2017 feierten wir, meine Frau und ich, einen letzten Sederabend mit Miriam Rieck. Es war das Jahr der großen Jubiläen für Israel und die Welt…
Von Wolfgang Frindte
Aus meinem israelischen Tagebuch
120 Jahre zuvor, im August 1897, fand in Basel der erste Zionistenkongress statt. Andrea Livnat zitiert aus dem Tagebuch von Theodor (Binyamin Zeʾev) Herzl: „Fasse ich den Baseler Kongress in ein Wort zusammen – das ich mich hüten werde, öffentlich auszusprechen – so ist es dieses: in Basel habe ich den Judenstaat gegründet. Wenn ich das heute laut sagte, würde mir ein universales Gelächter antworten. Vielleicht in fünf Jahren, jedenfalls in fünfzig wird es jeder einsehen“ (Herzl, 1934, S. 24, zit. n. Livnat, 2015, S. 75). Fünf Jahre reichten bekanntlich nicht, 50 war die bessere Schätzung (aus der Sicht von 1897). Zwanzig Jahre später, im Jahre 1917, wurde mit der Balfour-Erklärung ein wichtiger Grundstein für Erez Israel geschaffen. Und nach noch einmal 30 Jahren später akzeptierte die UN-Generalversammlung mit der Resolution 181 den Teilungsplan für das britische Mandatsgebiet Palästina in einen jüdischen und einen arabischen Staat an.
Grund genug also, Pessach wieder einmal in Israel zu feiern und Miriam sowie ihre Familie zu besuchen. Die Anreise gestaltete sich indes komplizierter als gedacht. Wir fuhren zunächst mit dem PKW von Jena nach Berlin, um von Tegel nach Tel Aviv zu fliegen. Am Flugschalter musterte die freundliche Dame von EasyJet unsere Pässe. Zunächst beäugte sie den Pass meiner Frau und ich hoffte, dass es der Zweitpass ist, jener, in dem nicht die Dienstreisen in Länder verzeichnet sind, mit denen Israel keine diplomatischen Beziehungen pflegt. Es passte mit dem Pass. Dann kam meiner dran. Die Dame schaute in den Pass und dann mich an, um anschließend festzustellen, mein Pass sei nur noch drei Monate gültig. Damit, so die Dame, käme ich nicht ins gelobte Land. Die israelischen Behörden fordern die Vorlage eines Reisepasses, der mindestens sechs Monate über den Aufenthalt in Israel noch gültig sein müsste. Keine Chance also, mit dem geplanten Flug nach Israel zu reisen. Was also tun? Es war der Donnerstag vor Pessach.
Uns blieb nichts Anderes übrig, als wieder nach Jena zurückzufahren und zu hoffen, dass ich am nächsten Tag, am Freitag, einen vorläufigen Pass von den Jenaer Behörden ausgestellt bekomme und dass wir eine Umbuchung (beim EWIGEN, das kostet Geld) unseres Fluges auf einen möglichst nahen Termin erhalten. Das zweite klappt gleich noch in Berlin. Wir bekamen einen Flug am Samstag, am Schabbes. Wie heißt es aber: „Am siebten Tag sollst Du nicht fliegen“ oder so ähnlich (Kauschke, 2007).
Nun gut; Sie kennen sicher diesen Witz: Ein Rabbiner spielt leidenschaftlich Golf. Die ganze Woche war schlechtes Wetter, aber am Schabbes scheint die Sonne. Am frühen Morgen geht der Rabbiner auf den menschenleeren Golfplatz, um seiner Leidenschaft zu frönen, die in diesem Falle über seine Frömmigkeit siegt. Der Rabbi nimmt den Schläger in die Hand, während sein Vater vom Himmel aus zuschaut und zum EWIGEN sagt: „Siehst du, was mein Sohn, der Rebbe, da unten macht – heute, am Schabbes!?“ Der EWIGE antwortet: „Ich werde ihn bestrafen“. Der Rabbiner unten legt seinen Ball zurecht, holt aus und schlägt seinen Ball 250 Meter weit und genau ins Loch! Sein Vater wendet sich erbittert an den EWIGEN: „Das nennst du Strafe?“ Der EWIGE lächelt: „Wem soll er’s erzählen?“.
