„Die Göttin im Auto“

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Dorothy Levitt war nicht die erste Autofahrerin der Welt und auch nicht die erste Frau, die an Rennen teilnahm – aber sie war ganz sicher die eigensinnigste. Und die eleganteste.

Von Elke Wittich

Dorothy Levitt wurde am 5. Januar 1882 als Elisabeth Levi in Hackney geboren, ihr Vater Jacob war Juwelier und Teehändler. Viel ist über Kindheit und Jugend der Frau, die später als “die Göttin im Auto” oder “schnellstes Mädchen der Welt” bekannt werden sollte, nicht bekannt. Die Familie war jüdisch, ließ aber 1901 den Familiennamen anglisieren, worüber die Rennfahrerin jedoch nie sprach. Lieber erzählte sie später in Interviews davon, dass sie schon als Kind sehr sportlich war und die Geschwindigkeit, nur halt zu Pferde, liebte.

Die Geschichte der Motorsportlerin Levitt begann 1902 mit dem Umzug der Familie aufs Land. Gleichzeitig wurde ein Ehemann für Dorothy gesucht, aber die dachte gar nicht daran. zu heiraten, sondern trat lieber eine Stelle als Sekretärin beim Fahrzeuge- und Motorenhersteller Napier an.

Dort wurde sie vom Motorsport-Pionier Selwyn Edge gefördert, der sie sie zur britischen Camille du Gast machen wollte, die kurz zuvor in Frankreich als Rennfahrerin Schlagzeilen gemacht hatte. Damals waren Kraftfahrzeuge nur für die Oberklasse erschwinglich, die Rennen waren Leistungsschauen für die begüterte Kundschaft.

Leslie Callingham, ein junger Napier-Vertreter, wurde damit beauftragt, Dorothy das Fahren beizubringen. Die Ausgangsvoraussetzugen waren ungünstig. Callingham konnte seine Schülerin nicht ausstehen und beschwerte sich, dass sie zu intensiv nach Parfum roch sowie unangemessen klirrende Armreifen, Seidenstrümpfe und ausladende Hüte trug. Das eigentliche Problem war jedoch, dass er es unter seiner Männerwürde fand, einer Frau das Autofahren und damals unerlässliche Grundkenntnisse in KFZ-Mechanik beizubringen.

Zum Glück für alle Beteiligten erwies sich Levitt als Naturtalent, im März 1903 startete sie als erste Engländerin bei einem Autorennen. Rund acht Wochen später wurde sie zur strahlenden Siegerin, allerdings in einem Napier-Motorboot, mit dem sie bei der International Harmsworth Trophy in Irland den ersten Geschwindigkeits-Weltrekord auf dem Wasser aufstellte.

Beim Southport Speed Trial im Oktober wurde sie Erste in der Klasse “Autos, die zwischen 400 und 550 Pfund kosten”. Ebenfalls 1903 hatte Camille du Gast maskiert und in Männerkleidung an einem Rennen von Paris nach Madrid teilgenommen, lediglich ihre Stimme hatte historischen Berichten zufolge schließlich verraten, dass sie eine Frau war.

Levitt dachte dagegen gar nicht daran, sich zu verkleiden, sie trat zu den Rennen im In- und Ausland in eleganten Kleidern, modernem Mantel, Hut und Schleier an. Und sie kämpfte vehement für das Frauenrecht auf Autofahren, unterstützte die Sufragetten, hielt Vorträge, schrieb eine eigene Kolumne in der Wochenzeitung “The Graphic” und war unter anderem Fahrlehrerin von Queen Alexandra und deren Töchtern. 1909 schrieb Dorothy ein Buch, “The Woman and the Car”, in dem sie die Erfindung des Rückspiegels 1914 vorwegnahm. Es sei nützlich, riet sie, immer einen kleinen Spiegel bei sich zu haben, um den rückwärtigen Verkehr zu beobachten.

Ab 1910 wurde es still um die gefeierte Rennfahrerin. Die Sporthistorikerin Jean Williams schreibt in ihrem Buch A Contemporary History of Women’s Sport, dass plötzlicher Ruhm damals oft abrupt endete. Auch Camille du Gast hatte sich 1910 aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, nachdem sie nur knapp einen Mordanschlag ihrer Tochter überlebt hatte. Am 17. Mai 1922 wurde Dorothy Levitt tot in ihrem Bett gefunden, als Todesursache wurden wahlweise eine Überdosis Morphium, eine Herzkrankheit und die Masern angegeben. Ihren gesamten Besitz hatte sie nicht den noch lebenden Eltern, sondern ihrer jüngeren Schwester Elsie vermacht. Was aus den Erinnerungsstücken an die große Karriere wurde, ist unbekannt.