Meine „Geheimrede“ zu Putins heutigem 70. Geburtstag, seinem letzten

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Das Komma und die beiden Vokabeln bitte ich zu streichen eingedenk der Volksweisheit „Totgesagte leben länger!“ – eine Pointe die, träte sie auch in diesem Fall in Geltung, mir schwere Schuld auflüde.

Wir müssen das Irren lieben und pflegen,
es ist der Mutterschooß des Erkennens“
(Nietzsche, 1881)

Kaum weniger wichtig: Natürlich ist dies, abgesehen von der noch erläuterten Anspielung auf jene Nikita Chruschtschows (1894-1971) von 1956 zu Putins Idol Stalin, keine „Geheimrede“ in jenem Sinne. Sondern nur dahingehend, dass sie bisher geheim blieb und wohl auch gar nicht existiert. Im Übrigen: Wer bin ich schon, der sich erkühnen dürfte, zu Putins 70. Geburtstag eine Rede zu halten? Zumal eine solche, die sich, wie die folgende, erdreistet, Putins „Krankheit zum Tode“ auf den traurigen, von Hitler her schon bekannten Punkt zu bringen, und dies auch noch per Fern(seh)diagnose sowie der „frohen Botschaft“: Tja folks, es geht zu Ende! Ganz schön frech also, dieser Text

von Christian Niemeyer

Ganz klar, zumal für uns alle geltend: Entweder lebt Putin Weihnachten 2022 noch oder er ist tot. Eine dritte Möglichkeit, das ewige Leben, von welchem Siebzigjährige wie Putin (und ich) gerne träumen, ist seit Nietzsches Überlegungen nur ein vages Versprechen der Kirchen, geknüpft an harte Bedingungen, etwa den sonntäglichen Kirchgang. Eine vom Pastorensohn Nietzsche kurzzeitig ins Spiel gebrachte vierte Option, die ewige Wiederkehr des Gleichen, verweist a) eher auf ewige Langeweile und ist b) Kranken nicht zuzumuten. Also Nietzsche nicht zuzumuten wegen seiner Syphilis und Putin nicht wegen seiner…. nun, wir werden sehen! Überneugierigen sei hier meine im April 2022 auf hagalil.com eingestellte, von Tom Minnes (Würzburg) bebilderte Kindergeschichte[1] zur zwischenzeitlichen Schnelllektüre anempfohlen. Aus ihr hätte Putin übrigens, läse er, woran (inzwischen) zu zweifeln ist, eine Antwort bekommen auf die Frage aller Frage, hier angeführt nach einer berühmten Stelle aus Émile Zolas Roman Docteur Pascal (1893):

„Bei wem findet sich das Gift, an dem ich sterben werde? Welches Gift wird es sein: Hysterie, Trunksucht, Tuberkulose, Skrofulose? Und was wird das Gift aus mir machen: einen Epileptiker, einen Gelähmten oder einen Wahnsinnigen?“ (zit. n. Niemeyer 2022: 234)

Die Antwort lautet, und es ist zugleich meine als „Doktor Putins“:

„‚Wahnsinn‘ trifft’s, was die Folgen angeht, recht genau, und was die Ursachen angeht, würde ich Interessierten bei ihrer Lektüre eben jene Kindergeschichte anempfehlen, um dann der Fährte nachzugehen, die sich in der hier genannten Signatur ‚ISBN 978-3825349455‘ verbirgt.“

Empörung trifft’s nicht ganz genau, was sich nun breitmachte im prall gefüllten Festsaal angesichts meiner ‚Geheimrede‘, aber es geht durchaus in die Richtung: „Nicht mit mir, ich bin doch kein Rätselhase und habe nicht so viel Zeit wie Sie offenkundig!“, war noch eine der durchaus gemütlichen Einwände eines vornehmen Herren aus der ersten, für die Presse reservierten ersten Reihe. Dessen Blick zeitgleich auf das von mir in Umlauf gebrachte Buch Sex, Tod, Hitler fiel, nach dem ich eben Zola zitiert hatte, genauer: sein Blick fiel auf die rückseitig angebrachte ISBN-Nummer – und ein anerkennendes „Schlawiner!“ in meine Richtung war die Folge.

Damit ist es ja nun, gleichsam für alle, heraus: Ja, in jenem am 19. September 2022 erschienen Buch (vgl. Niemeyer 2022: 13 f.) wird die Grundlage gelegt für die Annahme, dass Putin, wie zuvor schon Hitler, an aktueller Nekrophilie, kurz: der Freude am Töten und an Toten, leidet/litt. Im Fall Hitler hatte die diffuse Mischung aus Angst vor Syphilis und Freude an Toten und am Töten plus Ärger darüber, dass andere anders waren – konstitutiv für faschistische Mentalität, wie man seit Nietzsches Ressentimentbegriff und den von Adorno geprägten Studien zum autoritären Charakter wissen und aktuell in Russland studieren kann –, Toxisches für Millionen zur Folge, erst in Gedanken, dann mittels der Tat. So jedenfalls sah es, was Hitler angeht, Adornos Mitstreiter Erich Fromm, der in seinem Bestseller Anatomie der menschlichen Destruktivität (1974) genug Material fand zwecks Untermauerung seiner Annahme:

Höchstwahrscheinlich war Hitlers Haß gegen die Juden in diesem Komplex verwurzelt: ein Haß gegen die Juden als Fremdlinge. Fremde sind giftig (wie die Syphilis), deshalb müssen Fremde ausgerottet werden. Daß die Juden nicht nur das Blut, sondern auch die Seele vergiften, war nur eine Ausweitung der ursprünglichen Vorstellung. (Fromm 1974: 363)

Im Fall Putin stellt sich die Sachlage etwas anders dar, wie ich in diesem Sommer mit Freunden auf Gran Canaria diskutierte. Hier nur das bisher noch nicht Berichtete aus diesen Gesprächen. Den in Geheimdienstkreisen ehrfürchtig Playa-del-Ingles-Papers genannten Aufzeichnungen also.

