und dann, dankbar, dasselbe auch die anderen den einen.
     
    Wie gesagt, nach gegenseitigen Belobigungen war man bald fertig, und auf mein beim Rausgehen  gemurmeltes „Jetzt scheint ja alles bestens, alles vergeben, vergessen, und normal“  (wie normal, das konnte man an den 3 Bodyguards sehen, die Frau Knobloch begleiteten….) zischte mir ein „Das muss ich mir jetzt nicht anhören“ entgegen…
     
    So klappt`s dann mit der Verständigung  —  nur darf man sich dann nicht wundern, wenn Störendes ganz einfach nicht stattfindet.

  4. Kennst Du dieses Gefühl?

    Welches?

    Nun ja, werde versuchen, es zu beschreiben, mal sehn ob es gelingt:

    Also, heller Nachmittag, die Sonne halbhoch, so schräg von der Seite her quer über die Dächer der relativ hohen, die belebte Einkaufstraße links und rechts begrenzenden Häuser aber beständig tiefer gehend scheinend.

    Du gehst, schlendernd, ohne bestimmtes Ziel, betrachtest ohne großen Vorsatz die diese Straße belebenden Menschen, siehst ohne Grund, also ohne das Bedürfnis hier auch nur irgendwas zu kaufen, so dann und wann in die Auslagen der Geschäfte, trottest mal links die Straße lang, mal rechts, denkst einfach an nichts und genießt nur die Stimmung, endlich wieder ein wenig wärmende Sonne nach diesen langen und nasskalt dunklen Wochen.

    Nachdem Du eine Weile in einem zufällig auf Deinem Wege aufgekreuztem, Dir sozusagen plötzlich begegnetem Straßencafe verbracht hast, Espresso, paar Zigaretten, die Gespräche der anwesenden Menschen hörend ohne aber auch nur das Geringste von dem zu verstehen, was da so gesprochen wird, in herumliegenden Zeitungen geblättert hast, ohne etwas Interessantes, etwas Lesenswertes entdeckt zu haben wieder aufbrichst um weiterzugehen, ohne Ziel und Vorsatz, aber, und das ist irritierend, mit einem eigenartigen, langsam aber stetig deutlicher zu spürenden, drückendem Gefühl in der Magengegend – komisch!

    Da ist was, da liegt was in der Luft, eine Ahnung vielleicht, eine Vorahnung irgendwie – komisch!
    Ein flaues Gefühl, nicht direkt wie Ãœbelkeit, nein, auch ein verdorbener Magen meldet sich anders, aber trotzdem, so oder so ähnlich in gewisser Weise, ja – kennst Du das Gefühl – in Träumen kommt es manchmal vor – irgendwie in der Luft zu hängen, also, irgendwie den Boden unter den Füßen zu verlieren, ja, so ähnlich, das Gefühl der Angst tief zu fallen, ins Bodenlose, irgendwie – wer das kennt, der weiß was ich meine, was ich hier beschreiben will.

    Und Du gehst weiter, ein wenig irritiert zwar, die Stirne leicht kraus jetzt, weil Du Dich wunderst über dieses Gefühl, weil es Dich beunruhigt, weil Du wissen willst, was es wohl hervorgerufen haben mag, dieses sich wie eine leichte Übelkeit, irgendwie wie eine bestimmte Leere, nicht wie Hunger aber trotzdem, so ähnlich, in der Magengegend anfühlende, unbestimmte Gefühl.

     
     

    Und, ganz plötzlich weißt Du was es Dir sagen will, dieses Gefühl, dieses Gefühl einer unbestimmten, unerklärlichen Angst!

    Es ist die Wand, die Barriere, einem Zaun vergleichbar – es ist Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit.

    Es ist die Aussichtslosigkeit!

    Es ist die Gewissheit, wohl immer wieder anzustoßen an eine unsichtbare Wand, eine Wand aus Glas, aus Stahlbeton, unsichtbar aber unnachgiebig und hart, so hart dass es immer wieder schmerzt daran zu stoßen.

