In den vergangenen Wochen gab es viele Diskussionen über den Status der Frau in Israel. Als israelische Frau und Mutter habe ich die öffentliche Debatte mit großem Interesse verfolgt. Ich lebe in Jerusalem, und ich kann aus erster Hand berichten, wie Frauen in Israel mit gesellschaftlichen Problemen zu kämpfen haben. Aber die Situation hier ist nicht katastrophal, wie man in Europa vielleicht denken mag…
Kommentar von Laura Kam
Jerusalem, 14. Dez. – In der Tat gibt es besorgniserregende Trends wie zum Beispiel den Versuch, Abbildungen von Frauen aus der Werbung zu verdrängen. In einem anderen Fall gab es Beschwerden, weil Soldatinnen bei einer Zeremonie der israelischen Armee als Sängerinnen auftraten. Aufgeklärten Frauen und Männern in Israel gaben diese Vorfälle neuen Anlass, sich darüber Gedanken zu machen, in welcher Gesellschaft wir in Israel leben wollen.
In der Praxis ist Israel weit davon entfernt, perfekt zu sein, doch für die Mehrheit der Israelis bleiben Frauenrechte ein unerlässliches Gut, das es bedingungslos zu verteidigen gilt. Alle Frauen in Israel, unabhängig von ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit, sind per Gesetz vor Diskriminierung geschützt. Es gibt Richterinnen und eine Präsidentin im Obersten Gericht Israels. Frauen sind Parteivorsitzende. In allen Bereichen des öffentlichen Lebens besetzen Frauen Führungspositionen. Jede israelische Frau, ob Christin, Muslimin, Jüdin, religiös oder säkular, verheiratet, ledig, hetero- oder homosexuell, hat bis zum zweiten Kind freien Anspruch auf Fruchtbarkeitsbehandlungen einschließlich künstliche Befruchtung durch In-vitro-Fertilisation.
Trotz dieser Fortschritte müssen wir uns in Israel – wie in vielen anderen Ländern – für die Gleichberechtigung von Mann und Frau weiter stark machen. Dazu gehört, dass der Frauenlohnspiegel dem der Männer angeglichen werden muss. Hier steht Israel in der westlichen Gesellschaft nicht alleine da.
Der frauenfeindliche Trend, den wir in Israel beobachten, und der in Europa mit Sorge verfolgt wird, ist das Ergebnis des wachsenden Einflusses einer kleinen Zahl von extremistischen Ultraorthodoxen, die ihren Lebensstil allen Bereichen der israelischen Gesellschaft aufzwingen möchten, vor allem was das Thema „Sittsamkeit“ angeht. Es ist mir wichtig, darauf aufmerksam zu machen, dass säkulare – und moderne religiöse – Frauen eine Debatte über dieses Problem angestoßen und für sich entschieden haben.
Nehmen wir den Fall der Abbildungen von Frauen, die in Jerusalem stillschweigend aus der Werbung genommen oder gewaltsam von Plakatwänden entfernt wurden. Als dieser „Kreuzzug“ gegen uns Frauen ans Licht kam, gab es einen öffentlichen Aufschrei, gefolgt von wirksamen Gegeninitiativen. Der Bürgermeister von Jerusalem, Nir Barkat, erklärte: „Wir müssen sicherstellen, dass diejenigen, die mit Bildern von Frauen in der Stadt werben wollen, dies tun können, ohne sich vor Verunstaltungen von Plakaten oder Vandalismus in Bussen, die Abbildungen von Frauen zeigen, fürchten zu müssen.“ Frauen- und Jugendorganisationen veranstalteten Demonstrationen. Säkulare und modern-orthodoxe Frauenrechtsgruppen riefen auf Facebook-Seiten zur Zusammenarbeit auf, um Israels toleranten Charakter zu bewahren. Die Zeitungen waren voll mit wütenden Kommentaren. Talkshows befassten sich mit dem Thema. Wir Frauen haben uns unseren Platz in der Öffentlichkeit zurückerobert.
Oder nehmen wir das Problem der nach Geschlechtern getrennten Busse. Diese Busse verkehren in der Regel zwischen streng religiösen Wohnvierteln, in denen die Geschlechtertrennung in Schulklassen eine akzeptierte gesellschaftliche Norm ist. In der Tat ist die Erzwingung der Trennung von Männern und Frauen im öffentlichen Raum in Israel illegal. Israels Oberstes Gericht hat entschieden, dass Frauen in Bussen nicht auf die hinteren Sitze verwiesen werden dürfen. Schilder erinnern daran, dass Passagiere ihren Sitzplatz frei wählen können und dass jede belästigende Person strafrechtlich verfolgt werden kann.
Israels Polizeichef, General Yochanan Danino, ordnete israelische Polizistinnen und Polizisten zu einer Politik der Null-Toleranz gegenüber der Diskriminierung von Frauen an. Jede Diskriminierung von Frauen wird als Verbrechen behandelt.
Auch Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verurteilte die ultra-orthodoxe Bemühungen, Frauen aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen: Die Gleichstellung von Männern und Frauen sei nicht verhandelbar, ermahnte er. Das habe in Israel immer gegolten, und so werde es auch bleiben.
Die Situation ist nicht so schlimm wie es einige in Israel und im Ausland heraufbeschwören. Israel ist nicht Iran.
Israelische Frauen können ihren persönlichen Lebensstil frei wählen. Letztlich leben wir in einer lebendigen Demokratie, in der eine kleine Minderheit nicht der Mehrheit ihre Wertvorstellungen aufzwingen kann. Wir Jüdinnen und Juden feiern in diesen Tagen Hanukka, das jüdische Lichterfest. Sein Symbol ist das Licht, das die Dunkelheit erhellt. Ich feiere es in diesem Jahr als Fest der unermesslichen Freiheit, die wir Frauen in Israel genießen.
Laura Kam ist Executive Director für internationale Angelegenheiten bei The Israel Project (TIP), ein gemeinnütziger Informationsservice, der Führungskräfte über Israel und den Nahen Osten informiert. Der Kommentar erschien am 23.12.11 in der Jerusalem Post.