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Wir, ich, Gantenbein und weitere 007er aus unserer Berliner Tennis-Schickeria[2], diskutierten, nicht zufällig am 20. Juli 2022, die Rechtfertigungsfähigkeit eines weiteren Tyrannenmordes à la Stauffenberg, diesmal in Moskau. Und wir kamen beim nächtlichen Prösterchen mittels des vom „lieben Herrn Schw.‘“ spendierten Wodka Gorbatschow auf die Frage, ob Putins Hass auf Demokraten aller Art und insonderheit in der Ukraine möglicherweise, als Teilkomplex, zurückführbar sei auf seinen Hass auf den wirklichen Michail Gorbatschow (1931-2022), um dessen Tod fünf Wochen später wir natürlich nicht ahnten. Der Putin, damals gerade in seiner schönsten Mannesblüte als 37-jähriger stehend, 1989 um den Traum gebracht habe, auch er werde dereinst ein ganz großer sein. Stattdessen, so erinnerte der „liebe Herr Sch.“ beim nächsten „Na sdoróje!“, war Putin damals ein ganz kleiner, verklemmter KGBler in Ost-Berlin, der den aufständischen DDR-Bürgern mit einer Pistole entgegentrat und von der Errichtung einer Diktatur à la Pinochet träumte (berühmt dafür, Oppositionelle aus dem Flugzeug zu werfen!). Auch mit Chruschtschow hatte es Putin da schon längst nichts mehr. Wohlgemerkt: aus dem Donbass (= Ukraine) kommend (weil dahin zugereist) und in seiner legendären Geheimrede von 1956 Stalin verächtlich machend, als übe einer seiner Brüder im Geiste aus der Ukraine an einer Geheimrede auf Putin 2023. Damit, so der „liebe Herr Schw.“ weiter, läge es nahe, Putin einen Chruschtschow/Gorbatschow-Komplex zu attestieren, vielleicht abkürzend besser „doppelter Schow-Komplex“ geheißen. „Na sdoróje!“ Vielleicht mit einer Spät-Stalinistin am Anfang, etwa der Großmutter väterlicherseits, die, der Schule ihres Gatten, eines Kochs sowohl von Lenin als auch von Stalin, entstammend, sich recht gut darauf verstand, anderen in die Suppe zu spucken. Etwa Chruschtschow, im Blick auf den sie ihrem gerade zehnjährigen Enkel Vladimir auf dem Höhepunkt der Kubakrise weissagte, er werde dereinst ein so großer Führer wie damals „Väterchen Stalin“. Er, Mamas „großer starker Junge“, werde nicht so hasenfüßig reagieren wie der Stalinverächter Chruschtschow. „Na sdoróje!“

Um ehrlich zu sein: Wie die Sache an der Hotelbar derer von A. am 22., besser gesagt: am 23. Juli 2022 auf Gran Canaria dann genau weiterging, ist mir nicht mehr ganz genau erinnerlich – Filmriss, wie der Experte sagt. Aber irgendwann müssen wir dann doch noch die vielen auf Befehl Putins getöteten Promis zusammengezählt und addiert haben um die Zahl jener in Ukraine Massakrierten plus der Putins Krieg und der verzögerten Weizenlieferungen wegen in Afrika Verhungerten, um uns auf Nekropholie à la Hitler zu einigen, zu erklären mit Sadismus und psychopathischer Gefühlskälte, funktional für das Bemühen, die Großmutter väterlicherseits nicht zu enttäuschen. Geschweige denn die eben von Oma bereits angesprochene, 1998 verstorbene Mama Putins. Die ihrem Süßen, einem Schlägertypen schon im Kindergarten, den Hintern mit Zucker vollblies, aus Begeisterung wegen des Überlebens wenigstens dieses Jüngsten aus ihrer nicht zuletzt des Hungerkriegs der Deutschen und der grausamen Blockade Leningrads verstorbenen sowie verarmten Brut. Kurz: In ihm, Putin, griff eine gefährliche Mischung aus Arroganz und Menschenverachtung Platz, die sich noch in den Augen des bald Siebzigjährigen spiegele. So jedenfalls der „liebe Herr Schw.“, unser aller Gönner in jener Nacht, zu deren Ende hin wir „Die Neue Mittwochsgesellschaft“ (= NMG) gründeten. Um sogleich, per Fax, Herrn Tom Cruise, USA, darüber und über die ihm verliehene Ehrenmitgliedschaft zu informieren, wegen seiner tollen Darstellung Stauffenbergs im Film Operation Walküre (2008). Für diesen Job war zwar noch Andrij Melnyk ins Gerede gekommen, als Kompensation für seinen ab 22. Oktober 2022 offiziell vakanten Botschafterposten. Dagegen aber legte ein gewisser Herr Kunickel vom Nebentisch mit einem kräftigen „Kanalratte!“ Veto ein! Was mir wiederum zu englandfeindlich dünkte.

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In diesem Moment kam es dröhnend aus dem Off, mit einer Stimme wie einer Kreuzung aus jener von Gerd Heidemann (Ex-Stern) und Claas Relotius (Ex-Spiegel):

„Gebongt, Niemeyer! Ist zwar ein wenig an den Haaren herbeigezogen, gefällt aber, nicht zuletzt deswegen, unseren an derlei schon gewohnten Lesern!“

Mich durchzuckte es bei diesen nicht genderkorrekten Worten – und ich suchte vorerst mein Heil unter Hinweis auf zwei Geschichten, zwei konfrontativ gegeneinander stehende: Erstens eine coole, seit kurzem am Grab der Eltern Putins in St. Petersburg angepappte mit der (im Original auf Russisch) gehaltenen Tadel:

„Liebe Eltern! Ihr Kind benimmt sich sehr schlecht. Es meidet den Geschichtsunterricht, streitet mit seinen Mitschülern und droht. Die Schule in die Luft zu sprengen. Handeln Sie!“[3]

