Historischer Friedensschluss in Nahost

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In Tel Aviv ist am Donnerstag eine Jahrhundert alte Feindschaft mit einem „Friedensschluss“ beigelegt worden. In den Büroräumen der Zeitung „Jakinton“ trafen sich „Polen“ und „Deutsche“, in Israel abschätzig „Jekkes“ genannt…

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 26. Januar 2012

Das israelische Fernsehen berichtete am Donnerstag Abend über die denkwürdige Versöhnung. Der Reporter polnischer Abstammung, Jair Weinreb, verspätete sich um eine halbe Stunde zu dem historischen Treffen. Vorhaltungen machten ihm aber nicht etwa die ewiglich pünktlichen Jekkes, sondern die polnische Teilnehmerin Deganit Salant: „Zu spät kommen ist einfach nicht in Ordnung.“

Jedes Kind in Israel weiß, dass die Jekkes im Gegensatz zu den Polen ein Synonym für „Ordnung“ sind. Micha Limor, stolzer Jekke und ehemaliger Journalist, erzählte der wohlgelaunten „gemischten“ Runde, wie er in seinem guten deutschen Elternhaus erzogen worden ist: „Meine erste Erinnerung im Leben ist von meinem Vater, wie er sich über mein Bettchen beugte und sagte:
`Micha, hab keine Angst vor den Arabern, hab keine Angst vor den Franken (sephardische Juden), hüte dich allein vor den Polen.“

Der ehemalige Tel Aviver Stadtrat, Mordechai Warschabsky, ebenfalls ein Jekke, erinnerte daran, wie sich die Polen in den Zeiten der Staatsgründung als „Herren des Landes“ empfanden und aufführten. Schließlich waren die Polen vorher gekommen, darunter David Ben Gurion, der Staatsgründer, Schimon Peres und andere, während die „Deutschen“ erst in den dreißiger Jahren einwanderten. „Die Polen errichteten die Infrastruktur, legten die Sümpfe trocken und hatten keine Geduld für die Professoren aus Deutschland“, beschreibt Weinreb die Stimmung damals.

Die Jekkes wurden verspottet. Warschabsky erzählt vom „unfreundlichen Empfang“ durch die alteingesessenen Polen: „Meine Mutter war stolz auf meinen Anzug, mit dem ich in der dritten Klasse zur Schule ging. Ich wurde ausgelacht. Bis zum Ende des Tages waren alle Knöpfe abgerissen.“ Übrigens wurden die Deutschen angeblich „Jekkes“ genannt, weil sie trotz der Hitze immer Anzug und Jacke trugen.

Ein Pole im Raum monierte: „Die Jekkes haben sich gegenüber der osteuropäischen Kultur für überlegen gehalten.“ Zum allgemeinen Gelächter erwiderte Micha Limor: „Aber selbstverständlich doch, das steht doch außer Frage.“

Die Jekkes seien hochnäsig gewesen mit ihren Titeln, der klassischen Musik, ihrer Erziehung und dem Benehmen. Sogar auf das Essen der Polen hätten sie verächtlich herabgeschaut. „Ein polnischer ´gefilte Fisch´ ist doch nicht zu vergleichen mit Bratwurst und Kartoffelsalat“, erklärte der Reporter und sprach die fremdländischen Speisenamen im Original aus.

Die deutschen Juden konnten kein Jiddisch, jenes Mittelhochdeutsch der polnischen Juden und machten sich lustig über jene Sprache, die mit Worten wie Ganove, Schmiere stehen und Mischpoke auch Eingang ins Umgangsdeutsch fand.

Die „Versöhnung“ zwischen den  Polen und Deutschen in Israel sei erst in der zweiten und dritten  Generation möglich geworden, stellten die Teilnehmer des Treffens nach einem belustigten Austausch weiterer Vorurteile und alter Gehässigkeiten fest. Die Feindschaft zwischen Polen und Jekkes ist zum Beispiel dank Efraim Kischon längst Teil israelischer Folklore geworden.
Zahllose Witze bezeugen, dass beide die jeweils anderen für „Ostfriesen“ hielten.

„Wir wurden diskriminiert“, sagte Warschabsky. „Die Jekkes haben viele Mängel, aber der Jekke ist doch ein Weißer…“ Denn während Polen und Jekkes nun ihre alten Feindseligkeiten beilegten, kamen auch aktuelle „Kulturkämpfe“ in Israel zur Sprache, so etwa die rassistische Diskriminierung der Einwanderer aus Äthiopien.

Der Reporter, der sich als „Pole“ ausdrücklich um einen „ausgewogenen und neutralen Bericht zu dem Thema“ bemüht habe, hätte eigentlich einen fotogenen Handschlag erwartet, wie zwischen Politikern beim Friedensschluß. Doch den habe es nicht gegeben. Weinreb kommentierte: „Wahrscheinlich erwarteten die Polen, dass die Jekkes als erste die Hand reichen sollten…“

(C) Ulrich W. Sahm / haGalil.com