MUH – Heimatpflege jenseits von Volkstümelei

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Die neue MUH ist da! Seit nunmehr 14 Jahren erscheint dieses außergewöhnliche Printmedium für „bayerisches Wesen und Unwesen, bayerische Kulturen und Unkulturen, Gemütlichkeit und Ungemütlichkeiten“, so die Macher des Magazins in ihrer Eigendarstellung.

Von Wiggerl Landman

Ursprünglich wurde die MUH von bajuwarischen Kulturjournalisten und Künstlern als Druckschrift für „Musi und Heimat“ gegründet – eine maßgebliche Rolle spielte dabei übrigens Stefan Dettl, der Frontmann der Blasmusik-Erneuerer „La Brass Banda“. Inzwischen hat sich das Blatt zu einem kosmopolitischen Fachorgan des Neo-Bavarismus gemausert, das in Zeiten der galoppierenden Globalisierung den Fokus mit frischem Blick auf das Regionale und Lokale richtet, dabei aber die „neue Kultigkeit“ des Bayerischen ebenso kritisch hinterfragt wie die althergebrachten Tümeleien. Die MUH möchte sich nicht nur „wohlig ans Bayerische anschmiegen, sondern sich auch unbequem daran reiben“.

Das tut sie – auch in der nun vorliegenden 56. Ausgabe. Neben Fragen zum Dialekt (ein Bairischprofessor klärt auf), einem Text über den verstorbenen Schauspieler Werner Stocker, der als „bayerischer James Dean“ gilt, enthält die Ausgabe Fotostrecken und Berichte über den Ukrainekrieg, die Wichtigkeit von Straßenrandgrün als biodiverse Lebensräume oder die Eigenheiten von Buswartehäuschen. Daneben kommt die Politik und Heimatgeschichte nicht zu kurz: Eine spannende Reportage zeichnet die NS-Vergangenheit des Zeitungsverlegers des Ingolstädter „Donaukuriers“ nach, die Jahrzehnte verdrängt und geleugnet wurde. Ein weiterer Schwerpunkt dieser Nummer ist dem jüdischen Neubeginn im Land der Täter nach 1945 gewidmet.

Unter dem Titel „Bayern unterm Davidstern“ informiert die reichbebilderte 10 Seiten umfassende Reportage über die zahlreichen Displaced Persons Camps genannten Auffanglager für Überlebende der Shoa, wie sie etwa in Föhrenwald, Landsberg, Pocking oder Feldafing existierten. In diesen Wartesälen zur Emigration kam es zu einer Renaissance der nahezu vernichteten osteuropäischen Schtelt-Welt, mit eigenen Schulen, Sportklubs, Synagogen, Kinderheimen und jiddischsprachigen Zeitungen. Zwischen 1945 und 1949 lebten Zehntausende Juden in diesen Lagern und warteten auf ihre Ausreise nach Israel, den USA, Kanada oder Australien. In dieser Zeit kam es zu einem wahren Babyboom, stolz schoben die jungen jüdischen Mütter unter dem Motto „Mir sejnen do“ ihre Kinderwägen durch deutsche Städte. Kurzfristig stand sogar die Einrichtung eines temporären bayerischen Judenstaates auf der Agenda. Auf Anregung von David Ben-Gurion, dem späteren ersten Ministerpräsidenten Israels, sollten ein oder zwei Landkreis geräumt werden, um dort die Shoa-Überlebenden bei weitgehender Selbstverwaltung unterzubringen. Dass es also beinahe ein „bayerisches Israel“ gegeben hätte, findet selbst bei Historikern bis heute kaum Beachtung. Umso lobenswerter, dass die neue MUH diese bemerkenswerte Fußnote der deutsch-jüdischen Geschichte nun einer breiteren Öffentlichkeit bekannt macht.

Die Zeitschrift erscheint vierteljährlich in einer Auflage von 15.000 Exemplaren, kostet 9,80 € und ist in rund 400 Bahnhofs- und Flughafenbuchhandlungen, aber auch in ausgewählten Buchhandlungen, Supermärkten, Tankstellen oder direkt beim Verlag erhältlich: https://www.muh.bayern/

Übrigens, die MUH hat 2021 haGalil in einem ausführlichen Porträt vorgestellt:
„Begegnung ist das Einzige was gegen Antisemitismus hilft“
Eva Ehrlich und Andrea Livnat vom jüdischen Online-Magazin Hagalil über Antisemitismus und jüdisches Leben zwischen München und Tel Aviv