Um ehrlich zu sein: Intelligenteres habe ich noch nicht gelesen, jedenfalls, am 2.10.2022. Dümmeres allerdings schon, gleichfalls an jenem Tag, übrigens. Womit wir bei Karl Lauterbach sind und einer Gegennachricht zu jener, nicht einer russischen, sondern einer typisch deutschen, schlimmer: eine eines Professors und Gesundheitsministers sowie eines SPD-Mitglieds unwürdige. Lauterbach nämlich twitterte, übrigens unklugerweise gegen Richard David Precht, dessen Grips unterschätzend:

„Wir sind im Krieg mit Putin und nicht seine Psychotherapeuten. Es muss weiter konsequent der Sieg in Form der Befreiung der Ukraine verfolgt werden. Ob das Putins Psyche verkraftet, ist egal.“[4]

Ich muss wohl, auch auf die Gefahr, als Vaterlandsverräter ins Abseits gerückt zu werden, nicht groß erläutern, warum ich es in dieser Streitfrage eher mit der russischen Intelligentia als mit der typisch-deutschen Professorenbräsigkeit hielt oder gar einem Besser-Ossi wie Timo Chrupalla (AfD), der sogleich re-twitterte, Lauterbach habe gut reden, bedürfe seinerseits einen Psychotheraupten etc. pp. Dieser offenbar parteiübergreifende Niedergang höherer Denktätigkeit erlaubt mir übrigens, nochmals die Playa-del-Ingles-Papers zu bemühen, diesmal in Gestalt einer Geheimrede für die in Playa del Ingles gegründeteb NMG zu Putins 70. Geburtstag. Also los:

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Wer in Tagen wie diesen ein Buch schreibt (ein Kind zeugt, ein Haus baut, einen Baum pflanzt, ein Auto bestellt), ist offenbar ein Optimist à la Köln („et het noch immer jut gegange“) oder ein Gesegneter à la Rom („Glaube, Liebe, Hoffnung“). Doch was macht ein Nietzscheaner, der ja bekanntermaßen jenseits von Gut und Böse steht und sich, gott-los, sein eigenes Urteil über – um auf den Punkt zu kommen – den aktuell Bösen schlechthin, Putin, bilden muss? Und damit auch über die Frage, ob wir alle wohl seinen Untergang überleben werden? Woraus bezieht ein solcher seinen Optimismus, während alle um ihn herum mit Zähnen klappern und sich auf einmal als Friedensaktivisten gerieren und Zuflucht suchen bei der neuen Friedenspartei, der AfD? Als hörte dieses „Wir-sind-das“-Volk plötzlich doch wieder einmal den Signalen, diesmal denen der neuen AfD-Für-Sprecherin Sarah Wagenknecht (Die Linke), die, als gelte es, das Gedächtnis, an die Amazonen neu aufzufrischen, zusammen mit Alice Weidel (AfD) ein Dream-Team zu bilden sich anschickt der Marke „Super-Brain, weiblich, sexy, rot-braun – aber leider ziemlich Gaga und deswegen toxisch!“

Letzteres warum noch mal? Nun, weil beide – und wohl der „Charlie“ dieser „zwei Engel“, der leider etwas ins Blasse abfallende Michael Kretschmer (CDU), – in der Diagnose übereinkommen, „wir“ (wohl: Scholz, Baerbock, Habeck und Konsorten) hätten es fertiggebracht, „einen beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen Russland ‚vom Zaun zu brechen‘“. (Schaumburger Zeitung Nr. 217, Jg. 260 v. 16. September 2022, S. 2) So tönten zwar nicht alle drei neulich im Deutschen Bundestag, sondern nur Wagenknecht, wohingegen Weidel derlei gerne in jedes zweite Mikrofon poltert, ähnlich wie der sächsische Ritter von der durchaus traurigen Gestalt. Was will „uns“ diese aktuelle Dreierkoalition aus Linke, AfD & CDU – abkürzend geredet: dieses trio infernale – damit eigentlich sagen? Was hat sie in petto zur absehbaren Begeisterung aller, die auf die Fortsetzung von derlei „Irren“ (Nietzsche) warten und begeistert auf die 15% starren, auf die es die „neue Friedenspartei“ AfD aktuell, laut BamS v. 2. Oktober 2022, bringt, also nur noch vier Prozent hinter der nicht gerade als Kriegspartei berüchtigten und eben deswegen vom Andrij Melnyk immer wieder heftig gezüchteten SPD. Um von der FDP mit ihren geradezu mickrigen 8 % besser zu schweigen. Was übrigens die spannende Frage aufwirft: 8 % trotz oder wegen der Bellizistin Agnes-Marie Strack-Zimmermann?

Sagen wir einmal so, basierend auf meinen Aufzeichnungen von derlei Nichts einer Dame wie der (he! he!, reingelegt: nicht Strack-Zimmermann) Wagenkecht, die früher mal mit einem gewissen Niemeyer verheiratet war und ihre Bundestagsrede, so ungefähr jedenfalls, fortsetzte mit:

„Und da dieser Wirtschaftskrieg vor allem uns ruiniert, gilt es, ihn sofort zu beenden, weil wir ansonsten Heiligabend wegen was ganz anderem mit den Zähnen klappern werden.“

„Wegen der Atombombe und des III. Weltkriegs?“, höre ich einen Überängstlichen fragen. „Nein!, Du grünversiffter Wohlstands-Wessi!“, herrsche ich ihn an, wohlgemerkt: in meiner Rolle des Lautsprechers deren von Wagenknecht, Niemeyer, Lafontaine & Co. Und setze fort, um nicht als unhöflich zu gelten und, als Nietzsche-Freund, voller Verständnis für die Probleme jener „Langsamen der Erkenntniss“, die meinen, die „Langsamkeit gehör[e] zur Erkenntniss“ (FW 231): „Wegen der Kälte, weil Putin den von uns entfesselten Wirtschaftskrieg gewonnen hat!“

