„Liebesbeziehung ohne Ehevertrag“

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Der iranische Sondervertreter Reza Saffinia mit Israels Premier Ben-Gurion bei einem Empfang in Jerusalem, Juni 1950, Foto: Théodore Brauner / National Photo Collection of Israel, ID D768-068

Einst waren Israel und der Iran Partner in der Region. Doch mit der Islamischen Revolution kam die Wende. Seither predigen die Mullahs Hass und Vernichtung – eine Spurensuche aus den vermeintlich besseren Tagen im Verhältnis der beiden Länder.

Von Ralf Balke

Derzeit herrscht zwischen Israel und dem Iran Krieg. Offiziell ist dieser zwar nicht erklärt worden, aber de facto sprechen seit Tagen die Waffen. Keiner weiß, wie lange die israelische Luftwaffe im Iran noch operieren wird oder wann endlich Schluss ist mit den ständigen iranischen Angriffen auf israelische Bevölkerungszentren. Sehr wohl aber weiß man, dass das Verhältnis zwischen beiden Ländern, die nicht einmal eine gemeinsame Grenze haben, früher ein anderes war. Gemeint ist die Zeit vor der Islamischen Revolution im Jahr 1979, als die Mullahs die Herrschaft an sich rissen und Ayatollah Khomeini Israel zum „Krebsgeschwür“ erklärte, dass es zu vernichten gilt, weshalb Teheran seit Jahrzehnte alle verfügbaren Ressourcen einsetzt, um genau dieses Ziel zu verwirklichen.

Denn Schah Mohammad Reza Pahlevi, den die Mullahs 1979 vom Thron gestürzt hatten, pflegte zum jüdischen Staat ein anderes Verhältnis. Der Regent, der das Land ebenfalls mithilfe eines ausgeklügelten Repressionsapparates kontrollierte und daher schwerlich als Demokrat bezeichnet werden kann, betrachtete Israel als Verbündeten in einer Region, die durch ethnische sowie religiöse Trennungslinien geteilt war, die wiederum über Jahrhunderte hinweg bis in die Gegenwart wirkungsmächtig sein sollten: Die Iraner sind mehrheitlich keine Araber und gehören weitestgehend dem schiitischen Zweig des Islams an, sodass man sunnitischen Staaten wie dem Irak, Ägypten oder Syrien eher skeptisch bis feindselig gegenüberstand und auch noch steht – eine politische Ausgangslage, die man mit Israel in Teilen gemeinsam hatte. Daher auch die Bereitschaft des Irans, im März 1950 Israel als zweites islamisches Land nach der – gleichfalls nichtarabischen Türkei – anzuerkennen. Staatsgründer David Ben Gurion dachte ähnlich und glaubte, nichtarabische Staaten oder nicht-sunnitische Minderheiten im Nahen und Mittleren Osten, eignen sich bestens als potenzielle Partner, sodass man schon frühzeitig die Fühler Richtung Türkei, dem Iran, aber ebenfalls ins christliche Äthiopien ausstreckte.

Dann gab es aber eine kurze Eiszeit, zumindest seitens des Irans. 1951 wurde Mohammed Mossadegh Premierminister des Landes. Sein Ziel, die Verstaatlichung der Ölindustrie, brachte ihn in Konflikt mit Großbritannien und den Vereinigten Staaten, die deshalb auf seinen Sturz hinwirkten, der 1953 dann auch geschah. In dieser Phase hatte sich Teheran um eine Verbesserung der Beziehungen mit den arabischen Staaten bemüht, weshalb Mohammad Mossadegh auch den iranischen Gesandten aus Israel zurückbeorderte und öffentlich erklärte, dass man Israel die Anerkennung wieder entzogen habe. Tatsächlich aber hat der Iran Israel nie offiziell über diesen „Widerruf“ der Anerkennung informiert, sodass Israel de facto weiterhin von der Regierung in Teheran anerkannt wurde.

