Ein Denkmal für die Scheinheiligkeit

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Der Vater Hans Michael Frank gehörte zu den 24 angeklagten Hauptkriegsverbrechern der Nürnberger Prozesse und war Hitlers Rechtsanwalt und höchster Jurist im Dritten Reich. Er avancierte zum Generalgouverneur und ging als „Schlächter von Polen“ in die deutsche Geschichte ein. Frömmelnd zwar, aber ohne jegliche Anzeichen von Reue, wurde er am 01. Oktober 1946 schuldig gesprochen, zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Von Heike Pohl

Der Sohn Niklas Frank hat es sich seit seinem 1987 erschienenen Buch „Der Vater. Eine Abrechnung“ zur Lebensaufgabe gemacht, über dessen Mitwirkung am Holocaust, über die Schuld seiner Mutter, über die Verbrechen der Nationalsozialisten, über die Verbrechen der Deutschen an Millionen Menschen aufzuklären und insbesondere vor denjenigen Mechanismen eindringlich zu warnen, die je wieder in Faschismus und Massenmord in unserem Land münden könnten.

In zahlreichen Büchern befasst sich der bald 85jährige Journalist und Zeitzeuge seither mit der Aufarbeitung der Verbrechen des Nationalsozialismus, deren Halbherzigkeit er konsequent und unbequem mahnend anprangert. Noch nie sei ihm bislang je eine Menschenseele in den Landesarchiven begegnet, die die Beteiligung der Deutschen am Massenmord, in Akten dokumentiert, aufbewahren. Noch nie habe er bei den Recherchen für seine Bücher in all den Protokollen, in denen die unzähligen Lügen, Ausreden und Reinwaschungen der Deutschen dokumentiert seien, zwischen den Regalen jemanden nach Akten der eigenen Angehörigen suchen sehen. Nicht ein einziges Mal sei ihm dort je eine Menschenseele begegnet, die sich mit der Frage der Schuld der eigenen Angehörigen konfrontieren traute.

Sein Unverständnis darüber, das gleichzeitig auch in eine Anklage mündet, fasst Niklas Frank unter der Überschrift „Dunkle Seele, feiges Maul – wie skandalös und komisch sich die Deutschen beim Entnazifizieren reinwaschen“ zusammen. „Dreist verkauften damals Mitglieder und Nutznießer der NSDAP die Spruchkammern für dumm und retteten sich ohne Reue ins demokratische Deutschland. Frank gewährt uns großartige Einblicke in den giftig-süßen Beginn der bundesdeutschen Demokratie und erschreckende in den Alltag des »Dritten Reichs«. Böse analysiert er, dass ein direkter Weg von damals zum heutigen Verhalten der schweigenden Mehrheit der Deutschen führt“, hieß es dort bereits 2014, bei Erscheinen des Buches, im Klappentext des Dietz Verlages.

Das Wiedererstarken der extremen Rechten, der Zuspruch zur Nazi-Ideologie, zunehmender Antisemitismus und Rassismus, die Erfolgskurve der AfD und das gleichzeitige dröhnende Schweigen der deutschen Mehrheit liegen Frank so schwer auf der Seele, dass er es nicht bei seinen Büchern, Interviews und Lesungen belassen mochte. Und so wurde aus seiner Intention, die Scheinheiligkeit im Umgang mit den unaussprechlichen Verbrechen der Deutschen zwischen 1933 und 1945 aufzuzeigen und die deutsche Öffentlichkeit aufzurütteln, schließlich die Idee geboren, ihr ein Denkmal zu setzen.

Mehr als ein Jahr Planung und Vorbereitung vergingen von der Idee bis zur Umsetzung und bis das Mahnmal im Dezember letzten Jahres in Schleswig-Holstein auf der grünen Wiese, direkt neben dem Reetdachhaus von Niklas Frank, enthüllt werden konnte: Ein überlebensgroßes Krokodil, gekleidet in den Farben unseres Landes, das sich an eine überdimensionale Träne klammert, von seinem Stifter und Financier herausfordernd als “einzig ehrliches Denkmal für die von uns* ermordeten jüdischen Kinder, Frauen und Männer” bezeichnet. (Der kleine Stern hinter dem Wörtchen “uns” erweitert den Kreis der Schuldigen auf Österreich.)

Ursprünglich hatte Frank geplant, einen alten, restaurierten Traktor von Niedersachen aus, wo sein Mahnmal gebaut worden war, bis vor sein Haus am Nord-Ostsee-Kanal bei Brunsbüttel zu lenken, im Schlepptau einen Anhänger, darauf die Riesenträne samt Krokodil.