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Einverstanden: Sehr optimistisch klingt dies nicht. Aber nirgends habe ich behauptet, man könne, den Unsinn der ganz Rechten, der ganz Linken sowie der von beiden Verblödeten zu Ende gedacht, Optimismus erwarten. Was unbedingt erforderlich ist, uns resilient macht gegen diese und jene Krankheit, ist – die eben besichtigte Kindheit Putins wirkt hier wie eine Art Memorial[5], – eine glückliche Kindheit nach Art der meinen: „Bange machen gilt nicht!“, war unsere Losung im dunklen Wald oder vor Kniefs Scheune, wenn wir von dort her unklare Geräusche vernahmen und uns mit Steinwürfen wehrten. Abends stand dann zwar hin und wieder Bauer Knief bei uns vor der Haustür und klagte, ich sei auch einer von denen, der seine Scheune „entziegelt“ habe. Aber auch hier galt: Bange machen gilt nicht – und ich beanstandete das Wording dieses Bauern und erklärte meinem Vater, wir hätten Weit- und Hochwurf geübt und im Dunkeln die Scheune gar nicht gesehen. Sehr überzeugend klang dies zwar nicht, wie hinterher auch mein Vater meinte. Aber es half mir über diesen Abend und trug mich bis auf den heutigen Tag: Bange machen gilt nicht – schon gar nicht von solchen, die mich nur in ihre Herde locken wollen. Offenbar Nietzsches Sprich eingedenk: „In der Mitte hört die Furcht auf.“ (KSA 12: 474) Dem mag schon so sein – aber, was soll, wer sich nicht fürchtet, in der Mitte? Wo er nur glattpoliert wird wie eine Kugel und also unbedeutend.

Wie also bringt man es nun zu jenem Optimismus, besser und mit Nietzsche: zu jener Furchtlosigkeit, die mich unter der Headline Ukraine 2029eine Vision[6] eine nicht nur zum Troste der Leser*innen gedachte Vision darbieten ließ, der zufolge in eben diesem geschichtsträchtigen Jahr ein Kongress in Kiew zur Feier einer neuen Weltregierung mit friedlichen Wissenschaftlern aus der Ukraine und Russland stattfinden wird? Eine erste, durchaus, mit Nietzsche geredet, „faustgrobe“ Antwort könnte lauten: „Nietzsche“ (nicht etwa „Gott“) gab mir diesen Optimismus ein, „Nietzsche“ selbstredend als Metapher gelesen für so etwas wie analytische Potenz insbesondere im Bereich des Psychologischen (um Nietzsches zentrales Steckenpferd zu benennen, das auch, neben Nietzsche(s), das meine ist).

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Zugegeben: Dies klingt ein wenig vermessen und ist, als Negativeindruck, wohl auch nicht zu heilen, wenn ich, als Beispiel für derlei Potenz, das hier als Motto vorangestellte Zitat aus dem Nachlass von 1881in Erinnerung rufe:

„Wir müssen das Irren lieben und pflegen, es ist der Mutterschooß des Erkennens.“ (KSA 9: 504)

Die ersten, schon bei der Lektüre dieses Mottos nachdenklich gewordenen Leser*innen dürften nun aufhorchen und monieren, sie kennten dieses Zitat gar nicht. Allerdings ‚habe‘ es durchaus etwas bei genauerem Nachdenken. Einwänden der ersten Art würde ich entgegenhalten: Kein Wunder, dieses Nicht-Wissen, denn schließlich sei Nietzsches Nachlass, zumal im Ausland, kaum bekannt. Außerdem werde Nietzsche vom Mainstream der ihm zugedachten Forschung gerade in Fragen der Psychologie, ob nun diesen Begriff auf ihn angewandt gedacht oder als eine von ihm in Vorwegnahme Freuds entwickelte Forschungsrichtung betrachtet, bis auf den heutigen Tag als „No name!“ überliefert; anders als in der „New School der Nietzscheforschung“, wie andernorts (Nietzsche, New School; i.V.) gezeigt werden soll. Man muss dafür allererst das Zitat Nietzsches aus dem Jahr 1881 auf den Stand des Jahres 2022 bringen und also variieren wie folgt:

Wir müssen die Irren lieben und pflegen, ob nun in Moskau und in der AfD und um sie herum, denn sie sind der Mutterschoß unserer sie entlarvenden Erkenntnis.

Ein Beispiel für derlei Entlarvungsarbeit ist der für mich auf den ersten Blick schwer zu verstehende Wandel der AfD zur Friedenspartei im Sog von Putins Untergang. Denn bedenken wir doch, etwa im Rückblick auf die in diesem Magazin, nicht von ungefähr am 1. September (2021)[7] auf die Couch gelegten rustikalen Kriegs- und Eroberungsphantasien des Flügel-Vorreiters und Geschichtslehrers Bernd Höcke: Die AfD war eigentlich immer auf Krieg getrimmt. Etwa durch Parolen des nämlichen Herren, es gehe um eine „erinnerungspolitische um 180°“ (Höcke), ergänzt um Erläuterungen der grauen Eminenz Alexander Gauland, der 8. Mai 1945, also die Kapitulation, sei kein Freudentrag, weil Deutschland an diesem Tag um seine „Gestaltungsmacht“ (Gauland) gebracht worden sei – ein Argument, das aktuell offenbar auch in Italien unter der frisch geföhnten und gewählten (Ex-)Neofaschistin Georgia Meloni verfängt. Hinzuzurechnen – wir sind jetzt wieder in Deutschland, genauer: beim AfD-nahen Think tank namens Institut für Staatskunde in Schnellroda, – sind Geschichtsklitterungen aller Art, sei es am 20. Mai 2021 zum Thema „Kreta 1941“[8], sei es am 8. März 2021 zum Thema des Göring-Idols Hauptmann Berthold[9]: Immer ging es darum darzutun, es sei mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs noch nicht das letzte Wort gesprochen; Polen beispielsweise, so insinuierte der Chemnitzer AfD-Bundestagskandidat 2021 Michael Klonovsky, sei durchaus von Interesse, könne beispielsweise als Außenlager für die vielen Asylbewerber in Deutschland in Betracht kommen.

