Wenn das Mitgefühl im Halse stecken bleibt

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Seit Monaten bekomme ich Zuschriften, die mir unterstellen, das Leid der Palästinenser sei mir egal. Die Bandbreite dabei variiert von: „Ich finde Sie müssten auch mal was zum Leid der Palästinenser sagen!“ über „Dir sind die Kinder Gazas doch komplett wumpe!“ bis hin zu: „Sie machen sich mitschuldig am Völkermord!“ Also das sind die „normalen Zuschriften“. Die, die mit Gewaltphantasien mir gegenüber einhergehen, zitiere ich hier nicht.

Von Ramona Ambs

Tatsächlich hab ich aber in vielen meiner Artikel auch immer wieder Mitleid für unschuldige Zivilisten in Gaza bekundet. Denn natürlich kann ein zehnjähriges Kind nichts für die Mörderbande Hamas, die da herrscht. Und natürlich finde ich es schrecklich, wenn Krieg ist.

Gleichwohl finde ich es völlig legitim, Mitgefühl einzufordern. Wir Juden versuchen das seit dem 7.Oktober ja auch, wir wissen wie es ist, wenn der eigene Schmerz die Umgebung völlig kalt lässt oder wenn auf jedes Ja ein Aber folgt. Die Einsamkeit tut schrecklich weh. Und auch ich schreibe ja gegen die Gleichgültigkeit an. Warum also sollte ich das also anderen absprechen…?

Nur…:

Das Problem bei dieser Suche nach Empathie ist meiner Erfahrung nach: es hat tatsächlich nicht viel Erfolg. Entweder Dein Gegenüber fühlt mit oder es hat sein Herz für Dein Leid – warum auch immer – verschlossen.

Mein Herz ist für das Leid der Palästinenser nicht verschlossen, aber ich merke durchaus, das mein Mitgefühl teilweise in der Kehle steckenbleibt.

Das hat verschiedene Gründe. Zum einen natürlich, weil das Oktoberpogrom Auslöser für diesen Krieg war und wir immer noch Geiseln haben, die in Gaza festgehalten werden und von denen niemand weiß, ob sie noch leben und wie es ihnen geht. Hinzu kommt, es gibt einen relativ großen Rückhalt der Hamas in der palästinensischen Bevölkerung; 57 % der Leute in Gaza befürworteten den Terrorangriff und das Ansehen der Hamas ist seit dem Anschlag sowohl in Gaza als auch im Westjordanland gestiegen.

Von den zurückgekehrten Geiseln wissen wir, dass sie teilweise in verschiedenen Familien versteckt waren und sehr schlecht behandelt wurden, andere hockten in den Tunnelverliesen, einige wurden gefoltert. Dass die Hamas ihr Tunnelsystem unter Schulen und Krankenhäuser und UN-Gebäuden baut, haben die Palästinenser nicht verhindert. Es gibt auch keine Putschversuche oder Demonstrationen gegen die Hamas weder in Gaza, noch im Rest der Welt..

Ich bin auch immer noch auf der Suche nach einem palästinensischen Thomas Mann, der aus dem Exil seinen Landsleuten in Gaza zuruft: „Die Hölle, Palästinenser, kam über euch, als diese Führer über euch kamen. Zur Hölle mit ihnen und all ihren Spießgesellen! Dann kann euch, immer noch, Rettung, kann euch Friede und Freiheit werden.“ *

Es gibt keinen solchen palästinensischen Thomas Mann.

Im Gegenteil: die Palästina-Solidarität weltweit fällt weniger dadurch auf, dass sie versucht ihren Leuten zu helfen, sich von der Hamas zu befreien, sondern mehr dadurch, dass sie jüdische Menschen drangsaliert und bedroht. Ich habe noch nicht eine einzige Palästinademo gesehen, in der man gegen die Hamas skandiert hätte.

All die vielen Aktivisten, die sich derzeit für Gaza stark machen, agieren vor allem gegen Israel. Feel free- aber: Nichts daran ist human, nichts auf eine gemeinsame friedliche Zukunft zweier Staaten in Nahost ausgerichtet.