    Du beginnst schneller zu gehen, Du beginnst zu laufen, Du beginnst zu rennen!

    Und langsam beginnst Du zu begreifen: Du kannst rennen wohin Du willst, überall, ja überall steht sie plötzlich auf, wie aus dem Nichts ist sie plötzlich da, diese brutale, diese wütende, diese alles scheinbar auf immer und ewig behindern wollende Wand, und doch ist sie nicht zu sehen, sie umgibt Dich und Du kannst sie nicht sehen, diese Wand, rund um Dich ist sie und Du kannst sie auch nicht hören, nicht riechen, diese Wand, diese unsichtbare und stahlharte, unnachgiebige Wand!

    Nur spüren tust Du sie, diese entsetzliche Wand, immer und überall und das macht dieses eigenartige Gefühl in der Magengegend, das Dich Deine Hilflosigkeit deutlich spüren lässt, das macht die Angst.

    Es ist zum Verzweifeln, nicht wahr?!

    Und die Sonne scheint immer noch, immerzu und tut so, als wäre nichts, versucht zu wärmen, einfach nur zu wärmen und Du spürst wie kalt es eigentlich ist, in Wahrheit. Trotz der vielen Geschäfte und trotz deren protzig zur Schau gestelltem Ãœberangebot und trotz der Sonne, … !

    Gute Nacht …

  5.  

    Auch hier wieder ein Beispiel für das mutige Eintreten der Präsidentin Dr. Charlotte Knobloch, für Zivilcourage und Menschenrechte. Israels Botschafter in Berlin, Yoram Ben-Zeev, hat am Montag in Aachen die Präsidentin gewürdigt. Die Präsidentin des Direktoriums des Zentralrats der Juden in Deutschland erhielt für ihr Engagement gegen Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Extremismus den Ehrenpreis der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Aachen.
    „Charlotte Knobloch bezieht Position, wo andere schweigen oder indifferent bleiben. Sie wird als moralische Instanz wahrgenommen“, sagte Ben-Zeev in seiner Laudatio. „Sie hat nie den Glauben an die Menschlichkeit verloren.“

    http://www.an-online.de/news/politik-detail-an/1450274?_link=&skip=&_g=Knobloch-in-Aachen-geehrt.html

    Wo bleibt der Aufschrei des Entsetzens? Ja, das frage ich auch. Ist es die Angst vor der neuen Antisemitischen Flut, die das ganze Land reissend erfasst hat, wie es der Vizepräsident genannt hat? Deutschland, wohin?

  6. Huch wie schrecklich!

    Die Bundes- und Weltpresse schreibt nur kleine Miteilungen zu einer der verdammenswürdigsten Taten der Republik!

    Diese weltweit einzigartige Tat sollte dringlichst durch eine Lichterkette aufgewertet werden. 

    Nur durch solch wichtige Ereignisse werden die Massen mobilisiert.

    Wehret den Anfängen! (z.B. einer Verharmlosung des Antisemitismus)

  7. Ich denke mal, auch die gesellschaftliche Mitte kann sich noch empören (siehe S21). Doch ist die Welt viel zu gewalttätig um sich über eine brennende Flasche, die auch noch in einem Baum landet, wirklich zu echauvieren. Egal, woaruf gezielt wurde, ob Synagoge, Moschee oder christliche Kirche – verurteilen ja, aber keine kollektive Empörung.

    Ich glaube auch, dass in der gesellschaftlichen Mitte die Leistungen der jüdischstämmigen Deutschen (Juden und Nicht-mehr-Juden) bewusst ist. Einstein, Freund, Heine, Marx, Mendelsohn Bartholdy um nur ein paar wenige zu nennen. Jetzt darauf besondern hinzuweisen könnte in de "dumpfesten Hütten" eher negativ ankommen.