Dass Hinz (vor allem dieser) und Kunz, gerne auch per Chat aus dem (AfD)-Bundestagsbüro heraus, mit Hitler-Gruß und Hitler-Witzchen (auch solche über Auschwitz) kokettieren, passte zu diesem Bild und hätte Putin eigentlich in Alarmbereitschaft versetzen müssen, regte aber tatsächlich nur Hasenfüßige in Deutschland hin und wieder auf, die bei Protesten über Hartz IV mitmachten, aber angesichts permanenter Warnungen vor als Flüchtlingen getarnten „Invasoren“ zusammenzuckten. Zumal ihnen zahllose AfDler mit Warnungen vor dem „nordafrikanischen Ausbreitungstyp“ (Höcke), der an nichts anderes denke als an die Schändung deutscher Kinder, noch ordentlich Angst machten – abgesehen vielleicht von Michael Klonovsky, clever, besser: diabolisch genug war, den Ostlern einzureden, ihre Kinder seien nicht gefährdet, im Gegensatz zu den Kinder der Westler, die, da durch die „versifften und versumpften 68er“ unter ihren Eltern, auf Kosmopolitismus getrimmt, ihren zumeist afghanischen Vergewaltigern und Mördern offen in die Arme liefen. Nimmt man noch die hier vom mir skandalisierten[10] Warnungen von Covidioten aus der AfD Salzgitter hinzu, „Impfung“ mache genauso wenig frei wie „Arbeit“, von den Nazis per Lagerinschrift den KZ-Insassen, vorwiegend Juden, versprochen; denkt man an den diesen Zusammenhang zuzurechnenden kaum weniger perfide argumentierenden Hallenser Psychiater (und Bestsellerautor bei C.H. Beck) Hans-Joachim Maaz (vgl. Niemeyer 2021: 43 ff.), der Anfang 2021vergleichbaren Lärm schlug in der Linie des Arguments von Querdenkern, die orakelten, der Feind sei schon da, entzöge uns Toilettenpapier und implementiere uns willenlos machende Chips, etwa unter der Maske eines Zombies namens Karl Lauterbach, tritt das AfD-Rezept in der Linie der hier versuchten ‚entlarvenden Erkenntnis‘ à la Nietzsche recht klar zutage: Es gilt, in der Logik von Psalm 23 per Panikmache eine ängstliche Herde zusammenzutreiben und sich ihr in der Folge als Schäfer, besser gesagt: Führer, der Gefahrenabwehr verspricht, zu bedienen. Copyright für diesen Plan: Adolf Hitler. Folge: Deutschland war nach 1945 nicht wiederzuerkennen.

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So betrachtet könnte man an dieser Stelle fast sagen: Und dann kam Putins Krieg, der eine komplette Planänderung verlangte, eines jedenfalls dem Intelligenten klar machte: Geschichtsrevisionismus und Bange machen geht nun gar nicht mehr. Warum dann nicht einfach den Spieß umdrehen und die Herde mittels des Schäfer-Wortes beruhigen, was jetzt zähle, sei Frieden? Selbst Melanie Amann, an diesem Tag, kurz nach der „Heim-ins-Reich“-Show des Moskauer Tyrannen in Sachen seiner neuen Kolonien Lugansk und was weiß ich nicht alles, ganz kleinlaut, vermeldete in ihrem Spiegel:

„Kein westlicher Staat liefert moderne Kampfpanzer, und jetzt wäre der schlechteste Zeitpunkt.“

Der Folgesatz hatte es, besser gesagt: eine Lüge in sich:

„Viel wurde Olaf Scholz für sein Schwanken und Zögern in der Frage von Waffenlieferung gescholten.“ (Der Spiegel Nr. 40/1.10.2022: 6)

Lüge? Ja, sie steckt in der Passivkonstruktion: Nicht Scholz wurde gescholten – es war, wie am 29. September bei Markus Lanz zu besichtigen und von mir am 2. Oktober auf hagalil karikiert[11], das Alptraum-Duo Melanie Amann/ Robin Alexander, das ihn permanent wegen seines „Zauderns und Zögerne“ gescholten, was ihr jetzt im Rückblick, zähneklappernd, für richtig befindet. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte für das Recht auf diese Aktivkonstruktionen, dann lieferten die Spiegel-Leser*innen ihn mit ihrem Leserbriefen in Reaktion auf das Spiegel-Gespräch von Melanie Amman und Martin Kobbe knapp fünf Monate zuvor, angekündigt unter der martialisch-dummen Headline auf der Titelseite Wovor haben Sie Angst, Herr Scholz? (Nr. 17/23.4.2022):

„Der SPIEGEL ist nicht bekannt für dumme Fragen. Und jetzt gleich vorn auf dem Titel“,

monierte Peter Limburg aus Ralingen-Kersch, und Annegret Schumann aus Chemnitz, gleich darunter, aber gedanklich noch einen Schritt weiter vorn, beantwortet die Frage auf Ihre (den casus knaxus treffende) Art:

„Wovor der Kanzler Angst haben könnte? Vielleicht hat er mehr Verantwortungsgefühl als seine (grünen) Koalitionspartner, welche von jetzt auf gleich ihre Grundsätze über Bord werfen, oder als die vielen Journalisten, auch vom SPIEGEL, deren Artikeln man die Ungeduld entnimmt, dass endlich auch Deutschland sich am Kriege beteiligen möge.“ (Nr. 16/30.4.2022)

