Zwischen zwei Reden

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Netanyahus Rede in der Knesset war eine gute Rede. Er sagte die Wahrheit. Er stellte den israelisch-palästinensischen Konflikt so dar, wie er ist. Er umriss sechs israelische Grundsätze für den Frieden: Israel als Nationalstaat des jüdischen Volkes; ein entmilitarisiertes Palästina, das nicht das Jordantal kontrolliert; die Flüchtlinge außerhalb Israels; Bewahrung der Siedlungsblöcke; Bewahrung Jerusalems; Beendigung des Konflikts ohne weitere Forderungen…

Von Ari Shavit

Die sechs Prinzipien Netanyahus entsprechen genau dem Erbe Rabins, dem Erbe Sharons und dem Parteiprogramm von Kadima. Es sind dies Prinzipien, die man gegenüber den Palästinensern aufstellen kann. Es sind dies Prinzipien, die man der Welt erklären kann. Es sind dies Prinzipien, in denen sich die vernünftige Mehrheit der Israelis einig ist. In Jerusalem wird Israels weitere schmerzhafte Zugeständnisse machen müssen, aber grundsätzlich gibt es keine Zwei-Staaten-Lösung, die nicht auf den sechs Prinzipien basiert.

Sollten wir Frieden erlangen, wären dies die Prinzipien auf denen er beruht. Sollte uns Krieg aufgezwungen werden, wären dies die Prinzipien, die man in einem Krieg zu Recht verteidigen würde. Dies ist der israelische Kern.

Dennoch muss Netanyahus Rede vor dem US-Kongress noch viel besser sein. Sie muss eine ausgezeichnete Rede sein. Dafür muss sie einen siebten Friedensgrundsatz enthalten, den Netanyahu in der Knesset nicht erwähnt hat – das Prinzip 1967. Israels Ministerpräsident muss einem Rückzug hinter die Grenzen von 1967 nicht zustimmen. Ein solcher Rückzug ist unmöglich. Allerdings muss er darin einwilligen, den Palästinensern ein Gebiet zu überlassen, das wie das Gebiet von 67 ist. Eine solche Einwilligung ist essentiell. Ohne Akzeptanz des Prinzips 1967 werden die Prinzipien Netanyahus hohl bleiben. Die Palästinenser werden sich über sie mokieren, und die Welt wird sie zurückweisen. Sie werden noch eine unwichtige Äußerung eines unwichtigen Ministerpräsidenten sein, der keine bleibenden Spuren hinterlassen hat.

Der Entwurf der Kongress-Rede Netanyahus ist fertig. Er enthält einen Geistesblitz. Am nächsten Dienstag wird der Geistesblitz Schlagzeilen machen. Dennoch wird in den auf den Dienstag folgenden Tagen innerhalb und außerhalb Israels eine stürmische Diskussion geführt werden: Ist der Geistesblitz reine Meinungsmache, ein Trick oder ein wirklicher Durchbruch? Ist er ein Ausweichmanöver oder eine substantielle Aussage? Genau deswegen muss Netanyahu seine Worte mit Bedacht formulieren. So wie die Bar-Ilan-Rede wegen sieben Wörtern in Erinnerung bleibt, wird die Washingtoner Rede mit dreißig Wörtern stehen oder fallen. Sollten sie ernsthaft, entschlossen und kraftvoll ausgesprochen werden, könnten sie einen Wendepunkt markieren. Sollten sie vage und neblig ausgesprochen werden, werden sie zu nichts führen. Nur einem mutigen Netanyahu wird es gelingen, die Palästinenser und die internationale Gemeinschaft herauszufordern. Nur ein Netanyahu, der etwas wirklich Substantielles sagt, wird eine neue politische Situation herbeiführen.

Die Zeiten sind schwer. Der Nahe Osten brodelt, und die Palästinenser befinden sich in einer Siegeskurve, die sie immer radikaler macht. Es besteht nicht viel Aussicht auf Frieden zu diesem Zeitpunkt. Sollte aber die UNO für den Beschluss einer Gründung eines palästinensischen Staates in den Grenz von 1967 votieren, würde auch die Aussicht auf einen Frieden in der Zukunft verloren gehen. Sollte die Welt beschließen, das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser zu verwirklichen, ohne dass sie auf die Forderung nach Rückkehr [der Flüchtlinge] verzichten, werden sie niemals auf die Forderung nach Rückkehr verzichten. Drei Millionen palästinensischer Flüchtlinge würden den Frieden unmöglich machen. Sollte die Welt den Palästinensern Ma’ale Adumim, Gilo und den French Hill zugestehen, werden sie niemals in Bezug auf Ma‘ale Adumim, Gilo und den French Hill Kompromisse machen. 600 000 Siedler, die dem Frieden im Wege stehen, werden dafür sorgen, dass es niemals Frieden geben wird. Der September 2011 wird als der Monat erinnert werden, an dem der Frieden verlorenging.

Die Bedeutung all dessen ist gewichtig: Der Kampf wird derzeit nicht um sofortigen Frieden geführt, sondern darum, den Weg für einen zukünftigen Frieden zu ebnen. Gleichzeitig richtet sich der Kampf gegen die absolute Delegitimierung Israels; gegen das Abgleiten in einen Krieg; gegen die Erzeugung einer verzweifelten Lage, die Israelis und Palästinenser dazu bringen wird, sich gegenseitig an die Kehle zu springen. In dieser schwierigen Situation ist es die Pflicht aller Vernünftigen, sich zusammenzuschließen. Netanyahu muss voranschreiten, indem er das Prinzip 1967 übernimmt. Die Kadima-Partei muss auf Netanyahu zugehen, indem sie eine positive, praktische und nicht-zänkische Haltung einnimmt. Ganz Israel muss sich um seine Kernprinzipien herum vereinen. Die internationale Gemeinschaft muss aufwachen. Nur mit vereinten Kräften wird es möglich sein, Krieg zu verhindern und schrittweise Frieden herbeizuführen. Es bleibt nicht viel Zeit, wirklich nicht viel Zeit. Wer nach draußen blickt, sieht: Der Eisberg wird immer größer.

Haaretz, 19.05.11, Newsletter der Botschaft des Staates Israel

3 Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Shavit,
    ihr Kommentar ist zu dieser Sache sehr wertvoll aber werden die ganzen Friedensbemühungen nicht an einer Sache scheitern:“Jerusalem?!“.Diese Stadt, und das ist meine persönliche Meinung, ist von G’tt den Israeliten dieser Welt wiedergegeben worden weil sie die alleinige Hauptstadt Israels ist und bleibt und jede Regierung die dort eine Teilung vollziehen will wird daran scheitern sei es die israelische,amerikanische,islamische,europäische oder sonstige Regierung.Jeder Kompromiss über Jerusalem wird nur Scheinfriede sein;ODER?!
     
    Shalom Shalom
    M. Spilker;Ebersbach

  2. Sehr geehrter Herr Shavit,

    Ihr Kommentar hat mich sehr beeindruckt. Er gibt aber – leider – keinen Anlass zum Optimismus. Aber, Herr Shavit, ich war auch nicht optimistisch, bevor ich Ihren Kommentar gelesen habe. Das Bündnis zwischen Fatah und Hamas, Bibi N. als Premier in Israel  – wie soll da die Blume der Versöhnung blühen ?

    Mit freundlichen Grüßen, Shalom

    G. Bluhm, Berlin

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