Der neue Alltag

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Knapp drei Wochen sind vergangen seit dem präzedenzlosem mörderischen Überfall der Hamas auf Israel, auf die Menschen in Israel. Es hat einige Tage gedauert, bis wir das Ausmaß der Katastrophe, das Ausmaß des Hasses verstanden haben. Damit zu leben, ist der neue Alltag.

Von Andrea Livnat

Viele wichtige Solidaritätsbezeugungen gab es für Israel, aus den USA, Deutschland und anderen europäischen Staaten. Langsam werden die Besuche weniger, rutschen die Meldungen über den Krieg nach hinten. Doch hier in Israel bleibt Krieg, er wird unser Leben viele Monate beherrschen.

Weiterhin fliegen Raketen aus Gaza nach Israel. Jeden Tag. Mal mehr, mal weniger. Jeden Tag in den Süden, wo sie die wenigen verbliebenen Bewohner bedrohen, die etwa den landwirtschaftlichen Betrieb aufrecht erhalten, die Kühe melken, die Hühner füttern müssen. Jeden Tag auch nach Aschkelon, die Stadt am Meer, nah am Gazastreifen, wo man theoretisch 15 Sekunden hat, um sich in Sicherheit zu bringen. Tatsächlich hört man mit dem Einsetzen des Luftalarms meist schon den ersten Knall. So gut wie jeden Tag auch in die Gush Dan Region rund um Tel Aviv, wo man mehr Zeit hat, um sich in Sicherheit zu bringen, dennoch die Bedrohung allgegenwärtig ist. Und auch hier häufen sich die Einschläge, wie etwa gestern Abend in Rischon leZion.

Raketen fliegen auch aus dem Libanon. Auch im Norden wurde die Grenzregion evakuiert. Überall hin kommen die Raketen der Hamas, nach Beerschewa, Haifa, gestern gab es Alarm in der drusischen Ortschaft Dalijat al-Carmel, nach Jerusalem und Modiin, und auch nach Eilat, wo glücklicherweise kein Alarm ausgelöst wurde und die Rakete ins Meer stürzte. Glücklicherweise, denn in den leerstehenden Hotels in Eilat sind derzeit viele der schwer traumatisierten Überlebenden und Evakuierten aus der Gaza-Grenzregion untergebracht.

Zehntausende Menschen sind mittlerweile Flüchtlinge in ihrem eigenen Land. In Eilat, am Toten Meer, in Tel Aviv. Überall wurden Hotels zu Auffangorten, in denen sich die Menschen versuchen, einen Alltag einzurichten. Unterstützt werden sie von Tausenden Freiwilligen. Die israelische Zivilgesellschaft, die die letzten Monate massiv gegen die sog. Justizreform der Regierung Netanyahus protestiert hat, ist nun zusammengerückt, um zu helfen. Dazu nutzen die Protestorganisationen, wie etwa Achim leNeshek (Waffenbrüder), das Netzwerk, das sie aufgebaut haben. Auf dem Messegelände in Tel Aviv ist ein riesiges Sammelzentrum der Achim leNeshek entstanden, von wo aus die nötigen Hilfsgüter, von Nahrung, Kleidung über Telefone bis zu Möbeln und Computern, weiter verteilt werden. Überall wird gesammelt, in den Schulen, den Nachbarschaftsgruppen, bei den Pfadfindern. Restaurants in Tel Aviv bereiten jeden Tag Zehntausende Mahlzeiten für Evakuierte und Soldaten zu. Wieder ist es die Zivilgesellschaft, die beeindruckt, während die staatliche Hilfe, beispielsweise in Form finanzieller Zuwendungen, noch auf sich warten lässt.

Nächste Woche soll in den meisten Regionen wieder normaler Schulbetrieb anlaufen. Bisher wurde per Zoom unterrichtet, in der vergangenen Woche hybrid mit Präsenzunterricht und Zoom im Wechsel. Kann das funktionieren? Können 700 Kinder in der Schule in 1,5 Minuten in die Schutzräumen gebracht werden? Die neuen Alltagssorgen.

Sorgen, die wie weggewischt sind, wenn man die Gedanken an die Ermordeten zulässt. Wenn man die Bilder und die Filme sieht, wieder sieht, und wieder und wieder und nicht begreifen kann, wie Menschen zu so etwas fähig sind. Wenn man die Gedanken an die Entführten zulässt. 224 Geiseln wurden heute Morgen von der Armee bestätigt. 224 Mal die schrecklichsten Alpträume für die Familien. Als Geisel in Gaza, 30 unter ihnen sind Kinder und Jugendliche. Der Schmerz der Familien ist mit uns, jede einzelne Minute. Auch der Schmerz der Hinterbliebenen von 1400 Ermordeten. In Israel wird am Schicksal von jedem gefallenen Soldaten und jedem Opfer von Terroranschlägen teilgenommen, Beerdigungen in den Nachrichten gezeigt, die Geschichten der Toten erzählt. Jetzt versinkt das Land in Trauer.