In den Jahren danach sollten sich die Beziehungen zwischen beiden Ländern deutlich intensivieren. Tausende Israelis, darunter viele Geschäftsleute, pflegten im Iran enge Kontakte. Die israelische Airline El Al bot bald täglich Flüge zwischen Tel Aviv und Teheran an, es gab dort sogar eine israelische Schule. Zahlreich sind die Anekdoten aus dieser Zeit, die heute undenkbar wären. Einige von ihnen zeigt der israelische Dokumentarfilm „Before the Revolution“ aus dem Jahr 2013. Unter anderem wird darin erzählt, wie Yaakov Nimrodi, Israels Militärattaché vor Ort, eine Gruppe hochrangiger Armeeoffiziere in seinem Haus in Teheran zu Gast hat. Bei dieser Gelegenheit sollte sein damals acht Jahre alter Sohn Ofer die Besucher mit seinen Klavierspielkünsten beglücken, was dem iranischen Generalstabschef General Fereydoun Djam so gut gefiel, dass er seine goldene Uhr vom Arm nahm und diese dem Jungen schenkte.

Zugleich verrät dieser Film auch etwas über die Ambivalenz der Beziehungen. Man wusste um die Menschenrechtsverletzungen des Schah-Regimes und ignorierte beispielsweise die Folterungen von Dissidenten durch den Geheimdienst Savak, mit dem man mitunter kooperierte. Der Iran des Schah galt für Waffenhändler als eine Art Eldorado. So hatte Yaacov Nimrodi, Ofers Vater, unter anderem 50.000 Uzi-Maschinenpistolen an die Armee des Schahs verkauft. 1977 initiierten Teheran und Jerusalem sogar das Projekt „Blume“. Man wollte gemeinsam ein Raketensystem entwickeln, das auf dem seegestützten israelischen Gabriel-Lenkflugkörpern basieren sollte und womöglich sogar mit atomaren Sprengköpfen hätte ausgestattet werden können. Im Gegenzug lieferte der Iran erst einmal Erdöl im Wert von 280 Millionen Dollar. Doch die Islamische Revolution setzte auch dem Projekt „Blume“ ein jähes Ende. Das Agieren Israels unterschied sich übrigens nicht von dem der meisten westlichen Staaten in dieser Zeit, allen voran der Bundesrepublik, wo der Schah unter anderem bei der Siemens-Tochter KWU für 20 Milliarden DM vier Atommeiler orderte sowie ein gutes Dutzend Fregatten, Schnellboote, Minenräumer und U-Boote bei den deutschen Werften. Die Iraner verfügten aufgrund ihrer Ölvorkommen über reichlich Geld und das gaben sie gerne aus.

Reuven Merhav berichtet dem Sicherheitsexperten Ronen Bergmann, dass es weitere Gründe gab, warum man so wunderbar kooperierte. Einer davon lautet Jimmy Carter, 1976 zum US-Präsidenten gewählt. „Carter begann nach den Menschenrechten zu fragen und interessierte sich dafür, was  sonst so im Iran geschah“, so wird der ehemalige Leiter des Mossad-Büros in Teheran in dem Buch „The Secret War with Iran“ zitiert. „Die Iraner befürchteten, dass sich die Türen in Amerika und im westlichen Europa schließen könnten, sodass sie nach alternativen Nachschubquellen zu suchen begannen.“ Und da kam Israel verstärkt ins Spiel. „Blume“ war laut Reuven Merhav nur eines von vielen Projekten, das man gerne verwirklicht sehen wollte. Denn das Land war ambitioniert. „Der Schah wollte, dass der Iran eine Regionalmacht wird. Dafür benötigte er eine mächtige Armee. Er brauchte allein für seine Generäle, seine Minister und sich selbst eine ganze Flotte von Boeing 747, um herumzufliegen. Er wollte Gastgeber wichtiger internationaler Konferenzen werden, weshalb er Hotelanlagen mit goldenen Badezimmern bauen ließ. Und er brauchte Raketen. Ich weiß, dass er auch über Nuklearwaffen nachdachte.“ 

