Vom Schtetl in den Montparnasse

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Ein Buch über Leben und Werk des Malers Issachar Ber Ryback…

Issachar Ber Ryback wurde 1897 in der Ukraine geboren. Sein Werk war stark durch die jüdische Renaissance in Russland geprägt. Autorin Sigalit Meidler-Waks zeichnet vor dem jeweiligen kulturhistorischen Kontext die unterschiedlichen Stationen seines Schaffens nach, von Kiew, Moskau, Berlin, über die Sowjetunion und schließlich nach Paris.

Ryback gehörte zur zweiten Generation jüdischer Künstler in Russland, wie auch El Lissitzky und Marc Chagall. Ihr Schaffen war von der Suche nach der „reinen Form“ geprägt, die sie zur jüdischen Volkskunst brachte. Buchillustrationen, Holzschnitt, Grabschmuck und Synagogendekor wurden zur Inspiration. Gemeinsam mit El Lissitzky unternahm Ryback im Auftrag der Jüdischen Historischen und Ethnographischen Gesellschaft eine Expekdition ins Dnjepr-Tal, um die dortigen Holzsynagogen zu dokumentieren. Die Eindrücke spiegeln sich in den Werken beider deutlich wider. Der Großteil von Rybacks Arbeiten in seiner Kiewer Zeit, die im Kontext der „Kultur-Lige“ entstanden, zeigen deutlich deren Ausrichtung. Die Künstler des Kulturbunds unternahmen den Versuch, eine nationale jüdische Kunst zu schaffen, indem sie Motive alter jüdischer Volkskunst mit modernen Strömungen wie dem Kubismus und dem Futurismus zu verbinden suchten. Der Großteil von Rybacks Arbeiten aus der Kiewer Zeit kreisen um das Schtetl, zeigen Dorf und Bewohner, Handwerker, Synagoge und Friedhof in überwiegend erdigen, teils aber auch grellen Farben und avantgardistischen Formen. In diese Zeit fällt auch das oben abgebildete Werk „Die alte Synagoge“ von 1917, die sich in der Sammlung des Tel Aviv Museum of Art befindet. Sigalit Meidler-Waks stellt auch die in Kiew entstandenen Bühnendekorationen und Buchillustrationen Rybacks vor.

1920 zog Ryback für kurze Zeit nach Moskau, nachdem die politische Lage in Kiew zunehmend unsicher wurde. In dieser Zeit schuf Ryback neben zahlreichen politischen Plakaten eine Serie von zehn Aquarellen über die Pogrome in der Ukraine. Sie zeugen in drastischer Weise von den konkreten Verbrechen, von Plünderung und Mord durch die Ukrainer. Er griff dabei reale Begebenheiten, wie etwa die Ermordung von Juden auf einem Schiff auf dem Dnejpr auf. Diese Pogromserie wurde niemals veröffentlicht und später von seiner Witwe an das Museum in Ein Harod, Israel vermacht. 

Von 1921 bis 1924 weilte Ryback in Berlin, wo er seine erste Einzelausstellung im Jüdischen Logenhaus hatte und sich u.a. an Ausstellungen der Novembergruppe beteiligte. Auch hier entstand eine Reihe von Buchillustrationen für drei jiddische Kinderbücher, die 1922 in Berlin erschienen. In Berlin veröffentlichte Ryback auch seine ersten beiden Graphikmappen, „Schtetl. Meine zerstörte Heimat, eine Erinnerung“ und „Jüdische Typen aus der Ukraine“. Arnold Zweig kommentierte Rybacks Einzelausstellung mit folgenden Worten: „Jetzt stellt eine Generation von Malern aus, die auf ganz selbstverständliche Weise  ihre Jugend […] ihre Milieu malend, und gut malend, jüdische Stoffe bildmäßig gestaltet: ohne das Pathos, das aus der Sehnsucht, Umkehr oder Vergeistigung kommt […] Sie sind Juden auf selbstverständliche Weise, waren es stehts und werden es immer sein“.

Im Dezember 1924 kehrte er für ein Jahr in die Sowjetunion zurück. Der Einladung des Regisseurs des Belorussischen Jiddischen Theaters zur Gestaltung eines Bühnenbilds folgten weitere Aufträge für das Jiddische-Arbeiter-Theater in Charkow. Im Anschluss reiste er durch die neuen jüdischen Kolonien in der Ukraine und auf der Krim, wo er zu einer naturalistischeren Darstellungsweise fand.

Rybacks letzte Lebensstation sollte Paris sein, wohin er im Mai 1926 kam. Hier sollte er sein Œuvre erweiterten und die Ausschließlichkeit jüdischer Themen aufgeben. Die See und Fischfang nehmen einen großen Teil dieser neue Werke ein, aber auch Architekturdarstellungen, Landschaften und Tierdarstellungen. Auch in Paris blieb Ryback dem Schtetl verbunden und so entstanden auch in seinen letzten Lebensjahren Szenen aus dem jüdischen Leben des Schtetls, jetzt in deutlich weicheren Farben und Formen.

Issachar Ber Ryback starb am 22. Dezember 1935. 

Das mit Hunderten farbigen Abbildungen angereicherte Buch ist eine eindrucksvolle, gut lesbare Darstellung zu Leben und Werk dieses weniger bekannten Künstlers.

Sigalit Meidler-Waks, Issachar Ber Ryback. Leben und Werk, Hentrich & Hentrich Verlag 2019, 370 S., 350 Abb., Bestellen?

Bild oben: Issachar Ber Ryback, Die alte Synagoge 1917 in Dobrowna, nahe Mogiljow. Collection of The Tel Aviv Museum of Art.