    Ich finde es im heutigen Alltag eher als erfrischende Normalität, bei den meisten gar nicht zu wissen, ob sie katholisch, jüdisch oder was auch immer sind. Manchmal erfährt mensch es dann nur durch Zufall. Und dann ist die richtige Reaktion "ja und?". So machen sich viele (ich auch) ständig über Sarkozy lustig. Seine jüdischen Wurzeln spielen dabei keine Rolle. Oder die von Gregor Gysi. Oder die von Daniel Cohn-Bendit.

  8. „Hat hier jemand – begründete – Erklärungen?“
     
    Eine Erklärung dürfte in der sog. „Arbeitsintensivität unserer modernen Gesellschaft“ zu finden sein.
    Wer abends ausgepowert nach Hause kommt, möchte i.d.R. nur noch flache Ablenkung, also etwas Bekömmlich-Bequem-Behagliches im TV, ein Bierchen und bitteschön nicht noch irgendwelche Probleme von oder über ‚Fremde‘ vorgesetzt bekommen.
     
    Außerdem haben doch die meisten von uns Deutschen und Österreichern den Kampf längst beendet, den Kampf mit den eigenen Nazi-Generations-Eltern. Diese sind nun tot und wir haben uns für uns selbst Friede ihrer Asche vorgenommen, auch weil uns, viele Zeitgenossen holen sich bekanntlich regelmäßig Rat bei professionellen oder selbsternannten Seelenberuhigern, dringendst dazu geraten wurde.
     
     
    Ferner ist das Bedüfnis nach einem Alles beschließenden, Alles versöhnenden, Alles ‚wiedergutmachenden‘ Schlussstrich in der Bevölkerung weit verbreitet. Wohl kein Volk dürfte so harmoniebedürftig wie das deutsche sein (wie das in Österreich ist  vermag ich nicht zu beurteilen). Das überall in Deutschland zu beobachtende Phänomen auf Mahnmalen Untaten der Vergangenheit generell auf „Die Nazis“ (oder andere Stellvertreter) abzuschieben und den deutschen Namen rein zu halten, bzw. auf die Nennung anderer regionaler, lokaler Zugehörigkeiten von Tätern zu verzichten, gar persönliche Nennungen von Tätern zu vermeiden – weist klar in diese Richtung.
    Ebenso die Tatsache, dass bedauerlicherweise die meisten Historiker in Deutschland vom Staat bezahlt und an einen bestimmten Verhaltenskodex ‚geschmiedet‘ werden. Ein Kodex, der es ihnen verbietet die Kirchengeschichte einer genaueren Betrachtung zu unterwerfen, und die deutschen Verbrechen gegenüber Minderheiten in der langen (viele Jahrhunderte zurückreichenden) Zeit vor 1933 aufzuarbeiten. ‚Gestattet‘ sind lediglich Untersucheungen zu bestimmten, abgegrenzten Zeiträumen, die selten länger als ein Vierteljahrhundert sind. Es soll der Eindruck vermieden werden: Wir Deutschen waren eben immer schon intolerant(er als andere). Nichts anderes lehrt uns die deutsche Minderheitengeschichte der letzten 1000 Jahre.
     
    Die Harmonie soll also, so wünscht es die herrschende Klasse ganz offensichtlich, um jeden Preis erhalten bleiben. Der Bürger nicht gezwungen werden über sich und seine Identität als Deutscher ernsthaft nachzudenken.
     
    Hat man (unser Staat) einmal solche Voraussetzungen geschaffen, dann verwundert es auch nicht, wenn diese scheußliche Gleichgültigkeit sich zunächst breitmacht und sich schließlich ‚einbürgert‘.
    Was ist denn so eine Meldung über einen Brandanschlag auf eine Synagoge Anderes als eine erhebliche Störung des Bürgerfriedens?
    Der Bürger ist gewohnt solche Dinge (Brandanschläge auf Synagogen etc.) mit dem „Dritten Reich“ zu verbinden. Dieses hat er für sich aber bereits als ‚bearbeitet‘ und ‚abgeschlossen‘ in eine staubige Kiste in einem Regal im Keller (oder in der Garage) verbannt. Am liebsten würde er sie ja auf den Sperrmüll geben, aber das geht halt nun mal nicht. Auf jeden Fall mag er von solch scheußlichen Dingen nichts mehr hören, vielmehr: – „Was läuft denn grad‘ auf dem anderen Kanal? Ah, Fuasboi, Super!…“
     
    Dank der unzähligen Sportveranstaltungen und -übertragungen im TV bzw. im Rundfunk ist schnell eine passende Ablenkung gefunden. Der Staat trägt doch diesen Blödsinn mit Bedacht mit – eben um uns vom ‚überflüssigen‘ Nachdenken über uns abzuhalten.
     
