Ein Hoffnungsschimmer am Schabbat

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Foto: IDF

Was für ein Schabbat das war. Das ganze Land hat die Befreiung der vier Geiseln gefeiert. Noa Argamani, Shlomi Ziv, Almog Meir Jan und Andrej Koslov sind zuhause. Nach 245 Tagen. Es war ein emotionaler Tag, der die bitteren Realitäten für einen kleinen Moment vergessen ließ.

Schon in den vergangenen Tagen hatte die israelische Armee ihre Operation im Flüchtlingslager Nuseirat verstärkt. Spätestens seit dem späten Vormittag war dann klar, dass etwas Besonderes vor sich geht. In Telegram-Kanälen kursierte bald das Gerücht, dass die Armee israelische Geiseln befreien konnte. Im Fernsehen wurde auf Sondersendungen umgeschaltet und den Journalisten war anzusehen, dass sie sich auf die Zunge beißen mussten, um die frohe Nachricht noch nicht preiszugeben. Um 14.15 Uhr dann die offizielle Mitteilung von Armeesprecher Daniel Hagari.

Und bald auch die ersten Bilder, die drei Männer flankiert von Soldaten verlassen den Hubschrauber, der sie aus Gaza ausgeflogen hat. Noa mit ihrem Vater. Nachrichten und Bilder, die auch hartgesottenen Journalisten die Tränen in die Augen trieben, Freudenschreie auf öffentlichen Plätzen auslösten, das verkrampfte Herz der Nation ein wenig entspannte.

Noa Argamani ist eines der bekanntesten Gesichter der Geiseln. Die Bilder ihrer Entführung auf einem Motorrad, offensichtlich von palästinensischen Zivilisten, gingen um die Welt. Noas Mutter Liora hat Krebs im Endstadium und wünscht sich seit Monaten nur noch, ihre Tochter noch einmal zu sehen. Das konnte sie gestern endlich. Nach einem ersten Check und dem Zusammentreffen mit der übrigen Familie wurde Noa ins Ichilov Krankenhaus, wo ihre Mutter behandelt wird, gebracht. 

Noa wurde in verschiedenen Wohnungen gefangen gehalten. Zunächst war sie mit Itay Svirsky und Jossi Sharabi zusammen. Sharabi wurde wahrscheinlich durch einen Luftangriff der israelischen Armee getötet, Svirsky ermordet. Im Anschluss war Noa alleine in einer Wohnung untergebracht, etwa 200 Meter Luftlinie entfernt von dem Haus, in dem die drei Männer gefangen gehalten wurden.

Andrej Koslov wanderte vor eineinhalb Jahren alleine nach Israel ein. Er konnte gestern aber bereits mit seiner Mutter in Russland sprechen, die heute nach Israel kommt. Sie hatte in den vergangenen Monaten intensiv Hebräisch gelernt, um sich an den Kundgebungen für die Geiseln beteiligen zu können. Andrej hatte als Sicherheitsmann am Nova Festival gearbeitet. Genau wie Shlomi Ziv. Shlomi stammt aus Elkosh, im Norden Israels. Bei einem ersten Videogespräch mit seiner Frau erfuhr er, dass zumindest einer seiner beiden Freunde und Kollegen das Massaker am Nova Festival überlebte. Almog Meir Jan wurde ebenfalls von dem Festival entführt. Von ihm kursierte ein Video, in dem man ihn, gemeinsam mit vier weiteren jungen Männern, gefesselt und in Todesangst sah. 

Die vier erzählten in ersten Gesprächen, dass sie in Gaza einer „Gehirnwäsche“ ausgesetzt waren und dazu gezwungen wurden, im Koran zu lesen. Sie erzählten außerdem, dass sie immer wieder Radio hören konnten und von den Demonstrationen für die Freilassung der Geiseln wussten, was ihnen Kraft gab.

Die wunderbaren Nachrichten wurden aber auch getrübt. Bei der hoch riskanten Aktion wurde Arnon Zamora (39), ein Polizist der Elite-Einheit Jamam, schwer verletzt und erlag später seinen Verletzungen. Arnon hinterlässt seine Ehefrau und zwei Kinder. 

Am Abend wurde bekannt, dass der Vater von Almog Meir Jan am Samstagmorgen tot in seiner Wohnung aufgefunden wurde. Er war seit längerem krank, die Familie sagte, das er an der Sorge und Trauer starb.

Ebenfalls bitter war ein Post des Vaters von Noa Marciano, einer Späherin, die nach Gaza entführt und dort ermordet wurde. Noas Vater schrieb, dass Netanyahu nur dann zu Besuch komme, wenn es ein gutes Ende gäbe. Tatsächlich ließ er es sich nicht nehmen, nach einem Telefonat gestern auch selbst ins Krankenhaus zu kommen. Ansonsten glänzt er, wie auch seine Regierung vor allem durch Abwesenheit.

Am Abend gab es dann wieder landesweite Demonstrationen, sowohl für ein Abkommen, das die verbliebenen 120 Geiseln nach Hause bringt, wie auch für Neuwahlen. Klar ist, dass der Erfolg der gestrigen Operation ein Abkommen nicht ersetzen kann. Für die Geiseln, die in den Tunnelsystemen der Hamas gefangen gehalten werden, kann es keine andere Lösung geben.