Teheran in Frankfurt

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Die Buchmesse und ihr entspanntes Verhältnis zu Iran…

Von Matthias Küntzel

Wenn in wenigen Wochen die größte Buchmesse der Welt in Frankfurt ihre Tore öffnet, wird sich ein Land besonders selbstbewusst präsentieren: Die Islamische Republik Iran. Ausgerechnet! Iran ist das Land mit der höchsten Quote inhaftierter Journalisten weltweit. Teheran verbietet Zeitungen, schließt Galerien, verhaftet Kritiker und lässt Künstler auspeitschen. Tausende Buchmanuskripte liegen im „Ministerium für Kultur und islamische Führung“ und scheitern an der Zensur. „Wir können den Buchmarkt nicht freigeben und damit zulassen, dass schädliche Bücher auf den Markt kommen“, erklärt Ali Khameini, der Führer des Regimes. ((Heinrich Böll Stiftung, iran-report Nr. 11/2011, S. 7.))

Natürlich ist hierüber auch der Veranstalter der Bücherschau, die Frankfurter Buchmesse GmbH, informiert. So finanziert sie seit Sommer dieses Jahres das Exil des zensierten iranischen Autors Mohammed Baharlo, der Zuflucht in Frankfurt fand. Das „Eintreten für die Freiheit des Wortes“ gehöre zu den Aufgaben der Messe, gab Jürgen Boos, der Direktor der Messe, bekannt. ((Claudia Schülke, Mohammad Baharlo – Schreibender Einsiedler, in: Rhein-Main-Beilage der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 25. Juli 2012.)) Doch warum wird dann der Auftritt auf der Buchmesse 2012 nicht dem verfolgten Autor, sondern dessen Verfolgern gewährt?

Im Herbst werden nicht nur systemkonforme Iran-Verlage wie der „Arische Denker-Verlag“ oder die „Verlagsgemeinschaft ,Heilige Verteidigung‘“ – ihre Produkte vorführen. ((Die genannten Verlage werden im Messekatalog 2012 als „Andishevarzan Arya Research & Publishing Co.“ sowie als „Defa Moghaddas Publishers Association“ geführt. Ich danke meinem Kollegen Wahied Wahdat-Hagh für die Übersetzung und weitere Hinweise.)) Zusätzlich bereitet die iranische Botschaft in Deutschland eine „wirkungsvolle [und] zielgerichtete Präsenz“ in Frankfurt vor. ((Kulturüberblick über Aktivitäten der Abteilung für kulturelle Angelegenheiten der Botschaft im Jahre 2011/2012 auf: http://www.iranembassy.de/de/kultur/kulturelle-nachrichten/354-kulturnachrichten-aus-iranischen-medien [Am 26.8.12 eingesehen.])) Mehr noch: Diesmal – man mag es kaum glauben! – will auch das iranische Zensurregime unter der Leitung von Mohammad Azimi – dem ehemaligen Vizeminister des „Ministerium für Kultur und Islamische Führung“ – die Werbetrommel rühren. ((„Formerly, Azimi was the legal, parliament deputy of the Ministry of Culture and Islamic Guidance“, schreibt die Iran Book News Agency auf: http://www.ibna.ir/vdcbfab85rhbf9p.4eur.html [Am 26.8.12 eingesehen.]))

Man habe in Verhandlungen mit den Messeverantwortlichen erreicht, dass der Nationalstand des Regimes einen bevorzugten Platz erhalten und seine Fläche von 80 auf 96 Quadratmeter steigern wird, berichtete Azimi stolz und kündigte für die Buchmesse zusätzlich eine Vortragsreihe über Irans Kulturpolitik an. ((„Frankfurt Book Fair an ideal venue for cultural interactions“, auf: http://www.ibna.ir/vdcc01qs42bq018.-ya2.html [Am 26.8.12 eingesehen.]))

Hier wird deutlich, dass es dem Regime nicht um Bücher, sondern um einen Prestige-Auftritt geht. Es will offenkundig beweisen, dass es die westliche Isolationsstrategie mit deutscher Hilfe durchkreuzen kann – trotz seiner Atompolitik, trotz seines Einsatzes für Assad, trotz seines Terrors gegen Künstler in Iran.

