Materielle Überlieferung und jüdische Erinnerung – Öffentliche Vorträge im Rahmen der Sommeruniversität 2013…
Am Sonntag, den 21. Juli, am Montag, den 22. und Mittwoch, den 24. Juli stehen öffentliche Vorträge im Salomon Sulzer Saal auf dem Programm. Wir freuen uns über rege Teilnahme. Eine Anmeldung für die öffentlichen Vorträge ist nicht erforderlich. Der Eintritt ist frei.
So 21. Juli 2013, 14.15 Uhr, Salomon Sulzer Saal, Schweizer Str. 21
Kollektives jüdisches Gedächtnis – und warum es das vielleicht gar nicht gibt
Vortrag von Erik Petry (Basel)
Kaum ein Konzept hat in den letzten Jahrzehnten eine solche Karriere in der geisteswissenschaftlichen Hermeneutik gemacht wie die „kollektiven Gedächtnisse“. Alle haben eines, alle sind Teil eines, alle sind allen ein kollektives Gedächtnis? Setzt man noch das Adjektiv „jüdisch“ hinzu, scheinen der Scientific Community wie auch der Öffentlichkeit völlig klar zu sein, was gemeint ist: Juden agieren kollektiv-gedächtnishaft. Gleichzeitig lehnen die Protagonisten des kollektiven Gedächtnisses einen Kollektivblick auf eine Gemeinschaft vehement ab, alles müsse hoch differenziert ein – ausser beim kollektiven jüdischen Gedächtnis? Die Vorlesung wird nicht nur das Konzept „kollektives Gedächtnis“, sondern besonders die Vorstellungen eines kollektiven jüdischen Gedächtnisses in Frage stellen, um ein aus Erinnerungsforschung und Epigenetik generiertes Gegenmodell zu entwerfen.
So 21. Juli 2013, 16.00 Uhr, Salomon Sulzer Saal, Schweizer Str. 21
Erinnere Dich, was Amalek dir angetan! Über jüdisches Vergessen
Vortrag von Alfred Bodenheimer (Basel)
Amalek ist zugleich der konkreteste und der abstrakteste Marker für das totale Feindbild des Judentums. Seine Wichtigkeit wird besonders durch das biblische Gebot hervorgehoben, seine Untaten nie zu vergessen und seine Erinnerung auszulöschen. Amalek nimmt nicht nur in der biblischen Literatur und im Brauchtum eine wichtige Rolle ein, auch die jüdische Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Feinden durch die Geschichte wird immer wieder mit Amalek in Verbindung gebracht. Zugleich wird im Talmud postuliert, dass Amalek gar nicht mehr identifizierbar sei – eine klare Aufforderung, das Erinnerungs- und Auslöschungsgebot aus der konkreten in die symbolische Ebene zu heben. Dennoch bleibt Amalek eine äusserst relevante Figur, die bei Bedarf in der jüdischen Geschichte zur Anwendung gebracht wird. In dem Vortrag soll ncht zuletzt untersucht werden, welche philologisch-symbolische Konsequenz die Auseinandersetzung mit Amalek im Kontext mit jüdischem Gedächtnis und Selbstverständnis hat.
So 21. Juli 2013, 20.00 Uhr, Salomon Sulzer Saal, Schweizer Str. 21
Das Gedächtnis der Dinge und Orte
Vortrag von Aleida Assmann (Konstanz)
Gedenkstätten und Museen sind klar markierte öffentliche Orte und Bühnen der Vergangenheit, auf denen ausgewählte Ereignisse und Gegenstände festgehalten und für nachwachsende Generationen immer wieder neu aufbereitet werden. Der Vortrag fragt nach Dingen und Orten im Spannungsfeld zwischen Materialität und Medialität, zwischen Spur und Inszenierung. Darüber hinaus wird es auch um den Symbolwert der Materialität selber gehen, wie er im Kontext kultureller Praktiken zum Ausdruck kommt. An die Frage nach einer bestimmten Aufladung und Aufgeladenheit der Materialität der Dinge versucht der Vortrag sich mit den Begriffen der Kontaminierung und Ent-Kontaminierung anzunähern.
Mo 22. Juli 2013, 20.00 Uhr, Salomon Sulzer Saal, Schweizer Str. 21
Telling Stories: The Place of Objects in a Multimedia Narrative Exhibition (in Engl.)
Vortrag von Barbara Kirshenblatt-Gimblett (New York/Warschau)
The Museum of the History of Polish Jews will present a 1000-year story. Rising on the rubble of the Warsaw ghetto and prewar Jewish neighborhood and facing the Monument to the Warsaw Ghetto Fighters, the Museum will complete the memorial complex. The Monument remembers those who died by remembering the genocide. The Museum honors them by remembering how they lived. The exhibition will occupy about 4300 square metres. The decision was taken at an early stage to create a multimedia narrative exhibition. Rubble is a proper metaphor for our starting point: there are no historic buildings and as a new museum, no collection of our own. For this and other reasons, we did not start from a collection, though we did form one specifically for the exhibition. We started from a different premise, from the story, and were open to using any and all media, including objects, to tell the story. The result is more a theatre of history than display based first and foremost on objects. That said, objects do play an important role in the exhibition. When we can find the right ones, we exhibit them. To be the right ones, their stories should illuminate—and be illuminated by—the larger story. This lecture will explore the nature of objects and how we use them in a multimedia narrative exhibition about the 1000-year history of Polish Jews.
Mi 24. Juli 2013, 20.00 Uhr, Salomon Sulzer Saal, Schweizer Str. 21
Spuren der Texte: Genisot, Fragmente und andere Formen der Überlieferung
Vortrag von Falk Wiesemann (Düsseldorf)
Seit alters her pflegt das Judentum ein besonderes Verhältnis zu nicht länger benutzten und unbrauchbar gewordenen religiösen Handschriften und gedruckten Texten. Daraus entwickelte sich ein ihm eigener, durch die Tradition bestimmter Umgang mit der Materialität jüdischer Texte. Der religiöse Brauch, bestimmte Schriften und Bücher nicht einfach wegzuwerfen oder im Papiercontainer zu „entsorgen“ ist jedoch keineswegs allein Religionsgeschichte, sondern aktuelle Gegenwart.
Weitere Informationen:
Jüdisches Museum Hohenems, www.jm-hohenems.at