Hamas ahoi!

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Mit der Kampagne „Offener Hafen Gaza“ will im Frühjahr die dritte „Freedom Flotilla“ starten…

Von Gaston Kirsche

Im Mai wollen antiisraelische Organisationen aus mehr als 12 Ländern mit mehreren Schiffen ins Mittelmeer fahren. In einer Neuauflage der Gaza-Flottille planen sie, gemeinsam die israelische Seekontrolle des Gazastreifen durchbrechen, ohne sich auf Waffen und kriegstaugliches Material durchsuchen zu lassen. Dabei erklären sie immer wieder, „gewaltfreien Widerstand“ leisten zu wollen. Wie gewalttätig dies tatsächlich ablaufen kann, hat die erste Gaza-Flottille gezeigt: Als sich am 31. Mai 2010 das größte Schiff der Flottille, die unter türkischer Fahne fahrende „Mavi Marmara“ der islamistischen IHH, Stiftung für Menschenrechte, nicht stoppen ließ, seilten sich israelische Soldaten aus Hubschraubern auf die umgebaute Fähre ab. Sie wurden dabei von Aktivisten der Flottille mit Eisenstangen und langen Messern angegriffen. Nach dem die Aktivisten einen von ihnen bewusstlos geschlagenen israelischen Soldaten ins Meer geworfen hatten, begannen die von der massiven Gewalt überraschten Israelis zu schießen. 10 Aktivisten der IHH starben. Später wurde zwar bekannt, dass sie vor der Gaza-Flottille Abschiedsbriefe geschrieben hatten, indem sie ihre Bereitschaft zum Märtyrertod erklärten, aber dass interessierte kaum jemanden. In der weltweiten Medienöffentlichkeit wurde das Aufbringen der Mavi Marmara als illegaler, brutaler Akt rezipiert. An diesen Propagandaerfolg knüpft die „Freedom Flotilla Coalition“ seither immer wieder an. In der Türkei läuft immer noch ein wie eine Operette ablaufender Prozess gegen die 2010 für den Einsatz verantwortlichen vier israelischen Offiziere, die Mavi Marmara ist dabei Beweismittel Nummer eins, am 25. Mai will das Gericht erneut eine öffentlichkeitswirksame Begehung des Schiffes durchführen.

Bei der dritten Flottille werden andere von der IHH gecharterte Schiffe dabei sein. Vor den Augen und Radaranlagen der Welt werden sie auf offener See erneut kaum die israelische Marine umschiffen können – es geht ihnen um die Symbolik. Die israelischen Verteidigungskräfte sollen als internationales Recht missachtend dargestellt werden: „Der Staat Israel handelt wie die Piraten des Mittelmeeres“ – so die Initiative „Ship to Gaza“ Griechenland. Die Spendenkampagnen für die neue Gaza-Flottille laufen bereits. „Verschiedene Boote werden an dieser neuen Aktion gegen die israelische Blockade teilnehmen“, so die „Freedom Flotilla Coalition“, denn „es ist die Verantwortung der weltweiten Zivilgesellschaft nach Gaza zu fahren und die israelische Blockade abzulehnen, welche die Ursache der meisten Probleme der palästinensischen Bevölkerung in Gaza ist“. In gemeinsamen Erklärungen ihrer Mitgliedsorganisationen aus Kanada, Italien, Spanien, Griechenland, Norwegen, Schweden, den USA, Malaysia und der Türkei warben sie nach ihren Treffen im August in Istanbul und im Dezember in Athen dafür, sich als Blockadebrecher gegen Israel zu inszenieren. „Aufrufe, die Blockade von Gaza zu beenden müssen sich vom Reden zum Handeln bewegen“, erklärte Ann Ighe, Sprecherin von „Ship to Gaza“ Schweden. Unterstützt wird die Flottille auch von Palästina-Solidaritätsgruppen aus Südafrika, Jordanien und England. Auch auf dem Weltsozialforum in Tunis Ende März stießen die Veranstaltungen der Kampagne „Offener Hafen Gaza“ auf großes internationales Interesse. Aus Deutschland sind bisher keine Organisationen bekannt, die den Aufruf unterstützen. Dies war aber auch bei den bisherigen zwei großen Gaza-Flottillen nicht der Fall, gleichwohl gab es 2010 eine Beteiligung etwa von drei Bundestagsabgeordneten der Partei Die Linke, auch 2011 beteiligten sich Deutsche.