    So sieht es aus.

  9. Lieber jim,
    eine mögliche Begründung ist, dass die gesellschaftliche Mitte diesen Staat durch ihre wirtschaftliche Leistung in Form von täglich harter Arbeit trägt.
    Und neben dem täglichen Hamsterrad aus Beruf, Familie und sehr geringer Freizeit bleibt eben keine Zeit mehr, sich im Kollektiv zu empören.
    Aber da ich ja auch Zeit finde auf haGalil zu lesen, sei Ihnen versichert, dass ich mich von diesem Vorfall als Angehöriger der gesellschaftlichen Mitte auf’s Schärfste distanziere.

  10. Meine Güte. Manchmal ist ein zuviel an Selbstmitleid einfach nur noch jämmerlich.

    Vorab – ja, es gibt in Deutschland Rassisten, Nazis und auch andere Idioten. Und ja -  der/die Täter gehören in den Knast.

    Aber wegen einem solch – gottseidank – völlig folgenlosem Anschlag (wenn der Baum tatsächlich völlig unbeschädigt blieb) gleich wieder rumzuflennen: "Keiner hat uns lieb! – Bei Muslimen wäre das anders!" <kopfschüttel>

    2 Minuten googlen ..

    03.11.2010  Brandanschlag auf eine Muschee
    http://www.fr-online.de/rhein-main/neonazi-kuendigt-anschlag–an/-/1472796/4523912/-/index.html

    .. und – wenn auch etwas ‚angejahrt‘ ..
    "Eine Chronik registrierter Anschläge auf Moscheen:
    Nicht nur Synagogen brennen in Deutschland
    "
    http://test.hagalil.com/2000/07/islam.htm

    Dutzende weitere Beispiele im Web auffindbar.

  11. ES IST ZUM VERZWEIFELN!
     
    Ja, es ist zum Verzweifeln, aber, um nicht verzweifeln zu müssen, gibt es nur einen Weg: es zu untersuchen mit dem Ziel es zu verstehen, nicht nur um gegebenen Falls dagegen stehen zu können, sondern auch – um zu leben.
     
    Wir stellen uns also die Fragen: Warum kommt es überhaupt zu Anschägen auf jüdische Einrichtungen? Warum empört sich bloß immer nur ein kleiner Prozentsatz des gesellschaftlichen Spektrums? Warum bleibt eine, von uns ersehnte, durch die gesellschaftliche Mitte getragene, kollektive Empörung regelmäßig aus?
     
    Erwarten wir etwa immer noch Unmögliches?
     
    Hat hier jemand – begründete – Erklärungen?

  12. Was Sabugo Avril da angesprochen hat, verdient volle Aufmerksamkeit und Zustimmung: Es ist leider so, dass Reaktionen auf verabscheuungswürdige Eeignisse wie jenes in Mainz wie vom Band ablaufen: Es passiert etwas; sofern irgendwer darauf aufmerksam macht, entsetzen sich Bürgermeister, Minister, selbstverständlich auch der Zentralrat – und dann senkt sich Grabesruhe über das Ereignis! Dabei müsste allein unter Hinweis darauf, dass praktisch alle Synagogen in Deutsschland unter stetiger Schutzbewachung stehen, ein fortwährender Schrei der Empörung und der Scham durch Deutschland gehen. Ist aber nicht der Fall – es ist halt einfach so und wird sich nicht ändern; basta! Ja es stimmt. wäre dies, was an Synagogen, jüdischen Einrichtungen, Friedhöfen fast täglich angerichtet wird, gegen eine Moschee und andere islamische Einrichtungen gerichtet – dem Aufschrei würden auf der Stelle ALLE Institutionen folgen. Aber so sind´s ja „NUR“ die Juden, die immer schreien…
    ES IST ZUM VERZWEIFELN!