Groß ist auch die Sorge, was uns erwartet. Zunächst in unmittelbarer Zukunft. Was bedeutet eine Bodenoffensive für die in Gaza verbleibenden Geiseln? Und die grenzenlose Sorge um unsere Soldaten, unsere Kinder, Eltern, Freunde, die an dieser Bodenoffensive teilnehmen werden. Gespräche mit Freunden, die schon jetzt schlaflose Nächte haben, weil ihr Sohn auf den Einmarsch wartet, stationiert an der Grenze zu Gaza. In einer Kampfeinheit. Der Sohn, den ich gut kenne, vom Fußballspielen in der Nachbarschaft, der gerade noch ein kleiner Junge war und jetzt die große Bürde aufgedrängt bekommt, sein Land vom Terror der Hamas zu befreien.

Und groß die Sorge, wie das überhaupt funktionieren soll. Die Strukturen der Hamas zerschlagen, Hamas aus ihrem Spinnennetz von Tunneln vertreiben? Und danach? Wie kann es einen dauerhaften Frieden für die Menschen in Israel geben?

Aber jetzt ist erstmal Krieg. Kriegsalltag. Ein Krieg, der lange dauernd wird, das ist allen klar. Im Moment kann man nur den nächsten Tag planen, die Kinder umfangen, helfen, was zu helfen ist.

1 Kommentar

  1. Wer die Vorboten auch des jüngsten jihadistischen Massakers wahrzunehmen bereit ist, wer noch über eine Spur von Empathiepotential für jüdisches Leben verfügt, wer die Warnungen aus den eigenen Reihen nicht stupide ignorieren will, wer es ablehnt, dass demnächst auch in Deutschland jüdisches Leben vollends unmöglich wird, und der nazideutsche Mörder von Halle lutherlogisch zum nationalen Befreiungskämpfer aufsteigt, wer sich von „Befreiern“ nach Art des osmanomanen Despoten von Ankara abheben mag, wer die ewigen Täuschungskampagnen des Islamfaschismus durchschaut, der menschliches Leben grundsätzlich verhöhnt, weil der politische Islam „um’s Verrecken“ die „Reinigung des Plaenten von Nichtgläubigen“ anstrebt, wer den erneuten Pro-Hamas-Jubel als fortgesetzte Mordansage realisiert, der steht erschüttert und klar an der Seite Israels. – Inmitten der heute v.a. hierzulande entsetzlich ausgeweiteten chrislamischen Gehässigkeit gilt deshalb meine Empathie und Solidarität mehr denn je den von endlosen Massakern betroffenen bzw. bedrohten Jüdinnen und Juden. Möge es ihnen gelingen, das jetzt Erlittene zu verkraften und den kommenden Angriffen standzuhalten. Meine Gedanken sind bei den Jüdinnen und Juden, deren Liebsten ermordet wurden, die als Geiseln in der Hand von Mördern leiden und jene, die das von den Emiraten, vom Iran und vom Westen befürwortete Jihad-Projekt der Hamas kommen sahen, aber nicht aufhalten konnten. *)
    Gerade weil die majoritäre Polit-Verblödung erdrückend ist und Israels Überleben inmitten der barbarisierten Vormacht der chrislamischen Bündnisse kaum noch vorstellbar, geht von mir keine Spende mehr an eine nichtjüdische NGO, sondern jährlich eine volle Monatsrente nach Israel.
    > Islamische Reinigung des Planeten
    https://worldisraelnews.com/not-just-israel-hamas-vows-to-cleanse-world-of-christianity/
    https://www.mena-watch.com/tuerkischer-akp-politiker-judenvernichtung/
    > Westliche Terror-Befürworter:innen
    https://jungle.world/blog/von-tunis-nach-teheran/2023/10/haelfte-aller-us-amerikaner-unter-35-befuerworten-gewalt-gegen
    https://fathomjournal.org/archive-six-myths-about-hamas-2014/
    https://fathomjournal.org/progressives-and-the-hamas-pogrom-an-a-z-guide/
    > Missachtete Warnungen
    https://www.timesofisrael.com/surveillance-soldiers-warned-of-hamas-activity-on-gaza-border-for-months-before-oct-7/

  2. Jeder Mensch muß seine Gedanken ordnen, teilweise neu.
    Jeder Mensch muß wissen, daß er -ohne wenn und aber- auf der Seite Israels steht.
    Jeder Mensch muß mit den brutalsten Schlächtereien, Quälereien und Geiselnahmen umgehen.
    Jeder Mensch muß sich wieder und wieder die unerträglichen Bilder ansehen.
    Jeder Mensch muß wissen, daß es Aufgabe der Staaten ist, dies nicht geschehen zu lassen.
    Jeder Mensch muß wissen, daß die langjährige Führung durch Staatsterroristen Folgen hat.
    Jeder Mensch weiß, wo er jetzt zu stehen hat.

    Jeder Mensch, der dies relativiert, soll seine Gedanken ordnen, teilweise neu.