Ja denn, also am Schabbes nach Israel mit dem Flugzeug. Die Hürde mit dem vorläufigen Pass haben wir auch genommen und sind mit zwei Tagen Verspätung doch in Israel angekommen.
Palmsonntag in Jerusalem
Der Seder fiel 2017 (im jüdischen Jahr 5777) auf einen Montag. Am Tag davor war, wie die Christen sagen, Palmsonntag. An diesem Tag soll, so die Legende, Jesus Christus, der Jude Jesus (Jeschua) auf einem Esel reitend in Jerusalem eingezogen und von den Einwohnern mit Palmwedeln begrüßt worden sein. Um das jährlich wiederkehrende christliche Gewimmel zu beobachten, machten wir, meine Frau und ich, uns vor dem Seder auf nach Jerusalem.
Vom Jaffator nahmen wir – wie so oft – den Weg durch die Davidstraße zur Kotel, zur Klagemauer.
Der Gleichgang der Betenden und Besucher an der Kotel ist ja nur ein scheinbarer. Auf dem Platz vor der Klagemauer haben heute mehr als 100.000 Menschen Platz. Sie kommen aus aller Herren Länder, bei Tage und bei Nacht, Touristen, Neugierige, Gläubige, Skeptiker, Junge und Alte, Soldaten und Soldatinnen, die hier vereidigt werden oder sich Kraft im Gebet suchen, Jungen zu ihrer Bar-Mizwa-Feier, Chassidim (die aus Osteuropa stammen), Politiker und Politikerinnen, Ultra- und Ultra-Ultra-Orthodoxe aus Mea Shearim (dem jüdischen Viertel in der Neustadt Jerusalems, der „mittelalterlichen Welt voller Armut und ungebrochenem Glauben“, wie Amos Elon, 1999, S. 265 schreibt).
Noch einmal Amos Elon: „Es gibt keine nennenswerten organisierten Gebetsgottesdienste; jeder Gläubige betet in seinem eigenen Rhythmus, zur Musik einer bestimmten Volksgruppe oder chassidischen Sekte“ (Elon, 1999, S. 279).
Apropos Musik: Vom Aish Center im Jüdischen Viertel – gegenüber der Kotel – hat man einen herrlichen Blick auf den Tempelberg, auf die Stadt Davids und zum Ölberg.
Dort gegenüber der Kotel und mit Blick auf Ostjerusalem saßen wir an diesem Palmsonntag im Jahre 2017 und hörten der Musik eines orthodoxen Straßenmusikers zu. Er sang – man glaubt es kaum – einen unserer Lieblingssongs von John Lennon: Imagine. Sie werden sich erinnern, das Lied beginnt mit der Strophe:
“Imagine there’s no heaven
It’s easy if you try
No hell below us
Above us only sky“.
Und endet:
“Imagine all the people
Sharing all the world…
You may say I’m a dreamer
But I’m not the only one
I hope someday you’ll join us
And the world will live as one”.
Ich überlege, was es mir wert ist, einen frommen Mann singen zu hören, ich solle mir vorstellen, es gäbe kein Himmelreich („Imagine there’s no heaven“).
Während ich also so vor mich hin sann und versunken an meiner Pfeife zog, wurde meine Frau von einer vornehmen, leicht gelifteten Dame mit Hut in Englisch mit amerikanischen Akzent angesprochen: „Ist das nicht wunderbar, ist das nicht ein Traum“, sagte sie. Meine Frau dachte wohl gerade – ebenso wie ich – an den Text von Lennons Song und antwortete: „Ja, wunderbare Musik und ein herrlicher Traum vom Leben in Frieden“. Die Dame: „Yeh, ich meine, dass unser Präsident beabsichtigt, die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen. Ist das nicht wunderbar“.
Seit drei Monaten ist der 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika im Amt. Mit dem Slogan „America First“ war Donald Trump angetreten, die USA wieder zu neuer wirtschaftlicher, politischer und militärischer Größe zu führen. Dass dieser Slogan Jahrzehnte früher schon von US-amerikanischen Nationalisten, z.B. von dem bekannten Flieger und bekennenden Faschisten Charles Lindbergh oder von dem Autobauer und Antisemiten Henry Ford, benutzt wurde, um liberal-demokratische Bewegungen zu diskreditieren, weiß Donald Trump sicher. Die ersten 100 Tage seiner Präsidentschaft waren, so DER SPIEGEL, chaotisch und konfus (DER SPIEGEL, 2017).
