Mit viel Engagement, Professionalität und Herzblut haben Mitglieder von Jugend- und Auszubildendenvertretung und der Berufsausbildung am Standort Wolfsburg den Sara-Frenkel-Preis 2024 von der Ausschreibung bis zur Preisverleihung organisiert. Höhepunkt war die Verleihung des Preises im Forum des Konzernarchivs. Mit dem Sara-Frenkel-Preis zeichnet Volkswagen seit 2019 Ideen und Initiativen junger Menschen aus, die für Respekt und Toleranz im Miteinander werben und zu Zivilcourage gegen Gewalt und Rassismus aufrufen.
Werte und Verhaltensweisen, welche die Namenspatronin, Sara Frenkel-Bass, eindrucksvoll vorgelebt hat. Sie war von 1943 bis 1945 Zwangsarbeiterin im Volkswagenwerk in der damaligen Stadt des KdF-Wagens. Ihr Leben lang hat sie sich für die Werte Respekt, Toleranz und Zivilcourage und gegen das Vergessen engagiert. Und sie fordert zu einer aktiven Haltung auf: „Ich appelliere an die junge Generation: Seid wachsam, schaut hin, hört nicht weg. Steht zusammen und macht den Mund auf, wenn wieder über Andersdenkende, Andersfarbige und Andersgläubige gehetzt wird. Das Leid von damals darf sich nicht wiederholen.“ Die heute 101-Jährige lebt in Antwerpen (Belgien).
Die Arbeit gegen das Vergessen und eine aktive Erinnerungskultur haben für Konzernpersonalvorstand Gunnar Kilian seit je her einen hohen Stellenwert. Der Beitrag von Zeitzeugen wie Sara Frenkel-Bass zur Erinnerungsarbeit des Unternehmens ist dabei von unschätzbarem Wert: „Sara Frenkel teilt ihre Erfahrungen als Überlebende des Holocaust mit Generationen junger Menschen. Ihr unermüdliches Engagement gegen das Vergessen und für unsere gemeinsamen Werte ist gerade in der aktuellen Zeit von großer Bedeutung. Der Sara-Frenkel-Preis repräsentiert die Idee, dass jede und jeder von uns die Möglichkeit hat, Veränderungen zu bewirken, wenn wir nur den Mut dazu haben. Daher ist es wichtig, Ideen und Initiativen, die sich für Respekt, Toleranz und Zivilcourage stark machen, zu würdigen und zu fördern “.
Daniela Cavallo, Vorsitzende des Gesamt- und Konzernbetriebsrats: „‘Gegen das Vergessen – weg von Rassismus und Gewalt, hin zu Respekt und Toleranz.‘ So lautet das Motto des Sara-Frenkel-Preises. Leider ist diese Botschaft zurzeit aktuell und wichtig wie schon lange nicht mehr: Rechte Parteien gewinnen europaweit und auch darüber hinaus an Wählerstimmen. Im Nahen Osten eskalieren Konflikte massiv. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine dauert bereits drei Jahre. Vor unserer Haustür finden antisemitische Demonstrationen von Islamisten und Linksextremisten statt. Und Anschläge wie auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt und den Demonstrationszug von ver.di-Kolleginnen und -Kollegen in München erschüttern uns. Umso wichtiger ist der Einsatz unserer Jugend- und Auszubildendenvertretung, die den Sara-Frenkel-Preis ins Leben gerufen hat und die Preisverleihung gemeinsam mit der Berufsausbildung organisiert. Genau so entscheidend ist die Vielzahl an eingereichten Projekten von jungen Menschen, die sich für ein Miteinander und Zivilcourage einsetzen. Dafür bedanke ich mich ganz herzlich.“
Das in diesem Jahr mit dem Sara-Frenkel-Preis ausgezeichnete Forschungsprojekt von Schülerinnen und Schülern der Neuen Schule Wolfsburg befasst sich mit der Arbeit der jüdischen Medizinerin Hannah Peters. Die Zweitplatzierten, Schülerinnen des Phoenix Gymnasiums hat eine Veranstaltung zum Holocaust-Gedenktag konzipiert und ausgerichtet. Die Gedenkveranstaltung umfasste eine Fotoausstellung, musikalische Beiträge eines Klezmer-Ensembles, ein Zeitzeugen-Interview, Vorträge und eine Podiumsdiskussion.
Der dritte Platz geht an die Volkswagen Mechatroniker-Auszubildenden im ersten Ausbildungsjahr. Im Rahmen ihres Projekts soll mit Stolpersteinen speziell auf das Schicksal von Kindern aus der Region Wolfsburg aufmerksam gemacht werden.