Und deshalb tu ich mich schwer mit meinem Mitgefühl für die Palästinenser.

Es ist da, aber es bleibt mir bisweilen in der Kehle stecken…

 

*So formulierte es – nur eben die Deutschen betreffend- Thomas Mann in seiner Ansprache von November 1941.

2 Kommentare

  1. Wir beide, ente, tun uns leicht, in der Tat. Wir kennen diesen Krieg nur aus den Medien, lehnen uns zurück in unserem bequemen Sessel und schauen Nachrichten, bilden uns eine Meinung zu Israel, zu Palästina, zu Gaza, zum Krieg, trinken aus, stellen das Glas hin und gehen schlafen.

    Doch was, wennst jemanden kennst, der die Mesusa von seim Türstock entfernt hat, bald nach dem 07.Okt.? Was wenn dir Bekannte erzählen, dass sie sich nicht mehr zuhause fühlen, hier bei uns, die Straße entlang gehen, wie jeden Tag und alles kommt ihnen so fremd vor, die Häuser, die Bäume, die Parks, die Menschen, und auch die Sonne, ganz so als wär die ganze Umgebung hinter Milchglas geschwommen? Was, wenn der Rabbi empfiehlt, keine Kippa, den Davidstern nicht mehr offen zu tragen? Was, wenn dir eine Freundin offenbart, sie hätte ihre Koffer wieder mal hervor geholt, und, ganz in Gedanken, abgestaubt?

    Ganz plötzlich ist er dann da, dieser 07.Okt., dieser Krieg, unmittelbar und unbestechlich konfrontativ. Und das, hier bei uns, mitten in Deutschland, in Österreich, mitten in Europa und es betrifft und bedroht uns alle, Juden und Nichtjuden, in Wahrheit.

    Nun, les ich vor kurzem im Standard.at das folgende:

    „Das kleine Mädchen hat eine halbe Stunde lang vor Schmerzen geschrien, weil wir keine Betäubungsmittel mehr haben und dennoch den Verband nach ihrer Beinamputation wechseln mussten“, schildert Léo Cans, ein Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen (MSF) im Gazastreifen, per Audiobotschaft den Fall der achtjährigen Miriam, der ihn seit vergangenem Sonntag nicht mehr loslässt.

    Gegen Ende der Behandlung rief sie nach ihrer Mutter. Doch die wurde bei demselben israelischen Luftangriff vor drei Wochen getötet, bei dem Miriam beide Beine verlor, …“

    Weiterlesen: https://www.derstandard.at/story/3000000203320/in-den-truemmern-von-gaza-angst-zu-sterben-bevor-das-leben-begonnen-hat

    Da kommen einem die Tränen, unwillkürlich und …

    … ganz plötzlich ist er dann da, dieser 07.Okt., dieser Krieg, unmittelbar und unbestechlich konfrontativ.

  2. Liebe Ramona,

    gebe Dir recht und kann Deine Gedanken verstehen!

    Kenne NirOZ und Nirim aus den achzigern und empfinde einen tiefen nicht löschbaren Hass gegenüber den Mördern!

    Nach einiger vergangenen Zeit, fallen mir aber auch mein Peace Bus Tel Aviv- Kairo, Frieden mit Ägypten und Rabin ein.

    Werde mich nicht zur Innenpolitik Israels äußern, bin mir aber sicher, wer für den momentanen Zustand seit über 30 Jahren auf der einen Seite verantwortlich ist. Es fing mit den Nazi-Bildern seiner Entourage an …

    „Nichts daran ist human, nichts auf eine gemeinsame friedliche Zukunft zweier Staaten in Nahost ausgerichtet.“

    Ebensowenig ist -in meinen Augen- ein momentaner Stopp der Zerschlagung der Hamas richtig oder notwendig. Natürlich leidet die Bevölkerung unter den Taten ihrer Führer – genauso, wie sie von einem Erfolg profitieren würde. Dies ist in jedem Krieg so.

    Es ist fürchterlich!
    ente

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