  13. Gibt es eine Resonanz auf diese Beschwerde seitens der Präsidentin? Früher hätte ein solcher Aufschrei der Empörung seitens der Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland Wellen geschlagen. Was ist geschehen? Ist es Gleichgültigkeit?

  14. Eine halbe Stunde nach Abfassung meines obigen Kommentars, fiel mir ein, dass ich das Amt des Innenministers immer noch derart stark mit Schäuble vebinde, dass ich in meinen Ausführungen den Amtswechsel, Karl Ernst Thomas de Maiziere ist seit dem 28. Oktober 2009 Bundesminister des Innern, nicht berücksichtigt hatte. Pardon – errare humanum est.

  15. Wenn jemand vor einer Synagoge ausspuckt, an deren Fassade pinkelt, eventuell ein Fenster einwirft oder gar einen Brand legt, so ist das ein Anschlag und bedeutet, dass man das Objekt seines Hasses nicht da haben will, es weg haben will, zerstören will, schlicht, zum Verschwinden bringen will.
     
    Wenn man jetzt die Ursache für Hass, insbesondere für den Antisemitismus, also das Bedürfnis, „die Juden“ nicht da haben zu wollen, sie weghaben, zum Verschwinden bringen zu wollen ergründet, so kommt man zu dem Ergebnis, dass eben dieser Hass aus latenten Insuffizienzempfindungen, und damit  Unterlegenheitsgefühlen traditionell gerade den „auserwählten“, „intelligenteren“, „tüchtigeren“, „erfogreicheren“  und damit als überlegen und deshalb bedrohlich empfundenen Juden gegenüber, nur weil sie Juden sind, erwächst.
     
    Erst wenn es gelingen sollte, „den Juden“ als vollkommen normal und gleichwertig, als nichts besonderes in den Seelen weiter Kreise unserer Bevölkerungen, also als gesellschaftlich gleichrangig, genauso mit Fehlern und Vorzügen behaftet wie unereiner, genauso schlecht oder gut oder eben mittelmäßig, mit den gleichen Ängsten und Sehnsüchten ausgestattet, mit einem Wort nicht besser oder schlechter als wir und egal wie er jetzt auch immer heißt, Hans Mayer, Shamira Silbermann oder Joffe Kluger, als Teil von uns als Ganzem zu verankern, erst dann könnte es eventuell sein, dass dieser Hass gemildert wird.
     
    Apropos Hans Mayer, der allerdings war diesbezüglich sehr, sehr skeptisch, siehe sein Werk „Außenseiter“.
     
    Apropos Namen, da fällt mir einer ein: Ein Chinese und ein Jude sitzen in einer Bar und sinnieren so vor sich hin. Plötzlich fliegt der Chinese vom Hocker. Regt der sich auf – jetzt sag mal, warum wirfst mich denn zu Boden?
    Das ist wegen Pearl Harbor, so der Jude.
    Bist du verrückt geworden, das warn doch die Japaner!
    Was macht das schon fürn Unterschied.
    Nach ner Weile fliegt der Jude heftig zu Boden, rappelt er sich auch und schimpft – was hab ich dir denn jetzt getan, du Idiot?
    Das ist wegen der Titanic, die ihr zum Kentern gebracht habt, so der Chinese.
    Ja sag mal, spinnst du, das war doch nen Eisberg, du Komiker.
    Meint der Chinese: „Eisberg, Grienberg, Weinberg, …. was macht das schon fürn Unterschied.
     