Sara-Frenkel-Preis geht an die Neue Schule Wolfsburg
Den 1. Preis erhielten Schülerinnen und Schüler der Neuen Schule Wolfsburg. Im Seminarfach „Gesundheit Natur & Technik“ arbeiteten sie zu der jüdischen Ärztin Hanna Peters und den jüdischen Ärzten Alfred Sternthal und Siegfried Löwenthal aus Braunschweig.
Die jüdische Ärztin Hannah Peters (1911 – 2009) ist eine bedeutende Ärztin und Forscherin des 20. Jahrhunderts. Sie wurde in Berlin geboren, ging in Braunschweig zur Schule, wanderte 1933 in die USA aus, weil die von den Nationalsozialisten ausgegrenzt und verfolgt worden war. Im Gesundheitsbereich forschte Dr. med. Hannah Peters über Krankheiten, die speziell Frauen betrafen. Sie setzte für weibliche zumeist dunkelhäutige amerikanische Schiffsarbeiterinnen – „Rosies“ genannt – ein medizinisches Vorsorgesystem auf, was weltweit zum Standard wurde. Die Auswirkungen dieser Reihenuntersuchungen beispielsweise in der Krebsvorsorge sind bis heute die Grundlage unseres Gesundheitssystems.
Die jüdischen Ärzte Alfred Sternthal und Siegfried Löwenthal begründeten in Braunschweig die Nuklearmedizin. Mit ihren Forschungen schufen sie die Grundlagen für die Strahlentherapie. Dabei nutzen Sie die Forschungsergebnisse des Chemikers Friedrich Giesel, um in Braunschweig neue medizinische Maßstäbe zu setzen. Nach 1933 wurden sie trotz ihrer bedeutenden und gesellschaftlich anerkannten Verdienste in Braunschweig ausgegrenzt. Sie entzogen sich nach 1935 der Verfolgung durch Auswanderung nach Chicago und nach Tel Aviv, wo sie weiter auf diesem Gebiet praktizieren konnten.
Partizipation von Jugendlichen ist ein Schlüssel für gelungene Antisemitismusprävention
„Es ist wie eine Impfung gegen rechts – nur ohne Piks“, meint eine Schülerin. „Antisemitismus ist anerzogen, nicht angeboren. Deshalb ist die Schule der richtige Ort, um Toleranz und Respekt zu trainieren – wie im Sport.“
Das Projekt „Spuren jüdischen Lebens im Braunschweiger Land“ stärkt die Resilienz von jungen Menschen gegen Antisemitismus. Jugendliche aus der Region Braunschweig und Wolfsburg erarbeiten Biographien von Jüdinnen und Juden, die das gesellschaftliche Leben zu ihrer Zeit in Deutschland stark geprägt haben. Das neu entstandene Wissen verhindert wirksam die Vorurteile gegen Menschen anderen Glaubens. Felix Klein, der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, ist der Schirmherr des Projekts.
Der Vater von Dr. Hannah Peters war einer der ersten zionistischen Maler, der Graphiker und Fotograf Ephraim Moses Lilien (1874 – 1925). Seine Wirkungsorte liegen in der heutigen Ukraine, Polen Deutschland, Österreich, der Slowakei Ungarn, der Türkei und Palästina. Seine Bilder bereichern die Sammlungen von Museen in Berlin und Braunschweig, München und Zürich, New York City und Los Angeles, Tel Aviv oder Jerusalem. Seit dem 26. März 2025 feiert eine Ausstellung im Braunschweigischen Landesmuseum seinen 100. Todestag.
Die Region rund um Seesen, Halberstadt, Wolfenbüttel und Braunschweig ist eine Wurzel des liberalen Judentums und der Neo-Orthodoxie. Die heutige Beschäftigung mit diesem Thema fördert Respekt und Toleranz an Schulen und wirkt von dort aus in die Gesellschaft hinein.
Als Volkswagen im Herbst 2016 Rabbiner Prof. Dr. Ismar Schorsch aus New York in die Neue Schule Wolfsburg einlud, beschrieb er vor mehr als 250 Schülerinnen und Schülern als Zeitzeuge das reiche jüdische Erbe dieser Region. Es entstand die Idee, gemeinsam mit Jugendlichen dieser Schule das Wissen zu Jüdischem Leben der Region zusammenzutragen. Viele Schülerinnen und Schüler der Schule haben sich seitdem in Geschichtskursen und Arbeitsgemeinschaften mit diesem Thema beschäftigt. Dabei stand der Reformer Israel Jacobson, Ärztinnen wie Hannah Peters oder der Maler Ephraim Moses Lilien im Mittelpunkt. Ein Reiseführer beschreibt die Ergebnisse der Jungforscher. Rabbiner Ismar Schorsch schrieb das Vorwort zur englischen Ausgabe. Die Webseite www.israel-jacobson.de lädt dazu ein, diese Region zu besuchen.