Nun aber macht Trump, was Israel betrifft, Nägel mit Köpfen. Er beginnt, sein Wahlversprechen, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, in die Tat umzusetzen. Während eines Treffen mit dem israelischen Präsidenten Netanjahu versicherte Trump zudem, dass es keine Vorbedingungen für einen Frieden zwischen Israelis und Palästinensern geben werde.
Ich bin mir nicht sicher, ob Trump die Tragweite seiner Entscheidungen tatsächlich versteht. Das ist aber auch egal. Der US-amerikanische Präsident Donald Trump ist sicher ein sexistischer, narzisstischer, autoritärer und nicht besonders kluger Mensch. Mit der Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels hat er aber eine Entscheidung getroffen, die den historischen und politischen Bedingungen gerecht wird.
Zum einen stützt sich der Status von Jerusalem als Hauptstadt der Israelis auf die historischen Quellen und Erzählungen über die Landnahme Kanaans durch die Israeliten.
Jebus, Jerusalem, Yerushalayim wurde 1000 v. Chr. von David und seinen Truppen erobert. Von dieser Eroberung gibt es zwei leicht voneinander abweichende Erzählungen (II. Samuel 5,6-9 und I. Chronik 11,4-8, vgl. auch Oeming, 1994). Relativ gesichert scheint aber, dass Joab, Hauptmann und Neffe Davids, mit einigen Soldaten durch einen Wasserkanal in die Zitadelle der inneren Stadt eindrang (durch den sog. Warrens Schacht, Herzog & Gichon, 2000, S. 119) und auf diese Weise die Jebusiter, eine kleine ethnische Gemeinschaft aus dem Stamm der Kanaaniter, besiegt wurden. David machte Jerusalem zur Hauptstadt der Israeliten und nannte die Zitadelle „Stadt Davids“ (II. Samuel 5,9-10).
Nebenbei bemerkt: Auch, wenn König David die Bundeslade, den Gottesschrein, nach Jerusalem brachte, die Israeliten einte und ein Nachfolger aus dem Hause David dereinst als Messias erscheinen wird, ist mir dieser König nicht sehr sympathisch, zu viele Kebsen und Frauen, zu viel Verrat und Intrige (denken Sie z. B. an den Uriasbrief, II.Samuel 11).
Zum anderen hatte das israelische Parlament bereits im Januar 1950 West-Jerusalem als Hauptstadt Israels erklärt. Und der Hauptstadtstatus Jerusalems ist auch in den Grundgesetzen des heutigen Staats Israels fixiert, die zwischen 1958 und 2018 von der Knesset verabschiedet wurden, so in dem im Juli 1980 verabschiedeten Jerusalemgesetz (Jeruschalajim birat Jisra’el).
Wie auch immer: Die Aufregung der europäischen Staaten nach Trumps Entscheidung wirkte doch recht heuchlerisch. Deutschland, Frankreich, Großbritannien, 2017 noch Mitglied der EU, und andere EU-Staaten sprachen von einer Provokation und von der Gefährdung des Friedens im Nahen Osten. Allerdings hatten frühere US-Präsidenten schon hin und wieder die Absicht bekundet, die US-amerikanische Botschaft nach Jerusalem zu verlegen und damit den Hauptstadtstatus anzuerkennen. Im April 2017 kannte übrigens auch Russland – zumindest – Westjerusalem als Hauptstadt Israels an. Australien hat sich 2018 in gleicher Weise positioniert.
Was hätten die EU-Länder tun sollen? Sie hätten – wie heißt der Neologismus? – proaktiv werden können und sich zum Beispiel auf das gescheiterte, aber gar nicht so ungescheite, Camp-David-II-Treffen berufen können.
