„Meine Identität“

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Wer sind wir? Und was haben unsere Erlebnisse damit zu tun? Unser Umfeld, die Erziehung und nicht zuletzt unsere Heimat? Davon erzählen vom 5. April an 20 bemerkenswerte Werke junger Menschen in der Pinakothek der Moderne. Sie sind das Ergebnis einer intensiven Zusammenarbeit zwischen der Abteilung Kunstvermittlung der Pinakothek der Moderne und dem interkulturellen, interreligiösen Jugendnetzwerk YouthNet.

Ein Glücksfall ist dabei die aktuelle Ausstellung der iranischen Künstlerin Shirin Neshat: Ihr Werk wurde zur wichtigen Quelle der Inspiration für die Jugendlichen, denn Identität und Herkunft sind die zentralen Themen in Neshats Schaffen. Unter dem vielsagenden Titel „Living in One Land, Dreaming in Another“ sind sie in imposanten Foto- und Videoinstallationen vor Augen geführt und zugleich zur Debatte gestellt.

Vor über 40 Jahren ist die im damals noch persischen Qazvin geborene Tochter einer weltoffen-liberalen Familie in die USA emigriert. Neshat kennt das Gefühl, zwischen den Welten zu schweben, in der einen zu leben und von der anderen zu träumen, in der alten die Wurzeln zu haben und in der neuen zu wachsen und vielleicht sogar zu blühen. Ausdruck finden diese beiden Sphären etwa in der Serie „Land of Dreams“ (2019), einer faszinierenden Melange aus westlicher Porträtkunst und persischer Kalligrafie.

Für die Jugendlichen aus den unterschiedlichsten Ländern und Kulturkreisen wurde Shirin Neshat zu einem Vorbild, sich mit der eigenen Identität zu beschäftigen – das ist der Schwerpunkt des diesjährigen Projekts. Zumal sich die Künstlerin gerührt über die Auseinandersetzung mit ihrer Arbeit zeigte und eine berührenden Videobotschaft an die Workshop-Teilnehmerinnen und Teilnehmer richtete: „Wenn Ihr überlegt, wie Ihr Euer eigenes Kunstwerk machen wollt, dann denkt darüber nach, was Eure Bindungen und Wurzeln für Eure Identität bedeuten“, sagte Neshat. Das müsse nicht unbedingt die kulturelle Ebene betreffen, sondern ganz grundsätzlich „die Träume im Inneren und das Funktionieren im Äußeren“.

Und nun ist in der Pinakothek der Moderne, wenige Meter neben Neshats Auftritt, die Abschlusspräsentation der YouthNet-Gemeinschaft zu erleben. In sehr unterschiedlichen Formen und Medien sind die vielen Facetten des eigenen Ich zum Ausdruck gebracht. Das reicht von Fotografien und gefilmten Interviews bis hin zu Texten und Collagen.

Doch wer sind die jungen Kreativen? Die 14- bis 22-Jährigen wurden in München geboren, sie sind hierhergezogen oder geflüchtet, haben u. a. einen christlichen, muslimischen, jüdischen oder jesidischen Hintergrund. Gemeinsam stehen sie für die Vielfalt der Stadt, und seit die Plattform YouthNet vor fünf Jahren ins Leben gerufen wurde, haben bereits über 100 junge Münchnerinnen und Neu-Münchner Anschluss und ein Forum für ihre individuelle Geschichte gefunden. Dabei lernen die Jugendlichen, mit Vorurteilen umzugehen, die eigenen Grenzen zu überwinden und in einer heterogenen Gruppe im Team zu arbeiten. Sie setzten sich mit Zivilcourage und Toleranz auseinander.

Dieses Miteinander endet nicht mit dem Abschluss eines halbjährigen Projekts, vielmehr ist bei YouthNet Kontinuität gefragt: Die Mentoren der aktuellen Programme – in diesem Turnus sind es sieben – waren selbst Teilnehmerinnen und Teilnehmer vergangener Workshops. Und auch sie tragen unter dem Motto „YouthNetIdentität“ mit einem Werk zur Ausstellung bei.

Für die Initiative steht ein engagiertes Trio: Die Unternehmerin und Mediatorin Eva Rapaport hat YouthNet 2017 gegründet und ist für das Konzept und die Gesamtorganisation zuständig. Die Fotografin und Grafikerin Sharon Buck verantwortet als Künstlerische Leiterin die Kunstprogramme und die Dokumentation. Der Historiker und Projektmanager Dr. Oren Osterer, der seit vielen Jahren in der bundesweiten Jugendarbeit aktiv ist, betreut die gesellschaftspolitischen Themen und entwickelt digitale und interaktive Formate für Workshops und Diskussionen.

YouthNet Projektleitung Eva Rapaport und Sharon Buck

YouthNet geht auf die Lichterkette zurück, die im Dezember 1992 mit ihrem Protest gegen Ausländerfeindlichkeit und Rechtsradikalismus für großes Aufsehen im In- und Ausland gesorgt hat. Mehr als 400.000 Menschen gingen alleine in München auf die Straße, damit ist diese friedliche Demonstration bis heute ohne Beispiel. Seit 30 Jahren setzt sich der Verein „Lichterkette e. V.“ mit gemeinnützigen Aktionen für ein offenes, friedliches und respektvolles Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft ein. Bülent Aladag vom Vorstand der Lichterkette ist Mentor von YouthNet.

Die jährlichen Projekte von YouthNet werden über Spenden von einer Bank, einer Stiftung und verschiedenen Einzelpersonen finanziert, Hauptgeldgeber ist eine Privatperson.

Aufseiten der Staatsgemäldesammlungen und der Pinakothek der Moderne haben die Kunstvermittlerin Pia Brüner und die Kuratorin der Neshat-Ausstellung, Judith Csiki, das YouthNet-Projekt begleitet und engagiert mit den Jugendlichen gearbeitet.

„Meine Identität“ soll dazu beitragen, sich mit unterschiedlichen Lebenssituationen und Entwürfe zu beschäftigen und dabei auch die eigene Position zu reflektieren – für ein besseres Miteinander in einer vielfältigen bunten Gesellschaft.

Mehr Information auf www.youthnet-muenchen.com.

Ausstellung „Meine Identität“

5. April bis 15. Mai 2022
Ort: großer Saal „Kunstvermittlung“ im Erdgeschoss

Pinakothek der Moderne
Barer Str. 40
80333 München

Fotos oben: 

Tuba – Das junge Mädchen afghanischer Herkunft sagt zu ihrem Kunstwerk:

„Mit meinem Bild möchte ich auf die schreckliche Situation der Frauen in Afghanistan aufmerksam machen, die seit Machtübernahme der Taliban keinen Zugang mehr zu ausreichender Bildung, Selbstentfaltung, Freude und Musik und besonders zu den Menschenrechten haben. Das Leid über diese unmenschliche Situation ist Teil meiner Identität.“

Leontine – Das junge Mädchen deutscher Herkunft sagt zu ihrem Kunstwerk:

„Ich will mit meinem Werk auf einen bedeutenden Teil meiner Identität hinweisen. Meinen tiefen Wunsch Medizin zu studieren und als Ärztin für unsere Gesellschaft da zu sein.“