Besuch des Leiters des Militärgeheimdienstes, Generalmajor Meir Amit, in den Ölanlagen in Abadan, Iran. Von r.n.l.: Oberst Yaakov Nimrodi – ehemaliger IDF-Attaché in Teheran, Meir Amit, Rafi Efrat und zwei iranische Offiziere, Foto: By IDF Spokesperson’s Unit, CC BY-SA 3.0

Israel, das in den 1970er Jahren außenpolitisch wenig Freunde hatte und in der Region fast nur Feinde, setzte deshalb stark auf die iranische Karte – Menschenrechte hin oder her. Außerdem war das Land wichtig für die Versorgung mit Rohstoffen. „Nach dem Suez-Krieg, so ab dem Jahr 1956 begannen wir im Iran zu arbeiten und versuchten – letztendlich erfolgreich – Erdöl zu kaufen, was uns ja von den Arabern und dem Westen verweigert wurde“, berichtet Aryeh Levin, zwischen 1973 und 1977 die Nummer Zwei in der israelischen diplomatischen Vertretung in Teheran der „Times of Israel“. Umgekehrt war Israel auf vielen Ebenen ein begehrter Partner. „Wir galten als engagiert, fleißig und hilfsbereit – vor allem nach dem tragischen Erdbeben von 1962 in der Region Qazvin, wo wir schließlich die Landwirtschaft, den Dorfbau und die kommunale Organisation planten und neu gestalteten“, so Aryeh Levin weiter. „In der Landwirtschaft hatten wir eine Reihe talentierter und erfahrener Experten, die den Iranern, die selbst hervorragende Landwirte sind, ausbildeten und ihnen moderne Produktions- und Bewirtschaftungsmethoden beibrachten.“

Doch ganz so unkompliziert und offen waren die Beziehungen nicht wirklich. Die israelische Vertretung in Teheran war nach Außen hin nie offiziell eine Botschaft, es wehte keine blau-weiße Fahne davor. David Menashri vom Moshe Dayan Center an der Universität Tel Aviv, der als Historiker und Iranexperte vor 1979 eine umfangreiche Studie über das Verhältnis beider Länder durchgeführt hatte, berichtet von einer damaligen Begegnung mit einem Vertreter des iranischen Außenministeriums. Auf die Frage, warum die israelisch-iranischen Kontakte so wenig Öffentlichkeit erfahren durften, bekam er folgende Antwort: „Er sagte ‚Das ist wie eine Liebesbeziehung ohne Ehevertrag‘. Er sagte auch, es sei besser, Liebesbeziehungen ohne einen Vertrag zu haben, als einen Vertrag zu haben, der nicht viel bedeutet.“

Wie die anderen westlichen Staaten, die eng mit dem Iran zusammenarbeiteten, wurden auch die Israelis von den Ereignissen des Jahres 1979 überrumpelt – nicht zuletzt deshalb, weil man ebenfalls in einer Art „Bubble“ lebte, relativ unberührt von den Realitäten außerhalb der Hauptstadt. Ayatollah Khomeini spielte in den nachrichtendienstlichen Einschätzungen allenfalls eine Nebenrolle – ein Riesenfehler wie sich später herausstellen sollte. Als die ersten Anti-Schah-Demonstrationen gewalttätig wurden, ließ der Regent Panzer auffahren und verhängte eine nächtliche Ausgangssperre. Die meisten Israelis fühlten sich weiterhin sicher, dachten, der Schah sitze weiterhin sicher auf seinem Thron. Doch die Proteste flauten nicht ab – eher das Gegenteil war der Fall, sodass erste Pläne für eine Evakuierung erarbeitet wurden, deren Umsetzung man aber noch herauszögerte. Dann ging alles ganz schnell. Dennoch gelang es den Israelis, ihr gesamtes Personal und alle Staatsangehörigen in Sicherheit zu bringen. Obwohl die Anhänger des Ayatollah Khomeinis Israel mindestens genauso hassten wie die Vereinigten Staaten, kam es deshalb nicht zu einer vergleichbaren Situation, dass plötzlich das Botschaftspersonal als Geiseln genommen wurde. Als es dann nur noch darum ging, das Land so rasch wie möglich zu verlassen, handelte man geschickter.