Die Buchmesse hat in der Vergangenheit bewiesen, dass sie durchaus in der Lage ist, die „Freiheit des Wortes“ zu verteidigen. 1989 rief Ajatollah Khomeini zur Ermordung des britischen Schriftstellers Salman Rushdie auf. Damals setzte die Buchmesse ein Zeichen: jahrelang blieb Iran für die Messe gesperrt. ((Thierry Chervel (Hg.), „Redefreiheit ist das Leben“ – Briefe an Salman Rushdie, München 1992, S. 30 und 128.))

In diesem Sommer wurde erneut eine Todesfatwa erlassen – gegen den in Deutschland wirkenden Dichter und Sänger Shahin Najafi. ((“Wir fordern Öffentlichkeit und Politiker dazu auf, unseren Kollegen in jeder Form zu unterstützen und sich für seine Sicherheit einsetzen”, heißt es in der von zahllosen prominenten Künstlern unterzeichneten Erklärung “Solidarität mit Shahin Najafi” der Akademie der Künste auf: http://www.adk.de/de/projekte/2012/Appell_15.06.12/ [Am 26.8. 12 eingesehen.])) Und was passiert? Diesmal ist die Messe für die Verfechter dieses Mordaufrufes nicht verschlossen. Diesmal öffnet man ihnen Tür und Tor.

Auch damit setzt die Buchmesse ein Zeichen: ein Zeichen der Nachgiebigkeit gegenüber dem Terror; ein Zeichen des Verrats an der Meinungsfreiheit; ein Zeichen gegen jene Länder, die das Regime durch vereinten Druck von der Fortsetzung seiner Atompolitik abbringen und einen Krieg noch verhindern wollen.

So wie man zu Neo-Nazis keine entspannte Freundschaft pflegen kann, kann man mit einem Regime wie dem iranischen keine entspannten Geschäftsbeziehungen unterhalten. Wenn dies schon für jeden Kleinbetrieb gilt, dann doch wohl besonders für die größte Buchmesse der Welt!

EINE NACHBEMERKUNG UND EIN DOKUMENT

Teheran räumt seinem Auftritt in Frankfurt einen hohen Stellenwert ein. Dies beweist auch der Aufsatz, den die „University of Religions and Denominations“ (URD), einer in der Stadt Qum unter Ahmadinejad gegründeten Kaderschmiede, über die die bevorstehende Buchmesse veröffentlichte. Der Politikwissenschaftler Wahied Wahdat-Hagh berichtete erstmals hiervon. ((Wahied Wahdat-Hagh, Dialog mit Antisemiten: iranische Islamisten in der Frankfurter Buchmesse, auf: http://jungle-world.com//von-tunis-nach-teheran/1818 .))

Der URD- Beitrag fordert, dass der offizielle staatliche Auftritt des Iran bei der diesjährigen Buchmesse besser als im Vorjahr organisiert werden müsse. Die Pleite von 2011, als es einen Nationalauftritt des Landes nicht gab, „habe zu einer großen Diskussion zwischen dem iranischen Botschafter in Deutschland und dem Berater des Präsidenten Ahmadinejad sowie dem Kultursekretär des iranischen Ministeriums für islamische Führung und Kultur geführt.“ Dieses Jahr, so fordert der Autor, müsse die „Würde des Iran“ auf der Buchmesse wieder hergestellt werden. Immerhin sei die Bezahlung für die von 80 auf 96 Quadratmeter erhöhte Fläche bereits erfolgt.

Frau Katja Böhne, die Leiterin der Abteilung „Marketing & Kommunikation“ der Frankfurter Buchmesse, betätigte mir gegenüber, dass es einen Nationalstand Irans auf der Buchmesse 2011 nicht gab. Dieser Umstand sei aber keinesfalls auf Maßnahmen der Buchmesse zurückzuführen.

Meine Fragen über die diesjährige iranische Präsenz in Frankfurt beantwortete Frau Böhne am 23. August 2012 wie folgt:

1. Trifft es zu, dass in diesem Jahr die Islamische Republik Iran mit einem Nationalstand vertreten sein wird?

Das trifft zu: Der Stand wird von der TIBF/Iran Cultural Fairs Institute, das auch die Teheran Book Fair veranstaltet, organisiert.

2. Trifft es zu, dass sich die Gesamt-Ausstellungsfläche für Iran von 80 qm in 2011 auf 96 qm in 2012 erhöhen wird?

Über die Standgrößen unserer Aussteller geben wir grundsätzlich keine Auskunft.

