Stadt Neustadt in Holstein vergibt Forschungsauftrag zur Nachkriegsgeschichte

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Am 3. Mai 1945 kam es bei Neustadt in der Lübecker Bucht zu einer Tragödie: die Royal Airforce versenkte zwei Schiffe, auf denen sie deutsche Truppen vermuteten. Ein großer Irrtum. Auf der „Cap Arcona“ und der „Thielbeck“ befanden sich rund 7.000 KZ-Häftlinge – fast alle kamen ums Leben. Kurz danach marschieren britische Truppen in Neustadt ein. Unzählige der Opfer wurden in Massengräbern beigesetzt; die Überlebenden in Displaced Persons Camps untergebracht. In der ehemaligen U-Boot-Schule der deutschen Kriegsmarine entstand ein DP-Lager, in dem zwischen 1945 und 1950 eine große jüdische Gemeinschaft lebte.

Mit Unterstützung aus Bundes- und Landesmitteln und durch die Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten plant die Stadt Neustadt in Holstein die Errichtung des Cap Arcona Dokumentationszentrums (Arbeitstitel) in Nachbarschaft zum zeiTTor-Museum in der Neustädter Innenstadt. Aufgabe dieser Bildungseinrichtung wird es sein, die Ereignisse der KZ-Schiffskatastrophen, insbesondere der Cap Arcona, sowie die Morde an KZ-Häftlingen am Neustädter Strand, im Kontext der Häftlingsdeportationen in der Endphase des Zweiten Weltkriegs darzustellen. Diese sog. Evakuierungstransporte aus den in Auflösung befindlichen Konzentrationslagern führten zu einem Großteil nach Schleswig-Holstein.

Am Donnerstag, dem 2. November 2023, fand im Neustädter Rathaus der Auftaktworkshop zu dem von der Stadt Neustadt in Holstein vergebenen und von der Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten finanzierten Forschungsauftrag zu den Themenkomplexen der Häftlingstransporte nach Schleswig-Holstein und der Cap-Arcona-Katastrophe am 3. Mai 1945 statt.

Das nun gestartete Projekt soll vorhandene Lücken in der wissenschaftlichen Erforschung dieser Themenkomplexe soweit möglich schließen helfen und eine wichtige Grundlage für die Ausgestaltung des Dokumentationszentrums bilden.

Die Recherchen gliedert sich in insgesamt vier Teile und sollen bis zum Jahresende 2024 abgeschlossen sein. Für die Bearbeitung der Forschungslose „Häftlingstransporte, Opferzahlen, Begräbnisstätten und Umbettungen“ und „Recherche nach Archivbeständen zu strafrechtlichen Ermittlungen in SBZ/DDR“ konnte der renommierte ehemalige Leiter des Archivs der KZ Gedenkstätte Neuengamme Dr. Reimer Möller gewonnen werden.

Das Forschungslos zum Thema „Jüdisches Leben im DP-Lager Neustadt in Holstein“ bearbeiten mit Dr. Verena Buser (Western Galilee College Akko, Israel) und Jim G. Tobias (nurinst – Nuremberg Institute for Holocaust Studies) zwei Experten im Bereich der Displaced-Person-Forschung. Das Los mit der Überschrift „Geschichte der Erinnerungskultur“ wird durch den Hamburger Sozial- und Kulturhistoriker Prof. Dr. Norbert Fischer, der unter anderem an der Universität Hamburg zu Gedächtnis- und Erinnerungskultur und Landschaftgeschichte forscht, bearbeitet. – (pm)

Oben v. l. Dr. Verena Buser, Berlin; Jim G. Tobias; Nürnberg, unten v.l. Julia Werner, Kuratorin Cap Arcona Dokumentationszentrum; Dr. Stephan Linck, Evangelische Akademie der Nordkirche; Dr. Reimer Möller, ehemaliger Leiter des Archivs der KZ-Gedenkstätte Neuengamme; Stefan Nies, Kurator Cap Arcona Dokumentationszentrum; Dr. Harald Schmid, Bürgestiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten