„Miss Holocaust“ – Von Finsternis ins Licht

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In Haifa wurde eine „Miss Holocaust“ unter 300 Frauen im Alter zwischen 74 und 94 Jahren gekürt. 14 Frauen gelangten in die Endauswahl und paradierten in schwarzen Kostümen und einer Schlaufe mit der Aufschrift „Und du hast überstanden“ über die Bühne. Der Abend, gesponsert von einem Kosmetikhersteller, brachte die Überlebenden der schlimmsten Konzentrationslager zum herzlichen Lachen…

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 29. Juni 2012

Shimon Sabag, der Organisator des Abends, wies jede Kritik zurück, die sein Projekt als “makaber” oder “abwegig” bezeichnet hatten. Die Gewinner seien vor allem aufgrund ihrer persönlichen Geschichte, ihrer schlimmen Erfahrungen in der Nazizeit und ihrer Leistungen zum Wiederaufbau ihres Lebens nach dem Krieg ausgewählt worden. Das Äußere habe nur eine winzige Rolle gespielt.  „Sie haben sich wohl gefühlt. Sie hatten großes Vergnügen und viel Spaß schon bei den Proben“, sagte Sabag der Zeitung Haaretz. Sabag ist der Direktor der Stiftung “Hilfe für einen Freund”, die sich bedürftigen Holocaustlebenden widmet, von denen in Israel noch etwa 200.000 leben und viele von ihnen unter der Armutsgrenze.

„Die Tatsache, dass sich so viele beworben haben, war für uns ein Beweis, dass wir eine gute Idee hatten.“ Etwa 600 Gäste nahmen an dem Abend teil, darunter zwei Minister. Musik wurde gespielt und dazu gehörte auch ein üppiges Abendessen.  Die Gewinnerinnen präsentierten sich dem Publikum mit ihrer Lebensgeschichte. „Ich habe das Privileg, der Welt zu zeigen, dass Hitler uns auslöschen wollte, während wir noch immer am Leben sind. Wir genießen auch Gott-sei-Dank das Leben“, sagte die 74 Jahre alte Esther Libber. Sie musste aus ihrem Heim in Polen fliehen, versteckte sich im Wald und wurde von einer polnischen Frau gerettet. Sie hat ihre gesamte Familie im Holocaust verloren.

Hava Hershkovitz, bald 79 Jahre alt, wurde aus ihrem Haus in Rumänien 1941 vertrieben und verbrachte drei Jahre in einem Gefangenenlager in der Sowjetunion. „Dieser Saal ist gefüllt mit Überlebenden. Wir suchen die Aufmerksamkeit und Teilnahme. Es ist nicht leicht, in diesem Alter noch an einem Schönheitswettbewerb teilzunehmen. Aber so zeigen wir allen, dass wir immer noch da sind.“ Ihre Enkelin Hasan sagte: „Ich bin sehr stolz auf sie, denn sie ist heute die Schönste im Saal.“ Eine Kosmetikfirma half den Frauen, sich für den Anlass einzukleiden. Sabag erklärte: “Wir sagen ihnen immer wieder, dass sie sich gut kleiden und gut aussehen sollten, positiv zu denken und sich gut zu pflegen. Sie sollten das Leben immer mit einem Lächeln betrachten und weiter am Leben bleiben.“  Die Abgeordnete Colette Avital, selber aktiv in einer Holocaust-Überlebenden-Organisation, hielt die Veranstaltung für eine „billige“ Masche einer (namentlich nicht genannten) Kosmetikfirma, für ihre Produkte Reklame zu machen. Lili Haber, die sich um Überlebende aus Polen kümmert, bezeichnete die Veranstaltung als „schrecklich“ und als etwas, „was sich eine anständige Person nicht ausdenken könnte“.

Als hätten nicht auch alternde Überlebende der Schrecken des Holocaust ein Recht darauf, sich zu vergnügen und zu lachen, meinte der bekannte israelische Blogger Gal Mor: „Die Veranstaltung war nur ein kleiner Schritt von ‚Big Brother Auschwitz‘ entfernt. Das hinterlässt einen schlechten Geschmack. Holocaust Überlebende sollten über solchen Dingen stehen.“

Während Millionen Menschen das unangefochtene Recht haben, sich mit „Big Brother“ und anderen „Reality Shows“ zu zerstreuen, soll offenbar ausgerechnet jenen das Recht versagt werden, einfach nur „Mensch“ zu sein und sich auch mal zu amüsieren, denen in der Kindheit die Zugehörigkeit zur Menschheit abgesprochen worden war, und von denen viele ihre gesamte Familie in den Gaskammern verloren haben.

(C) Ulrich W. Sahm / haGalil.com

2 Kommentare

  1. Über guten Geschmack lässt sich immer streiten, galim.

    Auch wenn Herr Sahm meist Stuss schreibt, hier muss ich ihm einmal Recht geben. Warum sollen sich Überlebende nicht genauso amüsieren dürfen wie der Rest der Welt.

  2. Halelujah… !!
    Warum nicht noch ’ne Show „Wahl der Miss Einsitzenden im Sowjetischen Gefangenenlager“ veranstalten ?

    Ãœber die promotion von Umsatz und Verkaufsstückzahlen lässt sich sicherlich streiten – über guten Geschmack ganz bestimmt nicht !

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