3. Trifft es zu, dass sich in die Verhandlungen um die Vertretung seines Landes auf der kommenden Buchmesse auch die Iranische Botschaft in Deutschland eingeschaltet hat?

Die iranische Botschaft hat traditionell einen eigenen Stand auf der Frankfurter Buchmesse, sie tritt nicht gemeinsam mit der TIBF auf.

4. Nach Auskunft der „Iran Book News Agency“ (IBNA) wurde dem Iran für die kommende Messe eine Halle zugeteilt, „in which speeches will be delivered on the publication and culture of the Islamic Republic of Iran and today’s Iran.“ Ist diese Auskunft, was die Möglichkeit derartiger Reden anbelangt, zutreffend?

Der Gemeinschaftsstand der Islamischen Republik Iran wird in der Halle 5.1 platziert sein. Wir haben derzeit keine Kenntnis davon, dass der Organisator des iranischen Gemeinschaftsstandes ein Veranstaltung angemeldet oder organisiert hat.

5. Als Reaktion auf die iranische Todesfatwa gegen den Autor Salman Rushdie durften 1989, 1990 und 1991 keine iranischen Verlage an der Frankfurter Buchmesse teilnehmen. Seit dem Mai dieses Jahres wird der in Deutschland lebende Dichter und Sänger Shanin Najafi mit dem Tode bedroht; auch auf ihn wurde ein Kopfgeld ausgesetzt, auch er muss sich seither verstecken. Warum reagiert die Buchmesse auf den jüngsten Mordaufruf nicht ebenso wie 1990 auf den Mordaufruf gegen Rushdie?

Die Frankfurter Buchmesse sieht sich in der Verantwortung weltweit die Verlags- und Literaturbranchen zu vernetzen und sie im Aufbau freier Strukturen zu unterstützen – und auf diese Weise die politische Weiterentwicklung zu fördern. Dazu gehört unbedingt die Annäherung über einen nachhaltig angelegten Dialog, gerade in solchen Ländern, in denen das Publizieren von Büchern / die Veröffentlichung von Inhalten auf politische Schwierigkeiten stößt.

6. Vernünftigerweise arbeitet die Buchmesse in vielfältiger Weise mit dem Auswärtigen Amt zusammen. Handelt die Buchmesse hinsichtlich der diesjährigen Repräsentanz des Iran in eigener Regie oder in Abstimmung mit dem AA?

Die Frankfurter Buchmesse arbeitet seit vielen Jahren in verschiedenen Bereichen mit dem Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland zusammen. Anmeldungen von Gemeinschaftsständen oder Abstimmungen über diese fallen nicht in den Bereich der Kooperation. In Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt ist die Frankfurter Buchmesse zum Beispiel mit ihrem Einladungsprogramm oder auch durch das Angebot von Fortbildungsveranstaltungen bemüht, die unabhängige Verlegerschaft im Iran zu stärken.

7. In den letzten Tagen und Wochen haben staatliche iranische Stellen ihre Verbalattacken auf Juden und auf den Staat Israel noch einmal gesteigert. Der Antisemitismus dieser Stellungnahmen wurde von Vertretern der UN, der EU und mehrerer Regierungen scharf kritisiert. Ist dies für die Frankfurter Buchmesse ein Grund, zumindest den Nationalstand des Iran von einer diesjährigen Teilnahme auszuschließen?

Die Frankfurter Buchmesse nimmt mit Bedauern die Verschärfung der politischen Tonlage der Konfliktparteien im Nahen Osten zur Kenntnis. Ausgrenzung und Verfolgung sind für uns keine Mittel in der Austragung politischer Differenzen. Ein Grundmaxime der Frankfurter Buchmesse besteht in der Herstellung und Aufrechterhaltung des Dialogs. Die Frankfurter Buchmesse versteht sich als Handelsplattform, an der als Aussteller jeder teilnehmen kann, der die Geschäftsbedingungen erfüllt. Dies schließt auch die eigenständige Organisation von Werbe- und Informationsveranstaltungen ein, die allen Ausstellern offen stehen und von ihnen genutzt werden können, solange sie damit nicht gegen geltendes Recht in der Bundesrepublik Deutschland verstoßen.

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