     

  16. Wäre es eine Moschee gewesen wäre der Aufschrei gross.
    @robert
    In Deutschland wird vieles nicht mehr gelehrt.Fragen sie mal einen Studenten was er über Schlesien,Ostpreußen,Pommern weiss.Manche wundern sich sogar über deutsche Ortsnamen.
    Ich wunder mich auch das der Beitrag der Juden zu Deuschlands Wirtschaft und Kultur so selten erwähnt wird,wo doch sonst immer darauf verwiesen wird.
    Die meisten Judenhasser tragen ja auch Levi Strauss Jeans-wenn sie das wüssten*g*

  17. Unser tiefverehrter und hochgeschätzter Herr Außenminister sprach also mal wieder von einer „verabscheuungswürdigen Tat“. Das ist bekanntlich die Lieblingsfloskel deutscher Bundes-, Landes- und Kommunalpolitiker, nachdem im Lande der Täter erneut eine Synagoge brannte, ein jüdischer Friedhof (seit 1945 weit über 1000 geschändete jüdische Friedhöfe in Deutschland!) geschändet, oder ein Jude tätlich angegriffen wurde.
     
    Was sollen die Herren und Damen Politiker auch schon groß sagen, in ihrer Hilflosigkeit. – Hilflosigkeit? – Keineswegs Hilflosigkeit!
     
    Vieles könnte man als Westerwelle oder als Schäuble tun, um zumindest den überübernächsten derartigen Akt der Schande zu verhindern.
    Zum Beispiel den selbsternannten Volksaufklärer Knopp und die anderen halbseriösen TV-Wastln, an deren Lippen ‚die ganze Nation‘ so gebannt hängt, dazu auffordern, nicht nur die Viktimologie in Bezug auf die deutsch-jüdische Geschichte mit Schwerpunkt „Drittes Reich“ zu ‚pflegen‘, sondern auf die bei weitem unterschätzten und weithin unbekannten kulturellen Leistungen der deutschen Juden während eines halben Jahrtausends hinzuweisen.
    Wer weiß etwa schon, dass es ein Jude war, der die Firma BMW solange unterstützte, bis sie auf eigenen Füssen stehen konnte. Oder wer, dass weite Teile Bayerns ihre frühe Elektrifizierung einem Juden verdanken. Dass der bayerischen Literatur lange Zeit international nicht für die Werke christlicher, sondern der zweier jüdischer Schriftsteller höchste Anerkennung zu Teil wurde. Solche Beispiele gäbe es für alle Bundesländer zuhauf, sie sind gut dokumentiert und könnten ohne große Mühe mit dem passenden Bild- und Tonmaterial angereichert werden.
     
    Wen man zu schätzen gelernt hat, den verachtet man nicht (mehr). Wen man nicht verachtet, dessen Synagogen und Friedhöfe schändet man nicht (mehr).
     
    Klar, dauert es einige Zeit, bis sich solch Wissen um kulturelle Leistungen von Angehörigen der ‚anderen‘ Religion auch bis in die dumpfeste Hütte (Sozialwohnung oder Gutebürgerhaus) christlichen Daseins ausgebreitet hat. Und es wird auch nicht jeder potentielle Täter von seinem Vorhaben abgebracht. Aber hat erstmal das Bewußtsein um den Wert der kulturellen Leistungen der deutschen Juden sich breit gemacht, werden es Täter immer schwerer haben in ihrer persönlichen Umgebung Anerkennung oder Duldung ihrer Taten zu finden.
     
    Daher machen die Herren Außen- und Innenminister auch nichts falsch, wenn sie ihren Einfluss einmal in diese, von mir oben skizzierte, Richtung geltend machten. Neben TV, wären Schulbücher, der Rundfunk, überregionale Printmedien, ja selbst die BILD-Zeitung geeignete Transportmitttel für diese neue Form von Bildungsvermittlung.
     
    Alles beim Alten zu belassen (nichts zu tun) und beim nächsten Anschlag erneut „verabscheuungswürdige Tat“ zu rufen, wäre ein Armutszeugnis und sollte sowohl Schäuble als auch Westerwelle als direktes persönliches und schändliches Versagen vorgehalten werden.

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