Er habe mit den Leuten unterwegs ins Gespräch kommen und sich begleiten lassen wollen von einem Fernseh-Team, um Aufsehen zu erregen für seine große Sorge, wonach wir Deutschen wieder einmal zu lange und zu laut schwiegen.

Alles sei geplant gewesen und dann sei das Ungeheuerliche geschehen – das Massaker vom 07. Oktober 2023 in Israel, das auf so barbarische Weise erneut das Volk heimsuchen sollte, auf dessen Leid er sich in seiner Arbeit seit vielen Jahren konzentriere.

Der Schock war groß. Die Trauer auch. Also habe er alles abgesagt. Wie sollte danach und im Angesicht des blanken Terrors ein Mahnmal eingeweiht werden, das den ermordeten Juden des vergangenen Jahrhunderts gilt, hat sich Frank gefragt. Und so wurde das Krokodil per Spedition und ohne viel Aufhebens im November letzten Jahres nach Ecklak gebracht und Mitte Dezember in kleiner Runde enthüllt. Zur Einweihung waren die Menschen aus der Umgebung, die lokale Presse, einige Freunde und die Familie geladen. In seiner Rede machte Niklas Frank klar, was ihn antreibt, was ihn motiviert und was nicht nur Anlass seiner unentwegten Auseinandersetzung mit dem Thema, sondern speziell auch für dieses Denkmal war: „Es steht symbolhaft für den Umgang von uns Deutschen mit den Verbrechen an den Juden im Dritten Reich“, fasste er zusammen. Und der Betrachter könne sich und seine Haltung dazu in der Träne selbst spiegeln.

„Wir Deutschen haben das Leid, das wir sechs Millionen Juden angetan haben, nie persönlich an uns herankommen lassen. Wenn man nämlich seine eigenen Liebsten an die Stelle nimmt, wo wir alle nur diese Fotos im Kopf haben von den Millionen ermordeten Menschen, bekommen wir vielleicht ein Millionstel von dem Leid mit, das wir diesen unschuldigen Menschen bereitet haben“, hielt er in deutlich bewegter Stimmlage fest.

Das Mahnmal kann man mieten, zu einem eher symbolischen Preis. Frank wünscht sich, dass es auf Reisen gehe, quer durch die Republik. Dass es deutlich werden lasse, wie fatal sich all die Schönfärbereien auf das Geschichtsbewusstsein der Deutschen ausgewirkt hätten.

Und er legt jetzt aktuell noch einmal nach: „Wo bleibt sie, die große Wut von uns Demokraten“, will er wissen und appelliert unmissverständlich an uns alle: „Ich wünsche mir, dass alle Demokraten in diesem Land ein Zeichen setzen. Dass sie aufstehen, deutlich Haltung zeigen und sich nicht hinter leeren Worthülsen verstecken.“

Die ca. 2 auf 2 Meter Wort gewordene Botschaft in Form eines großen Schildes hat er, für alle Passanten deutlich sichtbar, an seinem an der Ortsdurchfahrt gelegenen Gartenhaus anbringen lassen. In aufrüttelnden Zeilen warnt Frank davor, den menschenverachtenden Umtrieben der AfD so lange untätig zusehen, bis es zu spät sein würde.

Aus dem ursprünglichen Lied „Warte, warte nur ein Weilchen, dann kommt auch das Glück zu dir“ von Walter Kollo hat der Volksmund um 1920 herum das „Hackebeilchen“ gemacht, mit dem der Serienmörder Fritz Haarmann besungen wurde. „Für die AfD variierte ich diesen Song, dessen Urtext mir meine Mutter am Bett so vorsang, dass ich trotz der Grausamkeit des Textes lachen musste. Meine AfD-Variation ist voller unschicklicher Worte, die dem Bürger wieder vom spitzen Kopf den Hut fliegen lassen, wie es Jakob van Hoddis in einem der schönsten und aufregendsten Gedichte einmal reimte“, schreibt Niklas Frank dazu in seinem aktuellen Buch „Zum Ausrotten wieder bereit?“.

„Nie wieder“, diesem eindringlichen Appell des österreichischen Sozialdemokraten Gerhard Skiba, mahnend in Stein gemeißelt vor dem Geburtshaus von Hitler in Braunau, fühlt sich der Aktivist und Publizist Niklas Frank aus tiefster Seele verpflichtet.

Nie wieder ist jetzt! Nie wieder – gilt jetzt und für alle Zeit!

Mehr unter https://niklasfrank.de/