Als wolle sie beweisen, dass Spiegel-Redakteuren, über Richard David Prechts Vorwurf hinausgehend, auch das Lesen von Leserbriefen zwecks beruflicher Fortbildung untersagt ist, besetzte die Spiegel-Autorin Susanne Beyer mit ihrer Headline pünktlich zum Gedenken an den 8. Mai 1945: „‘Nie wieder Krieg!‘ ist keine zeitgemäße Haltung mehr für Deutschland!“ (Nr. 19/7.5.2022) Nie zuvor hat man ob der Lektüre von derlei bellizistischen Parolen wohl derart laute Brunstschreie aus den Häuser Alexander Gauland (Potsdam) und Bernd Höcke (Bornhagen) vernommen – vielleicht, im Blick auf die damaligen Umfragewerte der AfD (um 10%; also ein Drittel weniger als aktuell), darüber nachdenkend, ob man den Turnaround nicht schaffen könne, wenn man spaßeshalber mal die sich abzeichnende Marktlücke der Friedenspartei besetze. Zumal der Spiegel fortfuhr mit seinem Bashing des Kanzlers als Zauderer und Zögerer. So gab Steffen Klusmann mit seinem Leitartikel Olaf Scholz, einmal Führung, bitte! (Nr. 17/23.4.2002) kaum mehr als den Follower seiner Chefin Melanie Amann (sowie dem offenbar unvermeidbaren Martin Knobbe), die schon vier Wochen zuvor (in Nr. 13/26.3.2022) mittels einer Titelgeschichte unter der Headline Kanzler Scholz lässt angesichts des Ukrainekrieges Ansprache und Führung vermissen dem Kanzler eben das als Defizit ankreideten, was Amann ihm nun, über sechs Monate später, als Verdienst anzukreiden bemüht ist. Nicht vergessen sei hier – und gendergerecht ist es ohnehin, – der Spiegel-Redakteur Konstantin von Hammerstein, der noch im April 2022, im Sog Amanns (vermeintlich) sicher segelnd, wegen „ihrer Kritik am zögerlichen Ukrainekurs des Kanzlers“ die schärfste Kritikerin desselben, Strack-Zimmermann (FDP), „in die erste Reihe der Politik“ (Der Spiegel Nr. 17/23.4.2022: 22) – und nun, im Oktober 2022, vermutlich darüber nachdenkt, wie er diesen Fauxpas seiner neu sich justierenden Chefin erklären soll.

Fair? Nein, nicht fair, nur hart – aber notwendig, um diesen allenfalls noch von Robin Alexander (Die Welt) zu toppenden Anti-Scholz-Kampagnenjournalismus der übelsten Sorte anzuprangern. Ein Kampagnenjournalismus übrigens, der so weitreichend und nachhaltig ist wie eine Kurz-Kurz-Streckenrakete von Radio Eriwan – und wie die Herrin dieser drei Herren (Knobbe, Klusmann, Hammerstein) am 1.10. selbst zugab, denn, noch einmal sei es zitiert, weil es so schön ist: „Viel wurde Olaf Scholz für sein Schwanken und Zögern in der Frage von Waffenlieferung gescholten“ – vor allem, so der Subtext: „von uns, und dies bedauern wir sehr.“ Allerdings – so der weitere Subtext – waren wir, übersetze: Amann/Alexander, zwei Tage zuvor, bei Markus Lanz, noch nicht zu dieser Selbstkritik bereit.

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Kurz und um die zwischenzeitlich angesprochene Freude führender AfDler zu der nun auch vom Spiegel (ad personam Susanne Meyer) im Mai 2022 geteilten Kritik an der Pazifisten-Parole „Nie wieder Krieg!“ zurückzukommen: Die AfD-nahen neueren anti-bellizistischen Parolen: „Keine Waffen für die Ukraine!“ – „Kein Wirtschaftskrieg gegen Russland!“ – „Als Alternative: Alles Geld für Deutschland, damit wir am Ende nicht frieren – wir, die wir keiner Seele etwas getan haben!“ feiern inzwischen, seit Melanie Ammans plötzlicher pazifistischer Signalgebung Anfang Oktober 2022 in Spiegel, nun auch fröhliche Urstände in der Christenunion (um diese kleine Ausweitung dieses Terminus zwecks Beheimatung des [schlagkräftigen] Duos Amann/Alexander auf den Punkt zu bringen). Ob nun fiktiv, dieser kleine Bericht aus einer AfD-nahen Wahlkampfplakate-Schmiede aus dem Thüringischen à la Spiegel unter Claas Relotius, ob real, liebe Leserin, lieber Leser: Hauptsache, sie gewinnen den Satz lieb: Dass die „5. Kolonne Moskaus in Berlin“ (= AfD), auch Filiale geheißen, nicht die Zentrale angreift, kann man irgendwie verstehen. Aber dass eine Partei, die sich so sehr und derart konsequent wie die AfD auf den eigenen Krieg (etwa, wie bei Höcke und Klonovsky zu mutmaßen, als Korrektur der Ergebnisse des II. Weltkrieges) vorbereitete, nun plötzlich die Flinte ins Korn wirft, kann man nicht verstehen – es sei denn, man ginge, wie im Vorhergehenden dargelegt, von einem Strategiewechsel zwecks Erhalts der diesmal durch Putin und weniger durch den Nordafrikaner verängstigten Wählerschaft aus. Dann nämlich macht alles Sinn, auch und gerade im Blick auf den durch diese Finte offenkundig überraschten politischen Gegner, der ja, Gott sei’s geklagt, auch einige Dumme mitzuschleppen hat, diesmal gendergerecht verteilt auf Mann (Anton Hofreiter [Die Grünen]) wie Frau (Agnes-Marie Strack-Zimmermann [FDP]). Letzterer ist übrigens, wie mir scheinen will – aber bitte nicht Christian Lindner verraten, ich freue mich über diese Zahlen! –, im Alleingang zuzurechnen, dass diese Partei wohl in Niedersachsen an der 5%-Prozent-Hürde scheitern wird.

Denn bedenken sie, doch liebe Wähler*innen von dort aus dem Land der Porsche-Tantiemen: Gepusht von den Oppositionssendern Welt TV sowie Bild TV schaffte es Strack-Zimmermann eine Zeitlang fast täglich in diese Nachrichtersender, um mit grimmigem Gesicht den Dritten Weltkrieg zu fordern (einverstanden: klingt etwas grob, bringt aber wenigstens ihre Anfangsforderung nach einem Überflugverbot und ihre späteren nach Leopard II-Kampfpanzern auf den hier interessierenden Punkt). Bemerkenswert dabei (ich habe es gerade angesprochen) die politische Dummheit, vor allem jene des Christian Lindner, der diese Bellizistin längst mit dem Lasso (etwa nach der Methode Wolfgang Kubicki) hätte einfangen müssen, um den Niedergang der FDP in der Wählergunst aufzuhalten. Denn die Wähler – Schafe die meisten, wie gesagt – wollen keinen Krieg und sammeln sich deswegen wieder vermehrt unter dem Banner der AfD als der neuen Friedenspartei. So betrachtet: Alles richtig gemacht, ihr furchterregenden Leute von der Neuen Rechten! Nur bei der FDP ist nichts mehr! Ein Schritt noch, und ihr werdet von der AfD als „gelbe Gefahr“ veräppelt werden!

