Peter Hahne und das „Erfurter Allerlei“

0
79
© Superbass / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Wir sind auf Gemeinsamkeit angewiesen, was unterschiedliche Meinungen über Gott und die Welt nicht ausschließt. Streit ist oftmals zur Klärung strittiger Fragen unumgänglich, fruchtbar kann er allerdings nur auf der Basis gegenseitiger Achtung werden.

Die Vernunft kann sich mit größerer Wucht dem Bösen entgegenstellen, wenn der Zorn ihr dienstbar zur Hand geht.
Gregor der Große, Papst von 590 bis 604

Von Karl-Josef Müller

Die Welt der elektronischen Medien torpediert uns täglich mit Kommentaren und Meinungen, deren Zorn mit einer Vernunft, die sich dem Bösen entgegenstellen möchte, nichts gemein hat. Es ist ein Zorn der einfachen Antworten, ein Zorn, der nicht Nachdenken, sondern mehr und größeren Zorn erzeugen möchte.

Wir tun gut daran, nicht auf jede dieser unsäglichen Meinungsäußerungen zu reagieren. Anders sieht es aus, wenn einem aus dem näheren Umfeld von Freunden, Bekannten oder der Familie Beiträge zugespielt werden, deren Form und Inhalt einzig und allein den Zorn der eigenen Vernunft hervorrufen. Der Andere möchte einem etwas mitteilen, meist erwartet er Zustimmung. Wird diese begründet verweigert, kommt eine ‚ja, aber‘ Antwort. Ja, Peter Hahne übertreibe, aber „mit seiner Bestandsaufnahme und den düsteren Aussichten für beide ‚große‘ Kirchen'“ habe er „leider recht“.

In dem Kommentar Sind die Kirchen noch zu retten? beklagt der frühere ZDF-Mitarbeiter die schwindende Mitgliederzahl der evangelischen wie auch der katholischen Kirche. In seiner Argumentation kommt er dabei auf den ökumenischen Gottesdienst in Erfurt zu sprechen, der weiterhin in der ZDF-Mediathek gespeichert ist. 

Wir zitieren die entsprechende Passage: „Und war nicht der vom ZDF übertragene offizielle Beitrag zum Tag der deutschen Einheit vor wenigen Wochen im Dom zu Erfurt der letzte Beweis, wohin die Reise der Restbestände des organisierten Christentums geht? Man nannte ihn etikettenschwindlerisch einen ökumenischen Gottesdienst, in Wahrheit war es Erfurter Allerlei, ein ideologisch absurdes Theater von Evangelen, Katholen, Atheisten, Juden, Humanisten und Muslimen. Alles redete und betete durcheinander, querbeet, sozusagen. Mehr Selbstaufgabe und Selbstzerstörung geht nicht. Die Bonhoeffers und von Galens, die Dibelius und Dybas drehen sich doch im Grabe um. Jetzt ist es allzu logisch, dass man die überflüssigen Kirchen doch unter den Erfurter Glaubensrichtungen getrost aufteilen kann, jeder bekommt Anteil am Schlussverkauf, wenn ohnehin alles dasselbe ist, doch wer nach allen Seiten offen ist, kann bekanntlich nicht ganz dicht sein.“

In diesem Gottesdienst ergriff als zweiter Redner Prof. Dr. Reinhard Schramm das Wort, er ist Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde Erfurt:

„Seit der deutschen Einheit 1990 wuchs unsere Landesgemeinde um ein Vielfaches, denn es kamen Juden aus Russland, aus der Ukraine, aus Weißrussland und anderen ehemaligen Sowjetrepubliken. Die Unterstützung durch die thüringische Landesregierung und durch den Zentralrat der Juden ermöglichte den Erfolg ihrer Integration. Die freundschaftliche Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirche in Mitteldeutschland und dem Bistum Erfurt vertiefte unsere Verankerung in der Thüringer Gesellschaft. Die neue Thorarolle, ein Geschenk beider Kirchen an unsere Erfurter Synagoge im Jahre 20/21, beeindruckt als Symbol unserer Freundschaft. Gegenwärtig, angesichts eines zunehmenden Antisemitismus, kommt den christlichen Kirchen eine weitere wachsende Rolle zu. Denn vor Antisemitismus können sich Juden nicht selbst schützen, es gelang nie. Aber heute ist dieser Schutz gemeinsames Anliegen von Christen und Juden, und auf dem Weg dorthin sind Christen und Juden als Freunde zusammengewachsen. Mein Grußwort ist deshalb zugleich ein Dank an unsere christlichen Freunde. Schalom.“

Nimmt man Hahne beim Wort, und selbstredend sollte man das tun, so sind auch diese Worte lediglich Teil eines ideologisch absurden Theaters von Evangelen, Katholen, Atheisten, Juden, Humanisten und Muslimen. Kein Wort zur Sorge von Reinhard Schramm über den grassierenden Antisemitismus, schon gar kein Wort zum Brandanschlag auf die Neue Synagoge vor nunmehr zweiundzwanzig Jahren: „Am 20. April 2000, einem für die rechte Szene zentrales Datum, verübten drei Neonazis einen Brandanschlag auf die Neue Synagoge in Erfurt.“  (20 Jahre nach dem Brandanschlag auf die Erfurter Synagoge)

Der antisemitische Furor hat nicht nachgelassen, wie der Anschlag auf die Synagoge in Halle aus dem Jahr 2019 belegt.

Doch all das ist kein Thema für Peter Hahne, den – einst – angesehenen ZDF-Moderator. Menschen, denen es ein Anliegen ist, dass „Christen und Juden als Freunde zusammengewachsen“, geraten ihm nicht ins Blickfeld. Und ein Schalom kommt ihm erst recht nicht über die Lippen.

Bild: © Superbass / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)