Die Kampagne ist niedrigschwellig auf eine breite Beteiligung angelegt. Mittels Crowdfunding von Beträgen ab 10 Euro wird derzeit Geld gesammelt: „Für die Ausgaben für jedes Schiff, welche bei der Vorbereitung, für den Treibstoff, Hafengebühren, Kommunikationsequipment und Versicherungen anfallen werden“. Die Boote sollen in den jeweiligen Ländern mit einem Begleitprogramm starten, um schon vor dem Start maximale Aufmerksamkeit zu erreichen. Geplant ist, rund um das Mittelmeer in vielen Hafenstädten Veranstaltungen durchzuführen, auf denen Israel als völkermordender, gesetzesmissachtender, piratöser und illegaler Staat dargestellt werden soll. Die „Freedom Flotilla Coalition“ wollte ihre dritte Flottille eigentlich schon früher starten: „Wir planten nach Gaza 2014 zu starten, im internationalen Jahr der UN zur Solidarität mit dem palästinensischen Volk“. Aber Absprachen brauchen Zeit, zumal das türkische Mitglied der Koalition, die IHH, die regierungsnahe „Stiftung für Menschenrechte“ Rücksicht auf die außenpolitischen Interessen der AKP-Regierung nimmt. Die türkische Regierung hatte 2014 mit dem erstarkenden IS in Syrien und dem Irak und der Ablenkung von ihrer Duldung islamistischer Kämpfer auf ihrem Territorium sowie den Kämpfen um Kobane mehr als genug zu tun.

Die islamistische IHH ist gleichwohl eine der wichtigsten Gruppierungen in der „Freedom Flotilla Coalition“: So war sie Gastgeberin des Treffens der Koalition, auf der die diesjährige Gaza-Flottille beschlossen wurde und war die erste Gruppe, welche die Aktion öffentlich ankündigte. Die IHH hat seit langem gute Beziehungen zur im Gazastreifen herrschenden Hamas, Nilufer Narli, Professorin an der Istanbuler Bahçeşehir-Universität wirft der IHH etwa seit langem vor, die Hamas auch finanziell zu unterstützen.

Dazu passt, dass die „Freedom Flotilla Coalition“ im Dezember in Athen einklagte, Gaza leide unter einem Mangel „an Material für den Wiederaufbau dessen, was Israel während seiner Angriffe im Juli und August zerstört hat“. Ohne zu erwähnen, wie viele Kubikmeter Beton in den Tunnels zerstört werden mussten, welche Terrorkommandos dazu dienen sollten, für Anschläge unerkannt nach Israel einzusickern. Überhaupt wird der Gazakrieg vom Sommer 2014 oft thematisiert, aber ohne auch nur in einem Halbsatz in einer einzigen Erklärung den tausendfachen Raketenbeschuss auf die israelische Zivilbevölkerung zu erwähnen. Stattdessen lässt „Ship to Gaza“ Griechenland etwa die „heroischen Menschen von Palästina“ hochleben, betont das „Recht der Palästinenser ihren Kampf für Freiheit und Unabhängigkeit“ fortzuführen, wofür die „11.000 palästinensischen Gefangenen freigelassen“ werden sollen.Darunter auch zahlreiche wegen mörderischer Anschläge auf Israelis verurteilte Attentäter.

„Rumbo a Gaza“, eine spanische Organisation der „Freedom Flotilla Coalition“ klagt „Israel an, Verbrechen gegen die Menschheit zu begehen“, einen „Genozid“ in Palästina zu verüben. Dabei erfahren sie bereitwillige Unterstützung durch die spanische Linke, anarchistische und postautonome Periodika drucken ihre Erklärungen, die Vereinigte Linke stellt Räume für Veranstaltungen zur Verfügung, die Zeitung der PCE, Mundo Obrero verkündet, dass die Spendenkampagne für die dritte Gaza-Flottille gut anläuft.

„Rumbo a Gaza“ ist dabei keineswegs zurückhaltend in ihrer Positionierung gegen das als „Unrechts-“ und „Apartheidsstaat“ titulierte Israel und für die Regierung des Gazastreifens, für die Hamas: Sie „sehen keine zwei Seiten in einem Konflikt, sondern es gibt einen Henker und ein Opfer.“ Neutralität sei Verrat, denn: „Äquidistant zu sein heißt, auf der Seite des Henkers zu stehen“. „Rumbo a Gaza“ setzt sich „für eine Beendigung der ungerechten Besatzung ein, welche bereits seit 67 Jahren andauert“. Vor 67 Jahren wurde der Staat Israel gegründet, für dessen Abschaffung sich Rumbo a Gaza so wenig verklausuliert einsetzt.