Mr. Shushanis Notizbücher

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Die National Library of Israel (NLI) hat Archivmaterial von besonderer Bedeutung erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, das „Mr. Shushani“ (auch bekannt als „Monsieur Chouchani“) gehörte, einem mysteriösen und brillanten Mann, der als persönlicher und vielleicht einflussreichster Lehrer einer Reihe bedeutender jüdischer Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts tätig war, darunter Elie Wiesel und Emmanuel Levinas.

Shushani hatte ein außergewöhnliches fotografisches Gedächtnis und war angeblich in der Lage, die gesamte hebräische Bibel, den Talmud und viele andere jüdische Texte aus dem Gedächtnis abzurufen und zu zitieren, während er auch verschiedene Gebiete der Mathematik, Physik, moderne Philosophie und verschiedene Sprachen beherrschte. Die unordentliche Figur zog Studenten an, die von seiner unerwarteten Ausstrahlung gefesselt waren. Viele von ihnen sahen in ihm eine der einflussreichsten Persönlichkeiten in ihrer intellektuellen Entwicklung.

Die Hefte im Archiv sind voll von Gedanken und konkreten Ideen im Bereich des jüdischen Denkens, Gedächtnisübungen, mathematischen Formeln und mehr. Die schwer zu entziffernden Hefte wurden in den letzten Jahren nur wenigen Wissenschaftlern zugänglich gemacht und stehen nun erstmals der Öffentlichkeit offen. Gelehrte glauben, dass die Notizbücher einige potenziell bahnbrechende Ideen und Lehren im Zusammenhang mit jüdischer Philosophie und Texten enthüllen werden.

Shushani hütete eifrig seine wahre Identität und nur wenige Details über sein Privatleben sind heute, mehr als fünfzig Jahre nach seinem Tod, bekannt. Um die Jahrhundertwende im Russischen Reich geboren, bereiste er zeitlebens als Vagabund die Welt: Europa, das Mandatsgebiet Palästina und später Israel, die USA, Uruguay und andere Ländern. Auf seinen Reisen hinterließ er bei seinen zahlreichen Schülern einen großen Eindruck.

Auch sein richtiger Name ein Rätsel bleibt, glauben einige Wissenschaftler, dass es sich wahrscheinlich um Hillel Perlman handelte. Zu seinen Schülern gehörten Nobelpreisträger Eli Wiesel, Philosoph Emmanuel Levinas und Prof. em. Shalom Rosenberg, Lehrstuhl für Jüdisches Denken an der Hebräischen Universität Jerusalem, der die Materialien von Shushani an die Nationalbibliothek gespendet hat.

Als Lehrer provozierte Shushani seine Schüler, griff sie mit schwierigen Fragen an und beschimpfte sie manchmal sogar verbal wegen ihres Unverständnisses. Er ermutigte sie jedoch, voranzukommen und vor allem auf unerwartete Weise zu denken. Die legendäre spirituelle und intellektuelle Persönlichkeit Rabbi Abraham Isaac Kook, der ihn in seiner Jugend kannte, beschrieb Shushani als „einen der hervorragendsten jungen Menschen … scharf, kenntnisreich, vollkommen und vielseitig“.

Einer der größten Bewunderer Shushanis war Eli Wiesel, der über ihn schrieb: „Er beherrschte etwa dreißig alte und moderne Sprachen, darunter Hindi und Ungarisch. Sein Französisch war makellos, sein Englisch perfekt und sein Jiddisch harmonierte mit dem Akzent der Person, mit der er sprach. Die Veden und den Sohar konnte er auswendig aufsagen. Als wandernder Jude fühlte er sich in jeder Kultur zu Hause.“

Herr Shushani starb am 26. Januar 1968 in Uruguay. Prof. Shalom Rosenberg, einer der führenden Intellektuellen Israels, war zum Zeitpunkt seines Todes sein Schüler. Laut Prof. Rosenberg „ist die Welt geteilt in diejenigen, die ihn kannten, und diejenigen, die ihn nicht kannten“.

Nach Dr. Yoel Finkelman, Kurator der Haim und Hanna Salomon Judaica Collection der Nationalbibliothek, gibt es „keinen geeigneteren Ort für das Archiv von Herrn Shushani als die Nationalbibliothek, deren Aufgabe es ist, die intellektuellen und kulturellen Schätze des jüdischen Volkes und des Staates Israel zu bewahren und zugänglich zu machen. Wir halten es für äußerst wichtig, der Öffentlichkeit die Geschichte einer der mysteriösesten und einflussreichsten Persönlichkeiten des jüdischen Denkens des 20. Jahrhunderts näher zu bringen.“

Foto: Notizbuch Mr. Shushani, (c) National Library of Israel collection

–> Elie Wiesel’s Haunting, Mysterious and Brilliant Master
–> Webseite der Nationalbibliothek