Nun so einfach ist es denn doch nicht, wobei ich mich hier auf die AfD beschränken will, die hier die Quittung präsentiert bekommt für ihren verantwortungslosen Tanz am Rande des Vulkans, an dessen Ende, wie bei Putin, der Untergang stehen dürfte, weil es nichts Ängstigendes mehr geben wird als den Klimawandel. Und den, liebe Leute, leugnet ihr ja, oder nicht?

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Höchste Zeit, den eigentlichen Zweck dieser ‚Geheimrede‘ zu Putins 70. Geburtstag anzusprechen: Sie soll, durch systematische Demontage Putins und seiner ‚willigen Helfer‘ in Ost wie West, kaum mehr erreichen, als Leser*innen und Leser in eine Buchhandlung (ob nun in Tel Aviv, Potsdam, Bornhagen, Werder, Berlin oder „ambulant“, ist mir egal) locken, freudig erregt die Kasse ansteuernd. In diesem Fall eigentlich keine große Sache bei dem Nietzsche entlehnten Gattungsvermerk fröhliche Wissenschaft. Sicherlich, auch hier scheint uns wieder ein Igel vom Typ „Ich-bin-schon-da!“ in die Quere zu kommen – ein Igel namens Matthes & Seitz, aufgeregt auf seine Reihe dieses Namens verweisend. Gemach, liebe Leutchen aus diesem Berliner Verlag: Da ihr mich mehrfach als Autor abgelehnt habt, kann es nicht ganz so viel auf sich haben mit diesem Reihentitel.

Bleibt die soeben von mir aus dem Hörerkreis vernommene Frage:

„Geht denn das, Herr Niemeyer: Lachen am Rande des Vulkans, der sich aktuell, wie womöglich der Überschriftteil Putins Untergang andeuten soll, für eben jenen Tyrannen sowie die ihm huldigende Partei zu öffnen beginnt?“

Gegenfrage:

„Ist es etwa besser, wegen – wie Novalis vielleicht spotten würde – vieler überholter Zahlen und wenig anschaulich gezeichneter Figuren sowie zahlloser ‚geheimer Worte‘ beim Lesen des Zaubers zu entbehren und nach drei Seiten einzuschlafen? Oder wäre es nicht angenehmer, nach Kauf dieses Schwarzbuchs mit selbigem ins Bett zu gehen und sich mit ihm, hin und wieder mit einem Lächeln auf dem Gesicht, die Nacht um die Ohren zu schlagen?“

Ungläubig höre ich schon den Nächsten, die Nächste oder das Nächste fragen:

„Darf man denn das – über die Neuen Rechten lachen statt zu weinen?“

Natürlich darf man das, ist doch kaum etwas lächerlicher als der AfDler, ob nun, als Gewählter, passiv, oder, als Wähler, aktiv. Der natürlich nicht ein Wort glaubt von dem, was er da redet oder den ganzen Tag, vor allem im Internet(t), liest; den aber sein Glaube, er glaube das, satt und glücklich macht und der also, von sich ganz begeistert, resümiert, etwa im Vertrauen auf eine beim Bundespresserat zur Anzeige gebrachten ausländerfeindlichen BamS-Story vom 18. September, die ich hier am 29.9. skandalisiert habe[12]:

‚Ja, der Andere, der 16-jährige Afghane beispielsweise, der sich unter dem Vorwand, er werde verfolgt, zu uns geschlichen hat, vergewaltigt nun einmal unsere jungen deutschen Mädels, seinem bösartigen Naturell folgend, gerne! Aber ich doch nicht! Der ich das Volkslied hege und sonntags, wenn sich’s einrichten lässt, dem Kirchgang! Nicht zu vergessen: der deutschen Leitkultur! Im Goethejahr etwa Götz von Berlichingens – als Autofahrergruß berühmt geworden – ‚Leck‘ mich im Arsch!‘ Und im Bayerischen dem: ‚Hier wird halt etwas härter zugelangt!‘“

Sicher darf ich bei dieser Gelegenheit noch das Spottwort Nietzsches zu Gehör bringen, das da lautet:

„Der Glaube macht selig, zumal der Glaube an uns.“ (KSA 10: 392)

Diesem Motto folgend, klären nicht eben wenige ihr Verhältnis zur AfD – und huldigen dem Glauben, diese Partei stünde für das Gute und die Guten, mich selber, den Wähler dieser Partei, eingerechnet! Und ich bringe eben damit das Böse an mir, und sei es nur das Böse in Gedanken, zum Verschwinden! Selbstgerechtigkeit nennt man dies, Hybris, und das Alte Testament würde, in die Hand eines klugen Priesters gelegt, vermutlich noch helfen, zeitgemäß zu ergänzen:

„Lass‘ den Stein liegen, den Du gerade werfen willst auf die Flüchtlinge, die angeblich ‚unser Unglück“ sind wie einst die Juden! Diese ‚Invasoren‘ und ‚Inhomogenen‘! Denn Du selbst sitzt im Glashaus! Stelle Dich dieses Umstandes, kläre Dich auf über Dein bisher gelebtes Lebens und darüber, was Du geliebt hast und warum! Dann brauchst Du nicht mehr, wie Alexander Gauland, Feuer und Galle spucken gegen einen Fußballspieler wie Jêrome Boateng, den, seiner Hautfarbe wegen, Dir als Nachbar nicht zuzumuten wäre! Und Du brauchtest nicht mehr, wie aktuell insbesondere bei russischen Tennisspielern vom Typ ‚Bleichgesicht‘ Mode und (verhaltens-)auffällig, Dir, wie Daniil Medvedev, aus Wut den Schläger auf den Oberschenkel zu hauen oder den Affen zu geben. Auch nicht schlecht und die Spezialität seines vergleichbar bleichen Kollegen Andrej Rublev: Du musst Dir nicht mittels einer furchtbaren und durch Zarathustra populär gewordenen Geste eine imaginäre Schlange aus der Kehle würgen, in der Annahme, es handele sich um Deinen übers Netz zu Dir hin gekrochenen und Dein Spiel verschlechternden Gegner in anderer, im wohl vom Teufel eingegebener neuer Gestalt! Mein Rat korrespondiert jenem des HB-Männchens: ‚Geh‘ einfach zum Therapeuten, dann geht alles wie von selbst. Und Dein Therapeut lehrt Dich vielleicht auch, am Beispiel Putin zu studieren, wohin es führen kann, wenn man dies nicht tut!“