Zur Erinnerung: Dieses Treffen fand zwischen dem damaligen US-Präsidenten Bill Clinton, dem Vorsitzenden der Palästinensischen Autonomiebehörde Jassir Arafat und dem israelischen Ministerpräsidenten Ehud Barak im Juli 2000 statt. Dabei ging es um die Fortsetzung des Friedensprozesses auf der Basis der früheren Oslo-Abkommen. Barak machte seinem Namen alle Ehre und kämpfte, wie weiland Barak, der Sohn Abinoams und Heerführer der Richterin Debora (Richter, 4), um einen Frieden und eine Zweistaatenlösung. Knackpunkte und Ursachen des Scheiterns dieser Verhandlungen waren u.a. die jüdischen Siedlungen in der West Bank, ein „Rückkehrrecht“ aller nach 1948 geflüchteten Palästinenser, der Status Jerusalems und die Verwaltung des Tempelberges. Barak hatte vorgeschlagen, 90 Prozent der Westbank den Palästinensern als Staatsgebiet zur Verfügung zu stellen. Ein allgemeines „Rückkehrrecht“ der Palästinenser lehnte Barak ab, schlug aber einen begrenzten Zuzug im Rahmen von Familienzusammenführungen vor. Ost-Jerusalem sollte mit weiteren palästinensischen Orten vereinigt und Hauptstadt eines palästinensischen Staates werden. Auch die muslimischen und christlichen Wohnviertel in der Jerusalemer Altstadt sollten der palästinensischen Souveränität unterstellt werden. Den Tempelberg sollten die Palästinenser gemeinsam mit Marokko (das den Vorsitz im damaligen „Jerusalem-Komitee“ der Organisation für Islamische Zusammenarbeit innehatte) verwalten.
Die palästinensische Führung lehnte all diese Vorschläge ab. Arafat soll überdies gegenüber Bill Clinton behauptet haben, der Jüdische Tempel habe niemals in Jerusalem gestanden (www.mena-watch). Die Delegationen fuhren heim. Die Palästinenser begannen die Zweite Indifada (Al-Aqsa-Intifada), in deren Folge zahlreiche Israelis ermordet wurden und auch Palästinenser ihr Lebens ließen. Ehud Barak verlor im März 2001 sein Amt und Ariel Scharon wurde zum neuen Ministerpräsidenten gewählt.
Warum diese Erinnerungen? Nun, ganz einfach: Die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels durch die US-Administration war eine gute Sache. Gemessen an den israelischen Vorschlägen von Camp David im Sommer 2000 ist der „Friedensplans“, den die USA und Israel im Februar 2020 vorgestellt haben, indes nicht nur der „Bluff des Jahrhunderts“ (Schneider, 2020), sondern Teil für neuen Unfrieden. Die Chancen, die mit den Vorschlägen von Camp David verbunden gewesen wären, haben die EU-Staaten nicht gesehen. Und auf die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels hatten sie, außer Klagen, ebenso wenig eine proaktive Antwort wie auf Donald Trumps „Friedensplan“ aus 2020.
Zurück zum Palsonntag 2017. Die Dame aus den USA fand Donald Trump auch nicht sonderlich sympathisch und fragte uns noch, wie sich Deutschland nun verhalte. Ob auch der Deutsche Bundestag Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen würde. Unsere Antwort muss wohl etwas unklar ausgefallen sein. Wir sprachen davon, dass die Sicherheit Israels zur deutschen Staatsräson gehöre, zitierten die deutsche Bundeskanzlerin, erwähnten aber auch die antisemitischen Entwicklungen in der Bundesrepublik, um schließlich unsere Skepsis gegenüber der deutschen Haltung zur Jerusalem-Frage auszudrücken.
Die Dame nickte zu allem und verabschiedete sich dann mit den hebräischen Worten: „L’Shana Haba’ah B’Yerushalayim“, nächstes Jahr in Jerusalem.
Wir machten uns auf den Weg ins christliche Viertel von Jerusalem. Vor der Grabeskirche war kaum ein Durchkommen. Menschen mit Palmwedeln und ein babylonisches Sprachgewirr. Wir kehrten um, liefen wieder zur Kotel, um zwischen dem Tempelberg und dem Ölberg durch das Kidrontal zum Löwentor zu gelangen und von dort wieder die Altstadt zu betreten.
Das Kidrontal zwischen Tempelberg und Ölberg heißt auch das Tal Joschafat, das Tal des Gerichts. Um den Entscheidungen dieses Gerichts und dem kommenden Messias möglichst nahe zu sein, haben sich Jüdinnen und Juden seit mehr als 4000 Jahren oberhalb des Tals auf dem Westhang des Ölberges begraben lassen.
