„Musik als Zeichen des friedlichen Miteinanders“

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Maximilian Hornung, (c) Marco Borggreve

80 Jahre Ende des Zweiten Weltkriegs und Befreiung der Konzentrationslager nehmen die Erzabtei St. Ottilien und das Klassikfestival AMMERSEErenade zum Anlass für ein denkwürdiges Jubiläum: In Erinnerung an das legendäre Befreiungskonzert von Holocaust-Überlebenden am 27. Mai 1945 in St. Ottilien werden auf den Tag genau 80 Jahre später am Originalschauplatz auf der Klosterwiese Werke aus dem Originalprogramm zu hören sein, wie damals vor etwa 600 Patienten des Klosterhospitals.

Erzabt Wolfgang Öxler sieht in der Erinnerung daran einen wichtigen Auftrag für die Klostergemeinschaft: „Das Befreiungskonzert erinnert an Orte und Ereignisse, die uns bis heute zur Versöhnung und zur Wachsamkeit mahnen. Nach der Shoa wurde St. Ottilien im Frühjahr 1945 für viele Überlebende zu einem Ort der Hoffnung und der Heilung. Es erfüllt uns mit großer Dankbarkeit, dass wir 80 Jahre später an diesem historischen Ort erneut Musik als Zeichen des Lebens, der Würde und des friedlichen Miteinanders erklingen lassen dürfen.“

Zu Gehör kommen die Sopranistin Teresa Boning und der vielfach preisgekrönte Cellist Maximilian Hornung sowie die gefeierte Pianistin Alexandra Troussova. Sie werden begleitet von acht Musikern des Bayerischen Staatsorchesters, das entspricht zahlenmäßig der Originalbesetzung. Gespielt werden Stücke von Tomaso Albinoni, Georges Bizet, Edvard Grieg, George Gershwin und Max Bruch. Außerdem wird die Komposition „Liberation“ von Eliav Kohl aus Tel Aviv aufgeführt, die er als Artist in Residence in St. Ottilien 2021 schrieb.

Zum Auftakt der Matinée liest Film- und Fernsehschauspieler Heino Ferch aus dem bewegenden Zeitzeugenbericht von Robert L. Hilliard „Von den Befreiern vergessen“. Hilliard war im Mai 1945 als Soldat der US-Besatzungstruppe in Bayern und Herausgeber der damaligen Armeezeitung. Heino Ferch: „Die Mitwirkung am Befreiungskonzert in Sankt Ottilien ist für mich nicht nur eine Ehre und eine Freude, die Erinnerung an das Liberation Concert in Sankt Ottilien ist vor allem eine Mahnung, unsere freiheitliche Demokratie und die Menschenrechte immer wieder und gerade heute engagiert zu verteidigen und allen autoritären und menschenverachtenden Bestrebungen im Privaten und in der Öffentlichkeit entgegenzutreten.“

Im Anschluss an das Befreiungskonzert singt der große Schulchor des Rhabanus-Maurus-Gymnasiums St. Ottilien unter der Leitung von Johannes Gruber auf dem jüdischen Klosterfriedhof den Choralsatz „Verleih uns Frieden“ von Felix Mendelssohn Bartholdy. Zum Finale ertönt der archaische Klang des Widerhorns Shofar von Bar Zemach, dem preisgekrönten jungen Solo-Hornisten des West-Eastern Divan Orchestras, Berlin.

Hinweis: Zu der Gedenkveranstaltung gibt es keinen Kartenverkauf. Der Eintritt ist frei!

Hintergrund

Am Nachmittag des 27. Mai 1945 – nur drei Wochen nach Ende des Zweiten Weltkriegs – spielten jüdische Musiker aus den Konzentrationslagern vor dem jüdischen DP-Hospital St. Ottilien ihr erstes Konzert – das Befreiungskonzert. Auf dem Platz zwischen dem heutigen Tagesheim und der Seminarkirche St. Michael erklangen Klassiker von Grieg und Bizet, jüdische Volkslieder und die Hymnen der Alliierten. Jüdische Musikerinnen und Musiker aus den umliegenden Konzentrationslagern spielten als Displaced Persons Orchestra das Liberation Concert für die hoffnungslosen, vielfach schwerkranken Überlebenden.

Das Hospital für sogenannte Displaced Persons in St. Ottilien unweit des Ammersees im Süden Münchens war von 1945 bis 1948 für alle aus Dachau und anderen Lagern Befreite ein erster Ort der Freiheit. Aus dem Befreiungskonzert von 1945 ist die viel beachtete LIBERATION CONCERT-Reihe St. Ottilien hervorgegangen, die in in diesem Jahr am 20. September in der Klosterkirche der Erzabtei das Klassikfestival AMMERSEErenade beendet. Mit dieser Reihe würdigt das Klassikfestival seit 2018 unter der Schirmherrschaft von Frau Dr. h.c. Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, jedes Jahr im September dieses bedeutsame und einzigartige Geschichtsmoment. 

80 Jahre Befreiungskonzert St. Ottilien, 27. Mai 2025, 10.30 bis 11.30 Uhr, Erzabtei St. Ottilien, Open Air auf dem Konzertplatz zwischen Tagesheim und Seminarkirche St. Michael. Anschliessend Spaziergang zum Jüdischen Klosterfriedhof.

Achtung, bei Regen findet das Konzert in der Seminarkirche St. Michael statt. Eintritt frei.

Weitere Infos: https://www.ammerseerenade.de/home/matinee-80-jahre-befreiungskonzert-st-ottilien/

–> „Mein Herz hat geweint“
Leonard Bernstein dirigierte im Mai 1948 die Orchester von Überlebenden in deutschen DP-Camps