Dies letzte Beispiel übrigens animiert mich am Ende zu dem ernsten Wort an die AfDler, insbesondere auf der Straße: Was immer euer Sozialisationsschicksal gewesen sein mag,

Grobklotzige Aufschneider, Schreihälse, Ewig-Jammernde, Spuckende und Muskelpakte, die am Rande stehende Ausländer mit Affenlauten bedenkende, auch Spötter über „Sozialtouristen“ (à la Friederich Merz; was für ein schöner Vorname, an und für sich) aus der Ukraine braucht kein (bitte diese Vokabel beachten!) Mensch.

Unter uns – oder, sollte dies zu euphemistisch gesprochen sein, falls ja: Unter mir – würde ich dann noch ergänzen: Der Mensch „an und für sich“ als ein durch die Fähigkeit zum Dialog sich vom Tier unterscheidendes Wesen ist unbedingt auf ein Gegenüber und auf Gemeinschaft angewiesen; ein Wesen, das sich durch Sprechen oder zumindest doch durch Schreibtafeln oder Spracherkennungsprogramme verständlich machen kann. Schreien allein reicht nicht, und Drohungen wie die im Schwarzbuch Neue/Alte Rechte (vgl. Niemeyer 2021: 175) zur Besichtigung freigegebene Götz Kubitscheks, ihn interessiere nicht „ein Mitreden, sondern eine andere Sprache, nicht der Stehplatz im Salon, sondern die Beendigung der Party“ erinnern mich zu sehr an die Bücherverbrennungen der Nazis und den dazu passenden Kalauer Görings, wenn er das Wort ‚Kultur‘ höre, entsichere er seinen Browning. Kurz geredet und mittels Umfunktionierung der Kubitschek-Variante: Die Party geht weiter. All dies getragen von der Hoffnung, es gäbe in diesem Segment nichts Wichtigeres als die heilsame Wirkung des besseren Arguments, kurz: auf tiefe Erkenntnis, die nur die Scham freizusetzen vermag; sowie eine psychologische Analyse in der Linie des als Motto vorangestellten Nietzsche-Zitats von 1881.

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„Und was ist jetzt mit Putin?“, fragt mich nun der elegante Herr aus der ersten Reihe drängend, noch immer ein wenig beeindruckt von meiner Eingangs-Nummer mit der ISBN-Nummer.

„Was soll mit ihm noch groß sein, nach seinem 70. Geburtstag, der sein letzter sein wird?“

„Großes Indianerehrenwort!“

„Nein, etwas politisch weit korrekteres im Blick auf diesen ‚lupenreinen Demokraten‘: ‚Basta!“

Das dröhnende Lachen dieses Platzhirsches und der nach und nach einstimmenden weiteren belehrte mich: Dies kann ja noch ein lustiger Sektempfang werden gleich, nach meiner ‚Geheimrede‘ anlässlich von Putins 70. Geburtstag -seinem allerletzten!

Autor: Prof. Dr. Christian Niemeyer, Berlin. Wichtige Veröffentlichung zum Thema, im Text angeführt: Schwarzbuch Neue/Alte Rechte. Glossen, Essays, Lexikon. Beltz Juventa: Weinheim Basel 2021. Im nämlichen Verlag erscheint demnächst: Schwarzbuch AfD 2021/22 (Arbeitstitel).

Foto:  Kremlin.ru / CC BY 4.0

[1] www.hagalil.com/2022/04/fritz-lieschen/; auch, leicht verändert, in: Zeitschrift für Sozialpädagogik 20 (2022, H. 3, S. 333-342.
[2] Erste Skizzen derselben in: Zeitschrift für Sozialpädagogik 20 (2022), H. 2, 117-121, einem Fachblatt für abweichendes Verhalten aller Art.
[3] www.msn.com/de-de/nachrichten/welt/wladimir-putin-erhält-nachricht-am-grab-seiner-eltern/
[4] www.msn.com/de-de/nachrichten/politik/lauterbach-weist-philosophen-precht-zurecht-wir sind-im-krieg-mit-putin/)
[5] Anspielung auf eine der Aufdeckung stalinistischer Gewaltverbrechen zugewandte Menschenrechtsorganisation in Moskau, deren am 28. Dezember 2021 exekutiertes Verbot Putin veranlasste – pünktlich zu seinem Krieg in der Ukraine und, von ihm aus betrachtet, rechtzeitig, um damals offenbar schon geplante putinistische Gewaltverbrechen in der Ukraine nicht, jedenfalls nicht von russischer Seite aus, aufdeckbar zu machen.
[6] Am 9. März 2022 unter: www.haglil.com/2022/03/ukraine-2028/; s. auch meine Kolumne Der schwarz-weiße Kanal, in: Zeitschrift für Sozialpädagogik 20 (2022), H. 3, S. 231-234.
[7] s. www.hagalil.com/2021/09/hoecke-2/
[8] s. www.hagalil.com/2021/05/kreta-tag/
[9] s. www.hagalil.com/2021/03/berthold/
[10] s. www.hagalil.con/2021/03/inpfung-macht-frei/
[11] s. www.hagalil.com/2022/10/spott-light-2/
[12] s. www.hagalil.com/2022/09/spott-light/