Im Joschafat-Tal und damit ebenfalls sehr nahe am kommenden Jüngsten Gerichts finden sich eindrucksvolle Gräber, so das Grab des Abschalom. So hieß auch ein jüngerer Sohn Davids. Das Grab indes ist jüngeren Datums und stammt wohl aus dem 1. Jahrhundert v.Chr.
Unweit vom Grab des Abschalom stehen das neun Meter hohe und vollständig aus dem Felsen gehauene Grabmonument des Zacharias und das Grab des Jakobus, beide ebenfalls aus dem 1. Jahrhundert v. Chr.
Das Grab des Jakobus hat nichts mit den von den Christen verehrten Jünger des Jesus Christus zu tun, also dem heiligen Jakobus, sondern ist eine Grabstätte der jüdischen Priesterfamilie Bnei Hesir. Das Grab des Zacharias steht ebenfalls nicht mit christlich verehrten Personen im Zusammenhang, etwa mit Zacharias, dem Vater von Johannes dem Täufer. Der Legende nach könnte es das Grab des jüdischen Priester Zacharias Ben Jojada (Chronik, 24, 20-22) sein, ist es aber wahrscheinlich auch nicht. Dafür ist das Grab nicht alt genug und möglicherweise auch gar kein Grab, sondern nur ein Denkmal. Es enthält nämlich keine Grabkammern. Ansehnlich und beeindruckend ist es dennoch.
Nachdem wir das Löwentor zur Altstadt passiert hatten, begegneten wir auf der Lion’s Gate Street, einem Teil der Via Dolorosa, einer wirklich erstaunlichen Prozession. Vor einem Holzkreuz, getragen von Christen, die wohl gerade aus der Verurteilungskapelle (Church of the Condemnation) kamen, liefen orthodoxe Juden, flankiert von Touristen. Wir waren uns sicher, dass die beteiligten Personen von der Gemeinschaft, die wir wahrzunehmen meinten, nichts ahnten und damit wohl nichts zu tun haben wollten. Ein harmonisches, vielleicht auch friedliches Bild, wenn auch nur ein Bild, war es trotzdem.
Übrigens: Der deutsche Kabarettist Oliver Polak erzählte folgenden Witz, um zu erklären, warum Jesus Christus Jude war: „Erstens: Er lebte noch bei seinen Eltern, als er schon dreißig war. Zweitens: Er glaubte, seine Mutter sei Jungfrau. Drittens: Seine Mutter glaubte, er sei Gott“ (Deutschlandfunk Kultur, 2020).
Grund genug für uns den Tag mit einem armenischen Kognak, besser: einem Ararat, abzuschließen. Den tranken wir im Restaurant Versavee, im christlichen Viertel, unweit vom Jaffa-Tor. Hier trafen wir uns auch kurz mit Uri, einem Kollegen von der Hebrew Universität, um den finalen Antrag für ein gemeinsames Forschungsprojekt zur Medienberichterstattung in Deutschland und Israel zu unterschreiben. Dieses Projekt, das wir zwei Wochen später bei der German-Israeli-Foundation for Scientific Research and Development eingereicht haben, wurde leider sechs Monate später, kurz nach meiner Pensionierung abgelehnt.
Im nächsten und letzten Teil: Pessach in Haifa
Wolfgang Frindte ist Sozialpsychologe und war Professor für Kommunikationspsychologie am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Jena. Von 1998 bis 2005 war er Gastprofessur für Kommunikations- und Medienpsychologie am Institut für Psychologie der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck und 2004 Fellow am Bucerius Institut der Universität Haifa. Zu seinen Buchveröffentlichungen gehören u.a. „Inszenierter Antisemitismus“ (2006), „Inszenierter Terrorismus“ (2010, mit Nicole Haußecker), „Der Islam und der Westen“ (2013), „Muslime, Flüchtlinge und Pegida“ (2017, mit Nico Dietrich) und „Halt in haltlosen Zeiten“ (2020, mit Ina Frindte).
Bild oben: Die Westmauer (Kotel), aufgenommen 2017.
Literatur
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